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Ausgabe:

1970

Spalte:

513-514

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Mraz, Gottfried

Titel/Untertitel:

Geschichte der Theologischen Fakultät der Universität Innsbruck von ihrer Gründung bis zum Jahre 1740 1970

Rezensent:

Mecenseffy, Grete

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513

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

514

wie dies an der Formulierung der Überschrift deutlich wird. Für die
Charakterisierung des Ockhamismus tut der Vf. einen ganz besonders
tiefen Griff in das Reservoir alter Pauschalurteile. Und
was für ein Etikett erwischt er dabei? "The Ockhamist maintained
that divine truths were knowable by faith alone: he dared not
use reason in theology, ..." (81). Nun, wenn dies zutreffen soll,
dann war Ockham selbst kein Ockhamist.

A. B. Cobban verfolgt in der sehr differenzierenden Untersuchung
"Episcopal Control in the Mediaeval Universities of
Northern Europe" (1-22), wie im Spätmittelalter der Einfluß der
Bischöfe auf die Universitäten aus den verschiedensten Gründen
zurückging. Besonders beschäftigt er sich mit den Universitäten
der französischen Provinz. Während im allgemeinen der Lehrkörper
für seine Freiheit von der bischöflichen Bevormundung
kämpfte, trieben hier die Freiheit fordernden Studenten den Lehrkörper
an die Seite des Episkopats, so daß den Studenten der
wesentliche Anteil an der Verselbständigung der Universitäten
zufiel. Und darum geht es dem Vf. überhaupt, die Bedeutung der
studentischen Bewegungen für die Entwicklung der Universitäten
im Spätmittelalter ins Blickfeld zu rücken.

Von Basil Hall erschien 1966 in San Francisco "The Great
Polyglot Bibles". In "The Trilingual College of San Ildefonso and
the Making of the Complutensian Polyglot Bible" (114-146) trägt
er einen Teil seiner Forschungsergebnisse vor. Zunächst beschreibt
er die Gründung von Instituten, die neben der Universität geschaffen
wurden, um dem humanistischen Bildungsideal zu dienen
und die Kenntnis der drei alten Sprachen - Latein, Griechisch
und Hebräisch - zu vermitteln. Es handelt sich um das auf das
Betreiben des Erasmus 1518 gegründete Collegium Trilingue
Lovaniense und den Beginn der Lehrtätigkeit durch die lecteurs
royaux 1530 in Paris, aus der das College de France hervorging.
Das Hauptinteresse wendet der Vf. aber dem Erzbischof von
Toledo, Francisco de Ximenez, zu, der im ersten Jahrzehnt des
16. Jh. das Kolleg San Ildefonso at Alcalä de Hcnares (30 km östlich
von Madrid) gründete, das zu einer bedeutenden Universität
aufstieg, die 1836 nach Madrid verlegt wurde. Ximenez schuf hier
nicht nur eine humanistische Bildungsstätte, sondern es gelang
ihm auch, Hilfsmittel - Handschriften und Geld - sowie fähige
Gelehrte zu beschaffen, um eine wesentliche Grundlage für die
Schriftauslcgung nach humanistischen Grundsätzen hervorzubringen
: die Komplutcnsische Polyglotte. Der Vf. beschreibt genau,
wer darin mitarbeitete, we'che Handschriften herangezogen wurden,
wie das Werk aufgebaut ist und die Bände gedruckt wurden.
Obgleich der Druck dieses sechsbändigen Werkes 1517 abgeschlossen
war, das griechische Neue Testament war darin bereits
1514 gedruckt worden, erhielt es doch erst 1520 die päpstliche
Zustimmung für seine Veröffentlichung. Der Vf. erklärt dies
damit, daß einerseits Ximenez selbst 1517 gestorben war, andererseits
aber Erasmus für seine Ausgabe des Neuen Testamentes
1516 ein Privileg erlangt hatte, demzufolge auf vier Jahre seine
Ausgabe allein gedruckt werden durfte. Man muß bedauern, dafj
die zwar zwei Jahre später gedruckte, aber mindestens vier Jahre
eher ausgelieferte und handlichere Ausgabe des Erasmus den
sorgfältigeren Text der Komplutensischen Polyglotte in den Hintergrund
gedrängt hat.

Vergleicht mani die beiden Bände miteinander, so wird dem
Leser deutlich, um wieviel anziehender und fruchtbarer eine
solche Sammlung ist, wenn sie sich einem bestimmten Thema zuwendet
. Es ist daher zu wünschen, dafj die "Studies in Church
History" dem mit dem Band 5 begangenen Weg weiter verfolgen,
ja vielleicht außerdem einen Bericht über die - wohl doch stattfindenden
- Aussprachen der Tagunqen hinzufügen, was bei einer
thematischen Bindung durchaus sinnvoll und für die Leser sicher
interessant wäre.

Leipzig JTelmar .Tunehnns

Mraz, Gottfried: Geschichte der Theologischen Fakultät der Universität
Innsbruck von ihrer Gründung bis zum Jahre 1740.
Aus dem Institut für Kirchengeschichte der Theologischen Fakultät
der Universität Innsbruck. Innsbruck: Kommissionsverlag der
Österreich. Kommissionsbuchhandlung 1968. 215 S., 1 Taf.
gr. 8° Veröffentlichungen der Universität Innsbruck, 5. Forschungen
zur Innsbrucker Universitätsgeschichte, im Auftr. des
Akademischen Senats hrsg. vom Universitätsarchiv, ITT.

