Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

507-510

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Christentum und Gnosis 1970

Rezensent:

Beltz, Walter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

507

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

503

von Mk 3,20-35 (hier finden sich u. a. auch beachtenswerte
Gesichtspunkte zur Beurteilung der markinischen .Parabeltheorie"
sowie zur Theorie vom „Messiasgeheimnis"!) macht deutlich, daß
bei Markus die Maria als «Beispiel für ein Unverständnis" dient,
»das aus Unglauben stammt", in diesem Sinne also eine .Folie
sowohl für die Christologie als auch für die Paränese" abgibt
(S. 50 f.; vgl. bereits S. 37 das Stichwort .negative Mariologie" I). -
Die Grundthese des Vf.s in bezug auf das Matthäus-Evangelium
(S. 52-76, bes. zu Mt 1,1-17; 1,18-25) lautet: Im
Rahmen seiner .Erfüllungschristologie" sei der Evangelist »nicht
an der Person der Maria, sondern an ihrem Auftrag", ihrem .Amt"
interessiert, der Gedanke der .jungfräulichen Emfpängnis" gehöre
demgegenüber allein .in die Christologie" (S. 75 f.). Hier wird
dann allerdings die behauptete Alternative von .Amt" und .Person"
zur Kritik herausfordern, zumal der Satz, daß Maria .Gegenstand
des Werkes Gottes" ist (S. 75), ja wohl auch nicht von
Seiten der römisch-katholischen Mariologie bestritten wird. Immerhin
erscheint dem Rez. in diesem Zusammenhang die These erwägenswert
, daß in Mt 1,18-25 der Versuch vorliegt, das Problem
des Widerspruchs »zwischen Jesu jungfräulicher Zeugung seiner
Abstammung von David" zu lösen (S. 60-67, bes. S. 65). -
Durchaus überzeugend argumentiert der Vf. dann wiederum in
dem dem lukanischen Schrifttum gewidmeten Kapitel
(S. 77-155), das zugleich den Höhepunkt der ganzen Untersuchung
darstellt: Indem auch hier wieder der Text unter dem Gesichtspunkt
von Tradition und Redaktion erörtert wird, wird einerseits
der »christologische Aspekt" der lukanischen Mariologie hervorgehoben
(S. 84 f. 153), andererseits aber nunmehr vor allem das
besondere Interesse des Lukas an der .Persönlichkeit der Maria",
und zwar im Sinne des „paradigmatischen Aspektes" der lukanischen
Mariologie (Maria als »Vorbild und Typus der Gläubigen"
gehört »in dieParanäse des Evangelisten" hinein: vgl S. 110.123 f.
140 f. u. ö. sowie S. 151. 154). - Mit dem Charakter der in Betracht
kommenden Texte (bes. Joh 2,1-11; 19,25-27) ist es
gegeben, daß das dem Johannes-Evangelium gewidmete
Kapitel (S. 156-186) im Rahmen der ganzen Untersuchung den
Leser am unbefriedigsten läßt: Dies wird deutlich vor allem in
bezug auf den umstrittenen Text Joh 19,25-27. Der Vf., der seinerseits
eine „vorwiegend ekklesiologische Interpretation" dieser
Stelle ablehnt (S. 176. 178), resümiert: „hier sind wir auf Vermutungen
angewiesen" (S. 180) und weist somit selbst darauf hin,
daß gerade zu dieser Szene .das letzte Wort" noch nicht gesprochen
ist. - Mit Zustimmung wird man demgegenüber wieder die Ausführungen
in dem Exkurs „Maria in den Briefen des Ignatius"
lesen (S. 190-194): In der Mariologie des Ignatius, die als solche
eine „Funktion der Christologie" darstelle, liege eine sekundäre
Verbindung verschiedener Traditionslinien des Neuen Testaments
(Paulus und Matthäus) vor (S. 193).

Abschließend ist zu sagen: Hinsichtlich der konsequenten Anwendung
der traditions- und redaktionsgeschichtlichen Fragestellung
führt die Untersuchung des Vf.s in der Tat über die bisher vorliegende
Literatur hinaus und stellt somit einen wertvollen und
beachtenswerten Beitrag zum Thema der „Mariologie im Neuen
Testament" dar. Unbeschadet dessen, daß - wie vom Vf. selbst
betont wird (S. 15) - auch die traditions- und redaktionsgeschichtliche
Fragestellung letztlich nicht von der historischen „Rückfrage"
entbinden kann, wird in der vorliegenden Arbeit überzeugend
dargetan, daß den sachgemäßen Ausgangspunkt für die Frage
nach der Gestalt der Maria im Neuen Testament in jedem Falle
eben die traditions- und redaktionsgeschichtliche Fragestellung
darstellt. Nicht zuletzt sollte auch hervorgehoben werden, daß die
ganze Arbeit sich durch einen flüssigen und gut lesbaren Stil
auszeichnet. Vor allem aber auf Grund der hier geleisteten, alle
theologische Rhetorik vermeidenden, sauberen exegetischen Arbeit
sollte die Untersuchung den ihr gebührenden Leserkreis finden.

Jena Hans-Frieilrieh Weiß

Eltester, Walter [Hrsg.]: Christentum und Gnosis. Aufsätze. Berlin •
Töpelmann 1969. VIII, 143 S. gr. 8° = Beiheft z. Zeitschrift
f. d. neutestamentl. Wissenschaft u. d. Kunde der älteren Kirche,
hrsg. v. W. Eltester, 37. Lw. DM 38,-.

Der Herausgeber der ZNW hat dankenswerterweise 7 Aufsätze
zum Gnosisproblem vereinigt. 1. Alexander Böhlig, Christentum

und Gnosis im Ägypterevangelium von Nag Hammadi (S. 1-18).

