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Ausgabe:

1970

Spalte:

528-530

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Götz, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Zentralbau und Zentralbautendenz in der gotischen Architektur 1970

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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527

Theologische Literatury.eitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

528

Die jeweils verschieden akzentuierte Bekenntnisbezogenheit und
ihre praktisch-kirchlichen Konsequenzen lassen sich an den beiden
großen konfessionsverschiedenen evangelischen Gemeinden Elberfelds
gut studieren. Zugleich wird deutlich, wie innerhalb der
jeweiligen Gemeinde, ja sogar innerhalb des einzelnen Bekennt
nispresbyteriums (bzw. Bruderrats) Differenzen aufbrechen, bei
denen konträre Folgerungen aus der jeweiligen Bekenntnisbestimmtheit
gezogen werden. So hat beispielsweise der als Mode
rator des Reformierten Bundes bekannte reformierte Elberfelder
Studiendirektor P. Hermann A. Hesse nach Jahren des Zusammenstehens
im reformierten Bekenntnispresbyterium einen von seinen
Mitstreitern völlig abweichenden Standpunkt bezogen. In Identi
fizierung mit dem rechtmäfjigen Presbyterium der Gemeinde, das
Hesse noch in der Vereinzelung selbst darzustellen meinte, wandte
er sich sogar gegen den Provinzialbruderrat, der ihm nahelegte,
sich der BK Presbyteriumsmehrheit zuzuordnen, die während des
Krieges sich der örtlichen Gesamtgemeinde wieder einordnete.
Auch einen entsprechenden Beschluft der BK Provinzialsynode wies
Hesse mit Berufung auf das reformierte Bekenntnis zurück.

Auch für die lutherische Gemeinde, deren Geschichte nicht so
spannungsreich dramatisch verlief wie die reformierte Entwicklung
in Elberfeld, weil man als Bekenntnisgemeinschaft mit
Neutralen und gemäßigten Deutschen Christen im offiziellen
Presbyterium zusammengeblieben war, blieb freilich eine Spaltung
nicht aus. Die Kirchenausschußzeit brachte eine Spaltung des Gemeindebruderrats
in eine fast gleichgroße Mehrheits- und Minderheitsgruppe
mit sich. Die Mehrheitsgruppe, der Theologen wie
H. Schlier und P. Brunner zugehörten und die vom rheinischen
Bruderrat anerkannt wurde, verstand sich nicht dazu, die schließlich
erfolgreichen Einigungsverhandlungen mit den anderen Richtungen
der lutherischen Gemeinde Elberfelds zu unterstützen und
zu billigen; sie hielt sich von der aus Neutralen, gemäßigten
Deutschen Christen und gemäßigten Bekennern gebildeten Leitung
der offiziellen Gemeinde fern.

Die Darstellung zeigt, daß die je eigene Besinnung auf das
Bekenntnis sowohl in der reformierten wie in der lutherischen
Gemeinde Elberfelds so gut wie überhaupt nicht die Frage einer
Bekenntnisunion aufkommen ließ. Vielmehr führte die theologische
Arbeit an der kirchlich-bekenntnismäßigen Standortbestimmung
hier zu stärkerer Profilierung des lutherischen bzw. reformierten
Standpunktes. Diese Tatsache findet in der Gesamtentwicklung des
Kirchenkampfes in Deutschland eine gewisse Entsprechung, wenngleich
hier die Frage gemeinsamer Leitung und der Wunsch nach
aktualisierendem Bekenntnisverständnis im Ernstnehmen des
Bekenntnisstandes mitunter ein Zeichen solidaritätsfremder Abkapselung
vermuten ließ.

