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Ausgabe:

1970

Spalte:

538-540

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

The Cambridge history of later Greek and early medieval philosophy 1970

Rezensent:

Adam, Alfred

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53?

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

538

logie" (410). Alles wäre darauf angekommen, solche Sätze zu
interpretieren. Die Existenztheologie ist nicht zuletzt
deshalb entstanden, weil das nötig und schwer ist.

Nach J. führt die Überwindung des SOV zu „Identität, Sigetik,
Punktualität, Promeität" (418 ff.). Dagegen garantiere das sov
„Polarität, Explizität, Kontinuität, Sozialität". Nun wünscht wohl
jeder Theologe, dafj die Aussagen des Glaubens nicht selbstbezogen
, sondern verständlich sind, angelegt auf die öffentliche
Predigt und nicht aufs Schweigen. Wer hierin anderen Theologen
am Zeug flicken will, der muß sich praktisch daran versuchen, die
Botschaft zu verstehen und ihre kirchliche Wiedergabe verstand'ich
zu machen, den Adressaten der Verkündigung zu bedenken und
die Texte der Tradition zu hören und zum Reden zu bringen.
Diese Aufgabe kann nicht in allgemeinen Vorüberlegungen gelöst
werden; es kommt darauf an, was einer theologisch zu sagen
hat. Es hilft nichts, generell Explizität, Kontinuität usw. für seine
Theologie zu postulieren; bei J. finden sich nur solche Postulatc,
z. B. „Der Glaube darf seine Kontinuität nicht in sich selbst haben,
sondern in seinem Gegenstand. Dieser darf nicht in e nen
punktuellen substanzlosen Aktualismus verflüchtigt we*den urd
sich dadurch in Fiktion und Illusion auflösen" (422). Bei Bultmarn
bestehe „die Gefahr, dafj er das wesentliche Anliegen des, echten
Gottesglaubens preisgibt, nämlich Gottes Sein außerhalb des Ich
postulieren zu können" (432 f.). .... es muß im Verhältnis zur
Gemeinschaft etwas Externes geben, worauf die Gemeinschaft
baut" (435), und dies Externe ist das Datierbare an der Geschichte
von Jesus (433 f.). J. beruft sich auf die „Kontinuität, dafj Gott
auch mir eine Geschichte gegeben hat, daß ich getauft bm, daß
er mir früher begegnet ist, überhaupt seine Treue gegen mich"
(422). Wenn solche Sätze verständlich sind und keiner Diskussion
bedürfen, so ist die Existenztheologie allerdings überflüssig. Dann
aber würden zehn Seiten genügen, ihre Vergeblichkeit darzutun.

J. will sich „ganz der Intention der Existenztheologie anschließen
, die Botschaft des Christentums für den modernen Menschen
lebendig und gegenwärtig zu machen" (445). Wäre jedoch
das Ziel dieser Theologie nur, einen fertigen Inhalt mundgerecht
zu machen, so hätte sie die falschen Mittel gewählt. Ihr peht es
aber um die Sagbarkeit der Offenbarung; schon damit ist das
hermeneutische Problem gegeben, und das erfordert eine radika'e
Selbstkritik der Theologie. Doch J. kennt „das Evangelium als
solches" (248). „Gott im biblischen Sinne" (337) und „der bVische
Christus .... der zur Rechten des Vaters sitzt" (341). sind ihm
bekannnte Größen. „Die reine theologische Position" (17; vgl.
82.130 u. ä.) hält er gegen seine Gegner. Was Wunder, daß er zu
einem echten Streit mit ihnen nicht kommen kann?

Man wird zu dem Urteil gedrängt, daß J.s Abhandlung mißglückt
ist. Was ist schuld daran? Das Buch beweist reichlich, daß
dem Vf. weder Begabung1 noch Fleiß fehlen, eine solche Aufgabe
zu bewältigen. M. E. ist der Grund aller Mängel, daß J. sich
Gegner gewählt hat, deren Problem ihm selbst kein Problem ist.
Deshalb gelingt ihm nirgends eine eindringende Darstellung seiner
Widersacher. Deshalb enthält sein Buch keinen echten Gedankenfortschritt
, sondern das Resultat wird vorausgesetzt, ohne je unter
den Druck der Selbstprüfung zu geraten. Deshalb wird sein
kritischer Gedanke - die mystische Gefahr - unbrauchbar. Deshalb
bleibt sein eigener Lösungsversuch in Postulaten stecken. Deshalb
auch fühlt sich J. zu einem hochfahrenden Ton berechtigt, der die
Lektüre des Buches unerfreulich macht.

Zwei krasse Beispiele: „Man kann sich manchmal nicht des
Eindrucks erwehren, daß es in der Existenztheologie fast magische
.heilige' Worte gibt. Man versuche nur gegen die Unterscheidung
von existentiell und existential zu verstoßen! Man beachte übrigens
die offenkundige Wortmonomanie der Existenzphilosophie und
-theologie", die „Monomanie für abstrakte, inhaltslose Worte, die
kraft ihrer Inhaltslosigkeit und durch unleidliche Wiederholung
magisch wirken. Kurzum, es ist existentielles Abrakadibra!"
(381 Anm. 25). Zu Ebelings Satz, „daß der Ort der Erfahrung
dessen, was .Gott' heißt, das Gewissen sei", bemerkt J.: „Die
Anführungsstriche neben Gott sollen hoffentlich wohl andeuten,
daß Ebcling trotz allem als Theologe ein schlechtes Gewissen bei
der Formulierung hat!" (299).

