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Ausgabe:

1970

Spalte:

515-517

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Cosmas Indicopleustès, Topographie Chrétienne

Titel/Untertitel:

Tome I 1970

Rezensent:

Knorr, Uwe Walter

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

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Meersman, Achilles: The Franciscans in Mylapore (Indian Church

Historv Review 3, 1969 S. 23 - 34).
Rajamanickam, S.: Indian Church History - Problems and Histo-

rial Methods (Indian Church History Review 3, 1969 S. 75-83).
Schoof, T. M. en B. A. Willems: De wisselende rol van Petrus'

opvolgers (Summary: The varying role of Peter's successors)

(Tijdschrift voor Theologie 9, 1969 S. 284-314).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Lods, Marc, Prof. Dr.: Precis d'histoire de la theologie chretienne

du Tie au debut du IV e siecle. Neuchatel: Delachaux et Niestie
[1966]. 180 S. gr. 8° = Bibliotheque Theologique.

Der vorliegende „Grundriß der Geschichte der christlichen
Theologie" umfaßt die Zeitspanne vom Abschluß des Neuen Testamentes
bis Origenes, folgt im einzelnen aber nicht dem Geschichtsverlauf
, sondern ist nach den Hauptbegriffen des dogmatischen
Denkens geordnet, ähnlich wie es Walter Koehler im ersten Bande
seiner „Dogmengeschichte als Geschichte des christlichen Selbstbewußtseins
" getan hatte. Diese Einteilung läßt die Eigenart der
einzelnen Themen hervortreten, zwingt aber naturgemäß zu ständigen
Rückgriffen.

Die Darstellung beginnt mit der Christologie; der Logosbegriff
ist betont herausgehoben und, was sehr zu begrüßen ist, in seiner
Verbindung mit dem Weisheitsdenken verdeutlicht. Kürzer gefaßt
ist der Überblick über die Gotteslehre, bei der die Verbindung der
Grundlegung im Alten Testament mit der Benutzung philosophischer
Termini unterstrichen wird. Der Lehre vom Heiligen Geist
ist der weiteste Raum gewidmet, wobei Irenäus in einer sehr
anregenden Weise als wichtigster Sprecher untersucht wird. - Im
zweiten Hauptteil (S. 87-174) wird nach der Behandlung des Erlösungsbegriffes
und des Verhältnisses von Rechtfertigung und
Heiligung das Hauptgewicht auf die Darstellung der frühkirchlichen
Eschatologie gelegt. Den Abschluß bilden Erörterungen
über den Kirchenbegriff, die Entstehung des Kanons und der
Glaubensregel, schließlich über die Grundzüge der Schriftauslc-
gung.

In der Darstellung der frühkirchlichen Eschatologie tritt die
eindringliche Eigenart des Werkes besonders deutlich hervor,
indem den Zeugnissen der Naherwartung viel Raum gewährt wird.
Vielleicht wäre aber die frükirchliche Problemlage noch schärfer
erkennbar, wenn ausgeführt worden wäre, daß die Naherwartung
der Parusie und des Weltendes ein typischer Anstoß des griechischen
Sprachdenkens ist, im hebräischen Sprachdenken aber
wegen des reinen Aktionscharakters der sogenannten Tempora
keine unmittelbar chronologische Vorstellung werden konnte. -
Nicht behandelt sind die Anfänge der syrischen Theologie, die
doch aus den Abhandlungen Afrahats hätten erhoben werden
können. Dann wäre deutlich geworden, wie der Verdienstgedanke,
der die ursprüngliche Einheit von Rechtfertigung und Heiligung,
sprengt, aus dem judenchristlichen Erbe stammt: er findet sich in
der Didache in dem Katechismus der jüdisch geprägten Anfangskapitel
. Die breite Aufnahme des meritum-Begriffes in das Vorstellungsgut
der frühen nordafrikanischen und weiterhin der lateinischen
Kirche insgesamt könnte von hier aus als Auswirkung des
Judenchristentums verstanden werden.

Das gut lesbare Buch stellt eine sorgfältige und genaue Arbeit
dar, die von dem Anfänger viel fordert, dem Fortgeschrittenen aber
viel bedeuten kann. Die reichhaltigen Literaturangaben ermöglichen
eine weitere Vertiefung. Ein zweiter Band, der die Ekklesio-
logie behandeln soll, ist in Aussicht gestellt.

Bethol b. Bielefeld Alfred Adam

Cosmas Indicopleustes: Topographie Chretienne. Tome I (Livres
I-IV). Introduction, texte critique, illustration, traduetion et
notes par W. Wolska-Conus. Preface de P. Lemerle. Paris: Les
Editions du Cerf 1968. 570 S. m. 58 Abb. 8° = Sources Chre-
tiennes 141, dir. par C. Mondesert. ffr. 74,-.

Tö Ttdpepvov HpeTvcov toü %pyov- so lautete das vielzitierte
Urteil des ersten Herausgebers der Christlichen Topographie,
B. de Montfaucon, und E. O. Winstedt, der 1909 eine kritische

Ausgabe des Werkes besorgte, begann seine ironiegetränkte
Einleitung mit einem Zitat von M. Crawford: "What scholar has
not laughed at the idea of Kosmas, the Alexandrian, . . . ". Inzwischen
haben wir gelernt, den frommen Autor und seine Christliche
Topographie, die er 547-549 in Alexandrien niederschrieb, mit
anderen Augen zu betrachten. Gewiß, das ndcpepyov enthält vieles,
was das Interesse der Historiker gefangen nehmen kann - so
etwa die Beschreibung und Wiedergabe zweier Inschriften in der
abessinischen Hafenstadt Adule, verschiedene Reiseberichte und
Nachrichten über Indien und Ceylon, ferner Hinweise auf den
Taufritus und das Weihnachtsfest, ein Zitat aus der alexandrini-
schen Liturgie und Ausschnitte aus den Festbriefen des Athanasius
. Dies und anderes mehr hat seit langem Beachtung gefunden 11
das £pyoV selbst ist in seinem Anliegen und seiner Bedeutung
dagegen erst durch neuere Untersuchungen erschlossen worden.

