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Ausgabe:

1970

Spalte:

523-524

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Koch, Ernst

Titel/Untertitel:

Die Theologie der Confessio Helvetica Posterior 1970

Rezensent:

Faulenbach, Heiner

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr 7

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den Katechismus ins Dänische und veröffentlichte anschließend
mehrere katechetische Arbeiten. Genau wie Luther nannte Palladius
den Kleinen Katechismus „liber laicorum". Man bezeichnet ihn
auch, schreibt Palladius, als „ignis consumens", ein verzehrendes
Feuer, das alle Gottlosigkeit verzehrt, als „scala Jacob" oder eine
Jakobsleiter, auf der wir in den Himmel hinaufsteigen, als „fons
salvatoris" oder Quelle des Heils, woraus man die himmlische
Lehre schöpft. Von den vier hier veröffentlichten katechetischen
Arbeiten ist jedoch die eine, „Libellus de forma examinandi epis-
copum", ein Handbuch für Gemeindepfarrer, das nicht Peder
Palladius, sondern den Superintendenten in Lüneburg, Urban
Rhegius, zum Verfasser hat.

Peder Palladius' oben erwähnte Arbeit „Juditium" behandelt
Andreas Oslanders Schrift von 1551 „Von dem einigen Mittler
Ihesu Christo Rechtfertigung des Glaubens", die auch in einer
lateinischen Ausgabe erschien. Oslanders Freund und Gönner
Herzog Albrecht von Preußen schickte die Schrift seinem Schwager
Christian III. und bat diesen um ein Gutachten seitens der dänischen
Theologen. Zu denen, die sich im Auftrage des Königs
äußerten, gehörte auch Palladius. Als Herzog Albrecht Palladius'
Ausführungen erhalten hatte, zeigte er sie Osiander und sandte
sodann das kritische und Osiander gegenüber sehr negative Gutachten
zurück mit der Erklärung, es solle nicht gedruckt werden.
Das Manuskript von Palladius ist seit langem verschollen, aber
Lausten fand eine Kopie im „Staatlichen Archivlager" in Göttingen,
die nun zum ersten Mal veröffentlicht wurde.

Die vorliegende Ausgabe der bisher nicht gedruckten lateinischen
Schriften von Peder Palladius ist mit ausführlichen Einleitungen
und Anmerkungen von Lausten versehen. Seine sorgfältigen
Kommentare und Erläuterungen zeugen von der eingehenden
Kenntnis, die der Herausgeber von den herrschenden
Verhältnissen, dem zeitgenössischen Quellenmaterial und der
einschlägigen Literatur besitzt. In ihrer Gesamtheit ist die Ausgabe
ein wichtiger Beitrag zur Literatur der Reformationszeit.

Land Sven Kjüllcrström

Koch, Ernst: Die Theologie der Confessio Helvetica Posterior.
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
1968. 456 S., 1 Tabelle 8" = Beiträge zur Geschichte und Lehre
der Reformierten Kirche, hrsg. v. H. Erhart, P. Jacobs, W. Kreck,
G. W. Locher, J. Moltmann, Bd. 27. DM 43,-; Lw. DM 46,-.

Nachdem vor drei Jahren das vierhundertjährige Bestehen des
von Heinrich Bullinger verfaßten zweiten helvetischen Bekenntnisses
gefeiert und geschichtliche wie ökumenische Bedeutung,
aber auch theologische Einzelprobleme dieser einflußreichen reformierten
Bekenntnisschrift in Publikationen vorgestellt wurden,
war es zu bedauern, daß die schon seit 1960 vorliegende Leipziger
Dissertation Kochs noch nicht im Druck zugänglich war. Unter
Berücksichtigung der seitdem erschienenen Literatur wird die
Bullinger-Forschung und das Verständnis dieses Bekenntnisses
durch die nun veröffentlichte Arbeit sehr bereichert.

Dem Vf. gelingt es, „den Grundriß der Theologie der Confessio
aufzuspüren und die theologischen Einzelaussagen des Bekenntnisses
in diesen Grundriß hineinzustellen und von ihm aus zu
interpretieren" (S. 16). Seine Arbeit ist in vier Hauptteile gegliedert
, die sich aus dem Aufbau des Bekenntnisses (Teile A - C)
und einer die Einzelergebnisse systematisierenden Erhebung (D)
ergeben. Die Lehre von der Heiligen Schrift (A) wird als „normatives
Grundprinzip aller Lehraussagen" (S. 50) herausgestellt, denn
für Bullinger ist „alle Theologie Schrifttheologie und Schriftauslegung
" (S. 52) zugleich. Weil dieser Sachbezug besteht, erweisen
sich die beiden Lehrstücke De Deo (B) und De cultu Dei (C), die
alle Themen von Dogmatik und Ethik umgreifen, als Ausführungen
des Schriftinhaltes (vgl. S. 53, 148, 163, 168, 378 ff). Eine
gewissenhafte, vorbildliche Exegese der einzelnen Abschnitte des
Bekenntnisses, die unter Heranziehung umfangreichen Materials
aus anderen gedruckten Schriften Bullingers und in ständiger
Diskussion mit Ergebnissen der Forschung durchgeführt wird,
zeigt die systematische Kraft Bullingers ebenso wie die inrere
Geschlossenheit dieser Bekenntnisschrift und damit zugleich der
Theologie eines unabhängigen Geistes, der die verschiedenen
reformatorischen Lehren aufzunehmen bereit ist, sie gegen

