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Ausgabe:

1970

Spalte:

525-526

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Patzelt, Herbert

Titel/Untertitel:

Der Pietismus im Teschener Schlesien 1970

Rezensent:

Delius, Walter

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Seite 1

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525

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

526

Chelcicky, P.: Frammento inedito di una spiegazione di Romani 13

(Protestantesimo XXIV, 1969 S 76 - 78).
Frv. J. D.: Reformation Perspective: Past and Present (Communio

viatorum 12, 1969 S. 43-50).
Metz, Johann Baptist: Reform und Gegenreformation heute.

Zwei Thesen zur ökumenischen Situation der Kirchen. Mainz:

Matthias-Grünewald-Verlag, u. München: Kaiser [1969]. 44 S. 8

Kart. DM 3,80.

Molnär, Amedeo: Romani 13 nella interpretazione della prima
Riforma (Protestantesimo XXIV, 1969 S. 65-76).

Oberman Heiko A.: Wittenbergs Zweifrontenkrieg gegen Prierias
und Eck. Hintergrund und Entscheidungen des Jahres 1518
(ZKG 80, 1969 S. 331-358).

Partee, Charles: The Soul in Plato, Platonism, and Calvin (SJTh 22,
1969 S 278 - 295).

Penner, Horst: Niederländische Täufer formen als Baumeister,
Bildhauer und Maler mit an Danzigs unverwechselbarem Gesicht
(Mennonitische Geschichtsblätter 26, 1969 S. 12-26).

Rajamanickam, S.: The Goa Conference of 1619 (Indian Church
History Review 2, 1968 S. 81-96).

Rischar, Klaus: Johannes Eck in seinem Kampf gegen die Täufer
auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 (Mennonitische Geschichtsblätter
26, 1969 S. 44-54).

Schmidt-Clausing, Fritz: Die Neudatierung der liturgischen Schriften
Zwingiis (ThZ 25, 1969 S. 252-265).

Vinay.Valdo: Lutherana (Protestantesimo XXIV, 1969 S. 79-94).

Yule, Gcorqe: Continental Patterns and the Reformation in England
and Scottland (SJTh 22, 1969 S. 305-323).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Patzelt, Herbert: Der Pietismus im Teschener Schlesien 1709-1730.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1969). 263 S. gr. 8° =
Kirche im Osten. Studien zur osteuropäischen Kirchengeschichte
und Kirchenkunde. Monographienreihe, 8. Kart. DM 28,-.

Das Buch ist eine erweiterte Dissertation. Es zeigt den Kampf
der Lutheraner um das Werden und die Existenz der Gnadenkirche
in Teschen und ihrer Gemeinde. Ihre Entstehung verdankt
die Kirche wesentlich den Verhandlungen, die A. H. Francke mit
dem Schwedenkönig Karl XII. in Altranstädt bei Leipzig (1707)
unterstützt von dem Grafen Heinrich XXIV. von Reuss-Köstritz
geführt hatte.

Das Buch bringt dann die Biographien der Pastoren dieser
Kirche und die der theologischen Lehrer an der Jesusschule zu
Teschen in den Jahren 1709-1730. Eine Schilderung des geistlichen
Lebens der Gemeinde und ihrer Schwierigkeiten schließt sich an.
Bei der Wahl der Pastoren der Gnadenkirche spielte A. H. Francke
ebenfalls eine wichtige Rollo. Eine Reihe Pfarrer hatte in Halle
studiert und standen mit Francke im Briefwechsel. Der Teschener
Pietismus strahlte auf die Mährischen Brüder aus, deren ostmährische
Glieder die Gottesdienste in Teschen besuchten. Das
Teschen benachbarte Bielitz, dessen Bewohner ebenfalls die Gottesdienste
in der Gnadenkirche besuchten, erlebte im Jahr 1725 eine
pietistische Erweckung. Wichtig wurden schließlich seit 1716 die
Beziehungen Zinzendorfs zu den schlesischen und mährischen
Evangelischen.

Das Buch berichtet dann über Kämpfe unter den Pastoren der
Gnadenkirche. Sie begannen 1722 und führten schließlich zur
Ausweisung der fünf des Pietismus angeklagten Pastoren (1730).
In 33 Inquisitionsartikeln wurden die Pastoren aller möglichen
Vergehen gegen die kirchliche Ordnung beschuldigt, wie sie auch
andererwärts Pietisten vorgeworfen wurden. Die Beschuldigten
verteidigten sich gegen jeden einzelnen Anklageartikel. Gutachten
ergingen in dieser Angelegenheit von den Universitäten Wittenberg
und Jena sowie vom Dresdner Oberkonsistorium. Das Wittenberger
Gutachten war für die Pastoren der Gnadenkirche ungünstig.
Der Streit führte zu literarischen Auseinandersetzungen und erfaßte
weitere evangelische Kreise.

Die Ausweisungen der Pfarrer brachte die Gemeinde der Gnadenkirche
in eine schwierige Lage. Es kam schließlich angesichts
weiterer Bedrückungen am 1. Mai 1800 zu einer Demonstration,
die mit Verhaftungen und Zwangsarbeit endete.