Die aus dem Institut für Kirchengeschichte der Theologischen
Fakultät der Universität Innsbruck hervorgegangene Dissertation
des Vf.s ist der erste Teil der Geschichte der Theologischen Fakultät
, dem drei weitere folgen sollen.

Vom 15. Oktober 1669 ist die kaiserliche Resolution datiert,
die die Gründung eines Studium generale in Innsbruck vorsah.
Das 1562 gegründete Jesuitenkolleg war sein Vorläufer. Wenn
auch die Lehrstühle der Theologischen Fakultät nicht bloß von
Jesuiten besetzt wurden, so war doch die gesamte Universität
vom Geiste der Gegenreformation bestimmt; sie war nach dem
Willen ihrer Gründer eine konfessionell geprägte Studicnanstalt,
die der Reinhaltung der römisch-katholischen Religion zu dienen
hatte (S. 54). Dies wird besonders daraus deutlich, daß von den
Professoren aller Fakultäten das tridentinische Glaubensbekenntnis
und der Eid auf die Unbefleckte Empfängnis Mariens abgelegt
werden mußte (S. 121 f.).

Seit dem Studienjahr 1674/75 gab es vier Fakultäten; neben
der theologischen, die als erste im Rang figurierte, gab es eine
juridische, eine medizinische und eine philosophische Fakultät.
An der theologischen waren fünf Professuren errichtet worden:
zwei Jesuiten lehrten scholastische Theologie, ein weiterer Moraltheologe
; zwei Weltpriester, Johann Michael Digisser und Siegmund
Epp, hatten die Lehrkanzeln für die Heilige Schrift und
Kontroverstheologie inne (S. 40 f.). Kirchenrecht wurde ebenfalls
von einem Jesuiten an der juridischen Fakultät gelesen. Ehe noch
die Statuten fixiert waren, was erst 1685 geschah, erhielt die
Universität das Recht der Verleihung akademischer Grade; die
Theologische Fakultät nahm dies erst nach Verkündigung der
päpstlichen Bestätigungsbulle vom Jahre 1677 in Anspruch (S. 53).

Am 21. Jänner 1686 wurden die Statuten in einem feierlichen
Akt verkündet. Kanzler der Universität wurde der Bischof von
Brixcn. Schwierigkeiten für die junge Gründung hatten sich schon
vorher dadurch ergeben, daß es zu Auseinandersetzungen der
Universität mit dem Bischof in Fragen der Jurisdiktion über die
Kleriker kam, sei es nun, daß es sich um Verlassenschaften nach
Geistlichen oder um Rechtsprechung über Studenten handelte. Die
Streitigkeiten erreichten ihren Höhepunkt im Jahre 1687, als der
Kanzler dem Prokanzler die Verleihung akademischer Grade
untersagte. Durch ein Abkommen der Universität mit dem Bischof
von Brixen wurde der Streit 1688 beigelegt. Die Hohe Schule
erhielt das Recht der Jurisdiktion auch über die Kleriker (S. 95).

Hat der eben besprochene I. Teil des Buches die „Vorgeschichte
Gründung und Organisation der Theologischen Fakultät im Rahmen
der Universität" zum Inhalt, so befaßt sich der II. Teil mit
der «Geschichte der Fakultät bis zur Universitätsreform unter
Karl VI.". Aufgrund eingehender Studien ungedruckter Quellen
(Verzeichnis S. 13-15), die durch zahlreiche Druckschriften ergänzt
werden (S. 16-20), berichtet der Verfasser über die Professoren
(S. 97-111), ihre Gehälter (S. 111-117), den Studienbetrieb
(S. 126-136), die Studenten (S. 136-140). Die Theologische Fakultät
erfreute sich gewisser Sonderrechte. War der Rektor ein Laie, so
führte ihr Dekan den Vorsitz im Senat. Erster Rektor war der
1687 gewählte Jurist und bisherige Vizerektor Dr. Sebastian Mayr.
Zu allgemeinem Interesse erhebt sich der Schluß des II. Teiles,
der den Disputationsstreit der Universität mit dem Stift Wilten
über die Willensfreiheit behandelt (S. 145-149).

Der III. Teil umfaßt die Regierungszeit Karls VI. Mit dem
Einbruch der Aufklärung hatte ein neues Zeitalter begonnen Es
forderte gebieterisch Reformen an der Universität, die von
Karl VI. gegen den Willen der Väter der Geesellschaft Jesu durchgeführt
wurden (S. 157-162 und 178-198). Der Erfolg war die
Zurückdrängung des Einflusses der Gesellschaft; dies sollte s;ch
in der Folgezeit noch steigern.

Die vorliegende Arbeit war als ein Beitrag zum 300 jährigen
Jubiläum der Universität Innsbruck abgefaßt worden. Dies ist ein
verheißungsvoller Anfang, die Untersuchung ist gründlich vorbereitet
worden, flüssig geschrieben, so daß die Lektüre für den
interessierten Leser niemals langweilig wird.

Wien Grete Meccnseffy

Charles, Annick: La raison et le divin chez Proclus (RSPhTh 53,

1969 S. 458-482).
Fischer, Joachim: A Disciplina Teolögica da Histöria Eclesiästica

(Estudos Teolögicos 9, 1969 S. 52-60).