römische oder täuferische Einwände zu verteidigen weiß, und der
einen die reformierte Theologiegeschichte maßgeblich beeinflussenden
theologischen Grundgedanken als erster für das gesamte
Lehrsystem bestimmend sein läßt: Die Confessio erweist sich als
ein theologisches Kompendium, dessen Schlüssel (D) vom XIII.
Kapitel De Evangelio Jesu Christi, de Promissionibus item, Spiritu
et Litera her zu gewinnen ist. Die Bundesvorstellung ist dieser
Leitgedanke aller Lehraussagen des Bekenntnisses. Der Bund ist
Entfaltung des ganzen Schriftinhaltes (S. 423); Bundesvorstellung
und Gotteslehre sind einander zugeordnet (S. 426), ebenso wie
der cultus Dei dem „Wesen des Bundesgottes" (S. 428) entspricht.
Der Bundesschluß ist „Angebot der bonitas Dei" (S. 390) an die
Menschen; Christi Werk besteht in der Wiederherstellung der
„durch die Sünde getrennten Vertragspartner" (S. 389) Gott und
Mensch. Bullinger redet schon vom Werkbund des Paradieses,
klärt das Verhältnis von Altem und Neuen Testament und ihrer
Sakramente und wertet Christi Werk als Bestätigung des einen
ewigen Bundes, den Gott in seiner Güte und Barmherzigkeit zum
Heil des Menschen errichtet hat; kurz, bei Bullinger sind alle
Elemente der erst mit J. Coccejus zur vollen Entfaltung gelangenden
Förderaitheologie angelegt.

Da die ganze Schrift als Entfaltung des einen Bundes verstanden
wird, erscheint sie im Verlauf der Untersuchung immer deutlicher
als kanonisch fixiertes „Lehrbuch für Glaube und Sitte"
(S. 50). Gottes Gnadenangebot erfordert menschlichen Gehorsam
gegenüber den im Gesetz Gottes festgelegten Bundesbedingungen.
Dieser förderaltheologische Grundsatz bestimmt das Verhältnis
von Gesetz und Evangelium. „Geschichtlich wie systematisch
primär ist das Evangelium, dem jedoch - gleichsam als Ausführungsbestimmung
- das Gesetz begegeben ist. Erst durch das
Gesetz, auf das das Evangelium hinzielt, wird der volle Wille
Gottes verwirklicht. Evangelium ohne Gesetz gibt es nicht.
Das Gesetz ist die Vollendung des Evangeliums" (S. 401). Das
„legalistisch-ethische Motiv" (S. 426) der Theologie Bullingers, das
schon in der Schriftlehre angelegt ist und die Confessio durchzieht,
hat seine Wurzel im Bundesgedanken. „Das Bundesangebot Gottes
kommt nur dann zu seinem letztgemeinten Ziel, wenn die Erfüllung
der voluntas Dei, des im Dekalog formulierten Gesetzes,
letztes Ziel des Evangeliums wird" (S. 427). Der Bundesgedanke
bedingt weiterhin das heilsgeschichtliche Leitmotiv, d. h. die
Offenbarung Gottes „im Vollzug der Heilsgeschichte" (S. 57), die
als Geschichte des Bundes Gottes" (S. 400) zu sehen ist. Das
Fehlen eines Lehrstückes über den Heiligen Geist in der Confessio
erklärt sich schließlich aus dem Tatbestand, daß für Bullinger alle
Theologie Pneumatologie ist; sie durchzieht „die gesamte christliche
Glaubenslehre" (S. 429 f).

Neben dem Heidelberger Katechismus wurde das zweite helvetische
Bekenntnis zu einem geschichtlich außerordentlich bedeutsamen
theologischen Dokument, weil es Ausdruck eines gegenüber
Genf offenen, aber eigenständigen und anpassungsfähigen Spät-
zwinglianismus war, der die divergierenden Tendenzen innerhalb
der reformierten Konfession auf ein alle verbindendes Bekenntnis
zu einigen vermochte. Die Kenntnis der geschichtlichen Bedeutung
vorausgesetzt, ist diese erhellende Darstellung der Theologie
dieser Bekenntnisschrift zugleich ein gewichtiger Beitrag zum
Verständnis Bullingers, dessen Einfluß auf die reformierte Lehrentwicklung
und Theologiegeschichte im Vergleich zu Calvin vielfach
unterschätzt und daher nur in Teilaspekten bisher erforscht
wurde. So erscheint uns diese Arbeit als ein wertvolles Ergebnis
der Bullinger-Forschung, die zugleich einzuweisen vermag in
die theologischen Grundlagen und Probleme des anbrechenden
orthodoxen Zeitalters. - Nutzen und Zugang zu dieser umfangreichen
Arbeit hätte durch ein Register erleichtert und vermehrt
werden können.

Münster i. W. Heiner Faulenbach

Asheim, Ivar: Das allgemeine Priestertum und die kirchliche
Autorität bei Luther (Igreja Luterana XXIX, 1968 S. 205-224).

Bäumer, Remigius: Der junge Luther und der Papst (Cath 23,
1969 S. 392- 420).

Chantraine, G.: Theologie et vie spirituelle. Un aspect de la
methode theologique selon Erasme (NRTh 91, S. 809-833).