Es wird deutlich, wie nicht nur die faktische Situation beider
Elberfelder Gemeinden, sondern gerade auch ihr unterschiedliches
Bestimmtsein von bekenntnismäßigen Leitbildern dem Kampf
seine spezifische, unverwechselbare Note gab. War in der reformierten
Gemeinde der Kampf seit 1934 gegen die als bekenntniswidrig
empfundene Ersetzung des Presbyteriums durch einen
Bevollmächtigten-, später Gemeindekirchenausschuß gegangen,
weil die presbyteriale Gemeindeleitung als Teil der Ordnung der
nach Gottes Wort reformierten Kirche unmittelbar bekenntnismäßige
Relevanz hatte, so spielte in der lutherischen Gemeinde
die Frage der rechten Kirchenordnung nur eine indirekte Rolle;
sie hatte die rechte Verkündigung sicherzustellen. Die Zuordnung
zu bekenntnisgebundenem Kirchenregiment, das man in den Kirchenausschüssen
nicht gegeben sah, diente dem rechten Gebrauch
der Gnadenmittel. Die Frage nach der Gestalt der örtlichen Gemeindeleitung
trat demgemäß zurück.

Die Deutschen Christen gemäßigter Observanz treten in einem
Repräsentanten hervor, der in beeindruckendem, letztlich jedoch
erfolglosem Vorstoß durch öffentliche Stellungnahme versucht, der
Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens und der Diffamierung
des Christentums entgegenzutreten, indem er den Paragraphen
24 des NSDAP-Programms und kirchlich positiv auswertbare
„Führerworte" apologetisch verwendet und damit in einen
scharfen Gegensatz zum Kreisleiter der NSDAP gerät. Punktual
wird auch das Bemühen des Reichskirchenministers sowie von
Theodor Ellwein, 1939 noch eine übergreifende „Befriedung" zu
schaffen, aufgewiesen, soweit es für Elberfeld Bedeutung gewinnt.

Auch der Kampf der örtlichen Deutschen Christen gegen die antikirchliche
Deutsche Glaubensbewegung, der in lutherisch Elberfeld
Respekt abnötigt, wird nicht ausgespart.

Die Arbeit zeigt, daß auch lokalgeschichtliche Untersuchungen,
am historisch ergiebigen Objekt angestellt, das Geschichtsbild des
Kirchenkampfes wesentlich bereichern können.

Leipzig Kurt Meior

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CHRISTLICHE ARCHÄOLOGIE UND
GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Götz, Wolfgang: Zentralbau und Zentralbautendenz in der
gotischen Architektur. Berlin: Gebr^ Mann 1968. 416 S. m.
242 Abb. u. 158 Abb. a. Taf. 4". Lw. DM 100,-.

Das Werk ist in zwei große Teile gegliedert, deren erster
vornehmlich die ,Bildseite', der andere besonders die ,Sinnseite'
behandelt, wobei im ,Sinn' Zweck und Bedeutung zusammengefaßt
sind. Eine solche Gliederung könnte aus mancherlei Gründen
sinnvoll sein, vor allem, weil oft mit verschiedenen architektonischen
Mitteln der gleiche Bedeutungsgehalt ausgesagt oder der
gleiche Zweck erreicht wird. Jedoch sind in dem vorliegenden
Werk in den beiden Teilen jeweils verschiedene Denkmäler behandelt
. Es geht also nicht um zwei Seiten des gleichen Bauwerks,
sondern, um zwei Seiten des Phänomens Gotik: Einerseits Verwirklichung
von Zentralbauten, ohne dafj ein erkennbarer Sinn
außerhalb des Ästhetischen dahinter stünde, andererseits Wahl
der zentralen Form für Bauten, die in bestimmter Tradition stehen
oder einem bestimmten Zweck dienen. Gerade diese Zwiespältigkeit
charakterisiert die Gotik. Schon 1942 hat Krautheimer festgestellt
, daß unter bestimmtem Aspekt das Mittelalter vom vierten
bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts sich erstreckte. In
gotischer Zeit lösen sich die alten Sinnbezüge auf, leben aber in
manchen Bereichen traditionll weiter. Daneben kann der Zweck
neue Gruppen gleichartiger Architektur schaffen. Diese Kompli-