2. E. Haenchen, Neutestamentlkhe und gnostische Evangelien
(S. 19-45). 3. J. Menard, Das Evangelium nach Philippus und
der Gnostizismus (S. 46-58), und derselbe 4. Die Erkenntnis im
Evangelium der Wahrheit (S. 59-64). 5. L. Schottroff, Animae
naturaliter salvandae, zum Problem der himmlischen Herkunft des
Gnostikers (S. 65-97). 6. R. Staats, Die törichten Jungfrauen von
Mt. 25 in gnostischer und antignostischer Literatur (S. 98-115).
7. H.-F. Weiss, Paulus und die Häretiker, zum Paulusverständnis
in der Gnosis (S. 116-128). Dazu hat Eltester in der Bearbeitung
von C. Colpe die „Vorschläge des Messina-Kongresses von 1966
zur Gnosisforschung" aufgenommen (S. 129-132). (Siehe dazu die
Besprechung in dieser Zeitschrift von Schenke, 93,1968 Sp. 903-05.)
Dankbar benutzt der Leser die Register von R. Schlichen, die in
Auswahl die Bibelstellen (I) und antike Autoren und Quellen (II),
vollständig aber die Stichworte (III) und die vorkommenden
griechischen und koptischen Worte und unter (IV) auch die modernen
Autoren und Herausgeber anführen. Mit Ausnahme der
Beiträge von Menard sind alle Aufsätze dem Problem von
Christentum und Gnosis vorwiegend im 2. Jahrhundert gewidmet.

Böhlig versucht in seinem Aufsatz nachzuweisen, daß das
Ägypterevangelium aus CG III und CG IV der Auseinandersetzung
mit dem Christentum dienen soll. Der Nachweis wird unter drei
Gesichtspunkten geführt: 1. wie es zu der Bezeichnung Ägypter-
Evangelium gekommen ist, 2. die engen Verbindungen zum NT;

3. die Bedeutung von Buße und Taufe in ÄEv. (S. 3). Der Titel ist
auf Nichtägypter zurückzuführen, die in dem Werk entweder
„ägyptische Charakteristika erblickten, oder dieses durch aus
Ägypten stammende Lehren kennengelernt hatten" (S. 10). Der
2. Beweisgang erfolgt in einer Inhaltsangabe, während der 3. die
Taufe der neutestamentlichen nahe sein läßt, indem Seth als der
Erlöser in der Taufe die Menschen sammelt, die der Belehrung
und der Gnade der Gnosis würdig sind (S. 13). Die Schwierigkeit
der B.schen Beweisführung liegt darin, daß er jeweils nur die
Textorte angibt. Seine Edition liegt aber noch nicht vor. Der Leser
sei darum auf die Textedition von Doresse hingewiesen: Journal
Asiatique, 1966, Heft 3-4, S. 317 f. D. gibt allerdngs nur die
Version von CGI (d. i. nach der Zählung von Krause-Labib CG III),
während B. sich auch immer auf Abweichungen in CG IV stützt.
B. hat diese Ausgabe offensichtlich übersehen. Rez. wünschte sich,
daß B. bei seiner Definition von „vorchristlicher Gnosis" (S. 2,
Anm. 5) auch auf Schmithals eingegangen wäre. Zu überlegen
wäre auch, ob nicht die Beziehung von Sethianern zu Sodom und
Gomorrha weniger durch die Sodomie des Seth als vielmehr durch
das Schicksal der Vertilgung durch Feuer und Schwefel zustandegekommen
ist, da B. ja selber schon auf die Adams-Apokalypse
aus CG V hingewiesen hat (S. 4, Anm. 20). Rez. hält die Schlußfolgerungen
von B. für möglich, daß das ÄEv aus der Auseinander-
mit paulinischer Theologie und johanneischer Theologie hervorgegangen
ist.

E. Haenchen stellt die Entwicklung der Evangelienbildung dar.
Insbesondere widmet er seine Darstellung Paulus, für den das
Erdenleben Jesu noch keine Bedeutung hatte. Seine ganze Vcr
kündigung und sein Christusverständnis in der Dialektik von
„Schon" und „Noch nicht" fallen sofort in Gnosis und Judentum
auseinander, wenn man die Dialektik auflöst. H. sieht das Wirken
des Paulus durch seinen Kampf gegen diese Mißverständnisse?
bestimmt. In den von ihm angezogenen Texten aus dem Thomas-F.v.
und dem Philippus-Ev. stellt er die gnostischen Umdeutungen
synoptischen Gutes fest, wobei viel „Historisches in der Glut eines
gnostisch Existentiellen verdampft ist" (S. 38). H. hält das Philippus
-Ev. für eine Sammlung von Sprüchen ohne Leitgedanken von
valentinianischer Herkunft, das z. B. viel sprunghafter und paradoxer
konzipiert sei als das Thomas-Ev. Mit dem Ev. Veritatis
stellt H. bedauerlicherweise keine synoptischen Vergleiche an,
sondern referiert nur den Inhalt und kommt zu dem Ergebnis,
daß es nicht valentinianisch (S. 43), sondern eigenständig sei. Die
Gnostiker sind im Göttlichen selbst, wissen es aber nicht, sondern
meinen irrigerweise, in der Materie zu sein, bis die Erkenntnis,
durch Jesus gebracht, über ihren eigentlichen Status sie befreit.
In der Erkenntnis ihres Irrtums wird für den inneren Menschen
die äußere Welt bedeutungslos. Phänomenologisch erfüllt das EV
für H. die Voraussetzung eines Evangeliums, weil es den Blick