Gleichzeitig und unabhängig von einander haben B. Schleiß-
heimer5 und M>»c W. Wolska-Conus', die Herausgeberin der
vorliegenden Ausgabe, in ihren Dissertationen den Ort der Christlichen
Topographie in der Theologie- und Geistesgeschichte erforscht
. Den Ergebnissen dieser Arbeiten verdanken wir ein ganz
neues Verständnis des Werkes. Der ehemalige Kaufmann Kosmas,
der auf weiten Reisen viel gesehen und beobachtet hatte, bevor
er in den letzten Jahren seines Lebens, vielleicht in der Ruhe
eines Klosters, mehrere Bücher verfaßte, steht heute nicht mehr
als ein naiv-frommer Sonderling vor uns, der seine Ideen über
Gestalt, Entstehung und Ziel des Kosmos "as a monument of
unconscious humour" darlegte *, sondern als ein später Schüler
der großen antiochenischen Exegeten, insbesondere des Theodor
von Mopsuestia, dessen Gedanken er durch die Vermittlung des
Mar Aba (Patrikios), des späteren Katholikos der persischen
Nestorianer-Kirche, kennenlernte 5.

Die Lehre von den zwei Katastasen, die Kosmas von Theodor
(bei dem sie freilich in erster Linie zeitlich gemeint war) übernommen
hat, bildet die Grundidee, nach der in der Christlichen
Topographie Zeit und Raum gegliedert sind. So stellt sich für
Kosmas die Welt als ein zweistöckiges Haus dar. dessen unterer
Teil die Welt der Geschöpfe und dessen oberer Teil das „Reich
der Himmel" ist, in das Christus als erster und bisher einziger
bei seiner Auferstehung hinaufgestiegen ist. Nach Gottes Oiko-
nomia werden Menschen und Engel im Diesseits erzogen und
geprüft, um dereinst, wenn sie die Prüfung bestanden haben,
Christus in die obere Welt nachzufolgen. Die von Menschen bewohnte
Erde ist von flacher, rechteckiger Gestalt, sie ist auf ihre
eigene Stabilität gegründet und bildet das Fundament des Weltenbaus
. In ihrem nordwestlichen Teil erhebt sich ein gewaltiger
Berg, um den die Gestirne kreisen; umgeben ist sie vom Ozean,
der wiederum von Land eingefaßt wird, an dessen äußersten Grenzen
die Nahtstellen zwischen Himmel und Erde zu denken sind.

So etwa läßt sich mit dürren Strichen die Konzeption des
Kosmas umrißhaft skizzieren. Er selbst entwickelt sie mit vielen
Wiederholungen in den Büchern II-IV, wobei er zahllose Exkurse
einstreut und immer neuer Polemik gegen die Vertreter eines
sphärischen Weltbildes Raum gibt Dieser Polemik, die sich, wie
Mme Wolska-Conus in ihrer Dissertation nachgewiesen hat, vornehmlich
gegen einen Zeitgenossen des Kosmas in Alexandrien,
Johannes Philoponos, richtet *, ist zudem das ganze I. Buch gewidmet
. Das V. Buch, das eine Beschreibung des Bundeszeltes (in dem

1 Vffl. dazu die immer noch lesenswerte, wenn auch z. T. überholte
Untersuchung von H. Geizer, Kosmas der Tndienfahrer. JnTli D,
1883 S. 105-141: ferner H. Bengtson, Kosmas Tndiokopl^stes und die
Ptolemäer. Hisforia 4. 1955 S. 151 - 15fi: E. Petersen Trio nleTandri-
Tiisehe Liturgie bei Kosmas IncVikopleustes. EphLitu i g 4(1. 193? S. fiß-T4.
Tm übrigen braucht für Dotailfragon nur auf die reichen Belege in
den Anmerkungen der neuen Aussähe verwiesen zu werden.

* Kosmas Indikoplenstes. Ein nltehristliehes Weltbild. München 1959.

* La Topogranhie Chretienne de Cosmas Indieonleustös. TWo'osIe
et Science au VI« siecle. (Bibliothoo.no Bvzantine 3V Paris 1962.

4 So formuliert es E. O. Winstedt. The Christian Touoer^nhv of
Cosmas Indiconlenstes. Cambridge 1909. S. 8 im Anschluß an R. Boazly.
The 1">awn of Modern Geoerraphy. London 1897.

5 Die Parallelen bei Diodor von Tarsus. Theodor von Mopsuostiu,
Theodoret von Kyros, Soverian von Gabala u. a. sind in den Anmerkungen
der neuen Auseabe verzeichnet.

* H.-T). Alt"ndorf hat allerdings davor gewarnt, ohne sorgfältige
Einzeluntersuchungen eine Rekonstruktion dos Gespräches vorzunehmen
. „Wir müssen uns vorerst, damit begnügen. aHarem»!ner zu
sagen, daß Kosmas sich mit seinen Fragestellungen Im Intelektnellen
Milieu Alexandrias bewegt (zu dessen vornehmsten Vertretern Johannes
gewiß gehört), dabei will er aber andersartige Überlieferungen
zur Geltung bringen.« ThT.Z 90, 19(15 Sp. 838.