Es überrascht nicht, daß von Teschen aus evangelische Literatur
verbreitet wurde. Teschen wurde Ausgangsort von Übersetzungen

der Bibel in die tschechische, slowakische und polnische Sprache.
Dazu kamen Übersetzungen anderer religiöser Literatur. In einer
Übersicht werden die literarischen Erzeugnisse der Pietisten in
Teschen aufgezählt. Es wäre erwünscht gewesen, daß anhand
dieser Literatur und einer Reihe Predigten eine Analyse des
Pietismus in Teschen gegeben worden wäre, um so den Titel des
Buches im Vollsinn zu rechtfertigen. Die Hinweise des Buches auf
die Verbindung der Teschener Pastoren zu A. H. Francke und zu
dem Halleschen Pietismus genügen nicht. Immerhin stellt das
Buch eine verdienstvolle kirchengeschichtliche Darstellung des
Protestantismus in Teschen dar. Umfangreiche Quellen- und Literaturhinweise
schließen das Buch ab.

Für John Wesley sollte nicht nur Dieter Voll, der übrigens
im Literaturverzeichnis fehlt, sondern vor allem M. Schmidt,
John Wesley I, 1953 befragt werden.

Berlin Walter Delhis

Vorländer, Herwart: Kirchenkampf in Elberfeld 1933-1945. Ein

kritischer Beitrag zur Erforschung des Kirchenkampfes in
Deutschland. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1968. 696 S.
gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte des Kirchenkampfes, hrsg. v.
H. Brunotte u. E. Wolf, Ergänzungsreihe, Bd. 6. Kart. DM 79,-.

Im Verhältnis zur territorialgeschichtlichen Erforschung des
Kirchenkampfes, die im letzten Jahrzehnt erheblich fortgeschritten
ist und in absehbarer Zeit zu einem vorläufigen Abschluß gelangen
wird, befindet sich die historiographische Erfassung der
Lokalgeschichte dieses Zeitabschnittes noch in ihren Anfangsstadien.
Erinnerungsbeiträge, zumeist sehr subjektiver Art, die aber das
Lokalkolorit wiedergeben, gibt es natürlich. Demgegenüber ist
die hier im Druck vorliegende Habilitationsarbeit von H. Vorländer
, was kritische Auswertung einer breiten Quellengrundlagc
sowie die methodische Gestaltung betrifft, als historiographischer
Beitrag zur lokalgeschichtlichen Kirchenkampfforschung zu werten,
der gültige Maßstäbe verstehender Geschichtserfassung setzt und
Impulse für entsprechende Untersuchungen auch an anderen
lokalgeschichtlichen Objekten auslösen kann. Die Untersuchung
bietet historische Filigranarbeit; das geschichtliche Geschehen
wird sorgfältig aufgefächert und allseitig beleuchtet. In außerordentlich
materialgesättigter, schon im Text viel Dokumentarisches
darbietender Darstellung wird ein Bild gezeichnet, das
die dramatischen Spannungen, die Wandlungen und das nach
den kirchenpolitischen Gruppen je unterschiedliche, teils völlig
konträre Selbstverständnis der lutherischen und reformierten
Gemeinde in Elberfeld deutlich erkennen läßt. Die Beziehungen
zum allgemeinen Kirchenkampf werden nur dort umrissen, wo
ein wirklicher Zusammenhang besteht, der für den Gemeindekampf
in Elberfeld von Belang ist. Ermüdende Beschreibung von
Sachverhalten aus dem Gesamtgeschehen, die für das Thema
nichts eintragen, fehlen. Insofern setzt die Darstellung die Kenntnis
des Kirchenkampfes im großen voraus, dessen Gesamtbild
durch die Kenntnisnahme des hier lokalgeschichtlich Erhobenen
spezifisch bereichert wird. Daß das Persönlichkeitsbild mancher
Pastoren deutliche Konturen aufweist, ist begrüßenswert. Den
Gang der Ereignisse, der immer wieder das Interesse wachhält,
begleitet eine klare Sachanalyse.

Daß „der Historiker der .zweiten Generation' sich der in der
Kirche vielerorts geübten Praxis zu enthalten hat, sich rückwirkend
in die Reihen derer einzuordnen, die in der Vergangenheit
den .guten Kampf kämpften, und sie als die eigenen geistigen
und geistlichen Ahnen posthum zu adoptieren", weil solche Identifizierung
ein „gefährlich bequemes Bild" böte, ist beherzigenswerter
Grundsatz (9). An verstehendem Nachvollzug der jeweiligen
Ereignisse und Entscheidungen fehlt es nicht; auch kritische
Korrekturen bisheriger Beurteilung von Einzelvorgängen finden
sich. Die normative Fragestellung bleibt ganz im Hintergrund,
wird in ihrem Problemgehalt eigentlich nur in den Schlußbemerkungen
etwas anvisiert. Die differenzierende Interpretation dominiert
. Neben dem minutiösen Informationswert dürfte gerade
darin auch ein methodischer Vorzug der Arbeit liegen, die von
Pauschalierungen frei ist und verfrühte Verallgemeinerung
bewußt meidet.