Es sei betont, daß mein Vorwurf gegen J. nicht lautet, er habe
unrecht und die Existenztheologic habe recht; vielmehr trifft J.

seinen Gegner nicht, so daß die Frage nicht auftaucht, wer Recht
behält. Es ist zu bedauern, daß J. sich nicht mit Karl Barth, mit
der Orthodoxie oder dem Fundamentalismus auseinandergesetzt
hat. - Das Buch strotzt von Stil- und Druckfehlern. Auch an
anderen Beanstandungen ist kein Mangel.

Aarhus Peter Widinaun

Armstrong, A. H. [Ed.]: The Cambridge History of Later Greek
and Early Medieval Philosophy. London: Cambridge University
Press 1967. XIV, 711 S. gr. 8°. Lw. 95 s.

Die Philosophie der Alten Welt ist für uns die Philosophie der
griechischen Denker, die im Jahre 529 n. Chr. endete, als Kaiser
Justinian die athenische Akademie aufhob. Die Aufgabe der philosophischen
Besinnung ging nunmehr auf die Denker der christlichen
Kirche über, und ihr bedeutendster Sprecher war Maximus
der Bekenner (580-662), dessen Werk durch die Vermittlung
Eriugcnas in das abendländische Mittelalter hincinwirktc.

In dem vorliegenden Werk geht es nicht um die Absxht,
eine Geschichte der antiken Philosophie im üblichen Sinne darzubieten
; es sollen vielmehr ihre Auswirkungen, die sich auf die
christliche Kirche, das jüdische Denken und die islamische Wissenschaft
erstrecken, erfaßt werden. Da ein Fachmann, der dieses
weite Gebiet beherrscht, nicht auffindbar ist, wurde der S off auf
mehrere Verfasser verteilt. Behandelt ist zunächst der Bereich der
Grundlegung, beginnend mit den Wirkungen des Piatonismus urd
Aristotelismus sowie des Neuplatonismus, und im engen Anschluß
daran die Zeit des lateinischen Mittelalters bis hin zu der Zeit
Anselms von Canterbury.

Nach einer allgemeinen Einführung des Hrsg.s (S. 1-9), in der
die Einteilung des Ganzen begründet wird, stellt P. Merlan im
I. Abschnitt (S. 13-132) die „Griechische Philosophie von Plato bis
Plotin" dar mit dem Ziel, die grundlegende Bedeutung, die Plato-
nismus und Aristotelismus gemeinsam für die Denker des behandelten
Zeitraums, vor allem für Plotin hatten, zum Verständnis
zu bringen. Dabei kommen die Hauptthemen, die sich in der Auslegung
und Fortführung der platonischen Philosophie ergeben
haben, ausführlich zur Sprache. Deren Fülle kann in einer
Besprechung nur angedeutet werden; genannt sei die Entwicklung
des Hyle-Begriffs bis hin zu seiner Doppelung bei Plotin (S. 27),
die Seelenlchrc des Aristoteles (mit der wichtigen Unterschc:dung
von entelcchcia als immanenter Formkraft des lebenden Le'bcs
und endelecheia als unablässig bewegter ätherischer Substanz,
S. 39 ff.), der Hinweis auf Antiochos von Askalon, den Lehrer
Ciceros, als den Urheber der bei Philo feststellbaren Lehre, daß
die Ideen die Gedanken Gottes sind (S. 55), auf Numenius von
Apamea mit seiner Lehre von den zwei Seelen des Menschen und
seinem dynamischen Gottesverständnis, das dem Monarchianismus
nahesteht (S. 102 f.),

Henry Chadwick hat den Abschnitt II (S. 133-192)
„Philo und die Anfänge des christlichen Denkens" ausgearbeitet;
hier sind auch Justin, der Gnostizismus, Clemens von Alexandrien
und Origenes dargestellt. Hervorgehoben sei der Hinweis auf die
philonische Anschauung, daß die Sünde eine natürliche Eigenschaft
und mit der Geschaffenheit des Menschen gegeben ist
(S. 145 f.), wobei die Seele selbst als Bruchteil der göttlichen
Seele aufgefaßt (S. 154) und infolgedessen als unsterblich beurteilt
wird (S. 157). Genau wie Philo hält auch Clemens fest an der
zweischichtigen Erschaffung der Welt, d.h. zuerst der intelligiblen
und danach der sichtbaren Schöpfung (S. 170); in der Lehre von
Gott ist die Vorbereitung des areopagitischen Systems zu erkennen
(S. 179). - Dazu sei bemerkt, daß sich alle diese Anschauungen
im aramäischen Sprachraum (bis hin zu Ephram) finden, möglicherweise
also von dort her zu Philo gelangt sind.

Der Hrsg. A. H. Armstrong hat den Abschnitt III (S.
193-268) über Plotin verfaßt; er löst das Problem, daß zwei
Origcncsgcstaltcn anzunehmen sind, nämlich Origenes der Plato-
niker und Origenes der Christ (S. 198), durch den Vorsch'ag,
zwei Lehrer des gleichen Namens Ammonius anzunehmen. Die
Unterschiede gegenüber dem Gnostizismus sind in einleuchtender
Weise behandelt (S. 206 und 245), ebenso gegenüber dem Christentum
(S. 210) und dem frühen Piatonismus (S. 245).

Über „die späteren Neuplatoniker" und den Neuplatonismus
als Gesamterscheinung schreibt A. C. Lloyd (Abschnitt IV,