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1970

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

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auf den frei gibt, von dem auch die kanonischen Evangelien handeln
: Jesus (S. 45).

J. Menard geht in seinem Aufsatz über das Philippus-Evangelium
davon aus, daß es kein Florilegium aneinandergeketteter
Sprüche ist, sondern .einen sich entwickelnden Gedanken darstellt"
(S. 47). In seiner Darstellung des Inhalts wird der Gedanke aber
nicht deutlich (S. 48-51). Denn die von M. vorgenommene
Zusammenfassung verschiedener §§ unter bestimmten Gesichtspunkten
(Trennung der ursprünglichen Einheit von Seele und
Geist, Vereinigung und Aufhebung der Trennung im Brautgemach,
Wiederentdeckung des Selbst und Wiedergeburt), läßt weite Partien
unerwähnt. Daß das Ev. seinem Wesen nach gnostisch ist in seinen
einzelnen Elementen, wie Aufstieg der Seele zum Pleroma oder
Rückkehr zur Einheit reicht noch nicht aus, daraus einen Leitgedanken
zu machen. M. sieht hinter dem Philippus-Ev. einen echt
griechischen Mythos als Vorbild stehen, rechnet aber mit einem
beträchlichen Einfluß aus jüdischer Apokalyptik. Er referiert dann
ausführlich die These von G. Quispel (Der gnostische Anthropos
und die jüdische Tradition, Erjb 22, 1953 S. 195-234), ohne ihr
ganz zuzustimmen, dafj die Gnosis weitgehend dem eschatologisch-
apokalyptischen Denken des Judentums entsprungen sei. M.
unterscheidet in den Logien des Philippus-Ev. klaren und versteckten
Sinn, und meint damit offensichtlich die Unterschied:
zwischen biblischem und gnostischem Sinn bestimmter Stichworte
(z. B. Hebräer und Christ S. 55). U. E. aber haben diese Begriffe
hier nur einen gnostischen Sinn. Rez. muß aber gestehen, daß die
Diktion M.s schwerfällig ist (Was heißt z. B. S. 51: Ein planmäßiges
Grundprinzip ist also freizumachen, das man bei der
Auslegung der gnostischen Texte anwenden und probieren muß-?)
Vielleicht hätte der Herausgeber den Text besser redigieren oder
französisch wiedergeben sollen.

Im Aufsatz über „Die Erkenntnis im Evangelium der Wahrheit"
kennzeichnet M. die Erlösung als Wirkung der Erkenntnis über
das eigene .Selbst", (Vergleichbar der Analyse Haenchens). Seine
allgemeinen Darlegungen über das Wesen der Gnosis wollen .zu
einer phänomenologischen Definition der Gnosis beitragen" (S. 63):
„Phänomenologisch betrachtet ist die Gnosis als eine Art Selbst-
Erkenntnis definierbar".

L. Schottroff ergänzt die Arbeit von Haenchen wirkungsvoll
in dem Versuch, eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis
von Gnosis und NT zu geben. Sie will die gnostischen Systeme
„nicht auf ihre Mythologie (mit dem Ziel, einen urtümlichen
gnostischen Mythos zu rekonstruieren), sondern auf ihre spezifische
Interpretation der mythischen Stoffe, auf ihre theologische Konzeption
befragen" (S. 68). Sie hat zu diesem Zweck die Adams-
Apokalypse aus CG V von Nag Hammadi gewählt, deren Leitmotiv
für S. die Abstammung des Gnostikers ist. In der Annahme der
Gnosis beweist der Gnostiker seine himmlische, d. h. nicht befleckte
oder vermischte Abstammung (Abschnitt 5 S. 79). In der Annahme
oder Ablehnung der Gnosis fällt die Entscheidung, ob der Mensch
zu den salvandi oder pereundi gehört (S. 81/82). Nicht einverstanden
ist Rez. mit S.s Meinung, dafj die Apokalypse keine futurischc
Eschatologie habe, denn die Formulierung „zum dritten Male
wiederum wird der Phoster vorübergehen" in Anlehnung an dieselbe
Theorie vom Erscheinen der Epinoia des Lichtes im Apkrjoh
ist anders gar nicht zu verstehen (S. 72). Ganz nahtlos sind die
Sprüche der verschiedenen Irrlehren vom Phoster doch nicht verwurzelt
, wie der Rez. demmächst zu zeigen bereit ist, wie auch,
daß das Theorem von der Abstammung des Gnostikers sicher nicht
der Leitgedanke der Apk Adams gewesen ist, sondern eine Theologie
über das Schicksal der Menschheit. Zuzustimmen ist S. (S. 83),
daf) die Apokalypse ein gnostisches Spätprodukt und der gestrafte
Mensch, über den der Geist gekommen ist, keine Anspielungen auf
einen leidenden Erlöser machen will. Im Teil II untersucht S. die
beiden valentinianischen Systeme bei Ir. adv. Haer. I, 1 - 8,4 und
Exc. ex Theod. 43-65. Die Unterschiede werden einleuchtend
durch die verschiedenen theologischen Standorte der kirchlichen
Schriftsteller und der gnostischen Tradenten erklärt (S. 86). Beide
Systeme bemühen sich um einen Kompromiß mit dem Christentum
(S. 97) und „verstehen den salvandus nicht als durch himmlische
Substanz heilsgesichert".

R. Staats nimmt die in Ep. apost 43 (54) und bei Symeon/
Makarios und Tertullian überlieferte Interpretation des Gleich

nisses der klugen und törichten Jungfrauen aus Mt 25 zum
Anlaß einer Untersuchung und kommt zu dem Ergebnis, dag beide
je auf ihre Weise die valentinianische Interpretation, die Tertullian
überliefert, aufgegriffen und benutzt haben, um darzustellen,
welches wahrer christlicher Glaube sei. Diese valentinianische Version
mufj aus Mesopotamien stammen. Die fünf törichten Jungfrauen
die die Namen ouvecac,, yvwcac,, vnaHofj, vnou.ovfi, eeog,
tragen - die fünf intelligiblen Sinne der Valentinianer - werden
von dem himmlischen Brautgemach ausgeschlossen, in das die
klugen Jungfrauen - als Sinnbilder des orthodoxen Glaubens
heißen sie Glaube, Liebe, Hoffnung, Gnade und Friede (S. 100) -
als Bräute hineingehen. Das ist eine bewußt antignostische Lehraussage
(S. 115). Der Verfasser der Ep. apost. und ihm nachfolgend
Symeon von Mesopotamien müssen danach .als orthodoxe Minorität
in einer gnostischen und gnostisierenden Umwelt" gelebt
haben.

H.-Fr. Weiss bearbeitet ein Problem, das der Aufgabenstellung
von Haenchen und Schottroff nahekommt. „Paulus und die Haere-
tiker" haben sich gegenseitig Berührungsflächen geliefert, so daß
Marcion und Valentinus sich besonders auf Paulus stützen zu
können glaubten. Auch der Verfasser von de resurrectione aus
CG I hat in 45, 23 ff auf Rm 6, 3 ff und Kol 2,12 und Eph 2, 5
zurückgegriffen. „Das gnostische Verständnis der Auferstehung als
schon erfolgtes Ereignis ist begründet in der Verbindung von
Taufgeschehen und Auferstehung, wie sie bereits bei Paulus vorliegt
" (S. 122). Paulinisch legitim ist solche Auflösung der für
Paulus konstitutiven Dialektik von Gegenwärtigkeit und Zukünftigkeit
des Heils allerdings nicht. Aber verständlich wird, daß Paulus
mißverstanden selbst an .der Entstehung der christlichen Gnosis
einen entscheidenden Anteil hat" (S. 125). W. warnt entschieden
davor, die Gnostiker des 2. Jahrhunderts zu Kronzeugen der
paulinischen Gegner zu machen. Die Geschichte der Paulusdeutung
ist zugleich immer auch die „Geschichte des Paulus-Mißverständnisses
" (S. 127).

Die Vielfalt der behandelten Probleme wird vielfältigen Dank
verdienen; der nicht geringste wird darin bestehen, die aufgegriffenen
Probleme ständig an den neu zu erschließenden Texten
zu verfolgen.

Berlin Waltor Beltz

Bissels, Paul: Die Unsterblichkeitslehre im altchristlichen Verständnis
(TThZ 78, 1969 S. 296-304).
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Brandenburger, Egon: Text und Vorlagen von Hebr. V, 7-10

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Dibelius, Martin: Im Anfang war dss ewige Wort. Zu Joh. 1,1-18
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Dupont, Jacques: L'union entre les premiers chretiens dans les
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Ernst, Josef: Die Witwenregel des ersten Timotheusbriefes, ein
Hinweis auf die biblischen Ursprünge des weiblichen Ordenswesens
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Gacchter, P.: Der Verkündigungsbericht Lk. 1,26-38 (ZKTh 91,
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Hasler, Victor: Glaube und Existenz. Hermcncutische Erwägungen
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