Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

497-498

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Görg, Manfred

Titel/Untertitel:

Das Zelt der Begegnung 1970

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

497

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

498

ALTES TESTAMENT

Görg, Manfred, Dr.: Das Zelt der Begegnung. Untersuchung zur
Gestalt der sakralen Zelttraditionen Altisraels. Bonn: Hanstein
1967. XVI, 174 S. gr. 8° = Bonner biblische Beiträge, hrsg. v.
G.J. Botterweck, H. Zimmermann, 27. Kart. DM 36,-.

Eine gründliche literar- und gattungskritische Analyse der
sakralen Zelttraditionen im Alten Testament ist schon seit längerer
Zeit fällig. Dringlich gemacht haben dies vor allem verschiedene
neuere Deutungen, die zu recht unterschiedlichen Auffassungen
führten '. Dieser Aufgabe unterzieht sich verdienstvoller Weise
M. Görg in der vorliegenden gedruckten Fassung seiner im Jahr
1964 abgeschlossenen Dissertation.

Im Vordergrund der Untersuchung steht mit vollem Recht die
sorgfältige Analyse der Traditionen, die von einem Zeltheiligtum
berichten. Die Texte werden in drei grofjen Gruppen behandelt:
Zunächst die priesterschriftlichen, dann die „dynastischen" und
schließlich die elohistischen Traditionen. Die Besprechung der
jüngeren Überlieferungen vor den älteren erweist sich als recht
geschickt, weil so der vermutlich älteste Kern der Zeltvorstellungen
durch Abstreifung der jüngeren Elemente in besonders einsichtiger
Methode freigelegt werden kann. Die entscheidende
Voraussetzung für die Auffassung des Vf.s liefert die am Anfang
des Buches stehende Untersuchung von Ex 26 in teilweise kritischer
Auseinandersetzung mit K. Koch und R. Rendtorff (S. 8-33).
G. kommt hierbei zu dem Ergebnis, dafj die Grundschrift von P
einen älteren Komplex von „Kurzsatzgruppen" enthält, die keine
Rituale, aber doch ritualähnlich sind („Quasi-Rituale"). Es handelt
sich bei diesem älteren Bestand innerhalb der Bauanweisung von
Ex 26 nicht um eine Ätiologie oder gar um eine Fiktion. Der
Text verfolgt vielmehr den Zweck, „ein bestehendes Zeltheiligtum,
mit der diesem zugehörigen Priesterschaft zu legitimieren", ist
also als „Apologie" zu verstehen (S. 27). Erst in der Redaktion
der Grundschrift von P wird aus der Apologie „eine großangelegte
Ätiologie des Tempelheiligtums in Jerusalem".

Für die Geschichte dieses offenbar auch in nachsalomonisehcr
Zeit noch existierenden Zeltheiliglums gewinnt G. aus den älteren
Überlieferungsgruppen nun noch weitere Anhaltspunkte. Besonders
wichtig ist dabei die Beobachtung, daß das Zeltheiligtum vom
Jcrusalemcr Ladezeit Davids getrennt erscheint und seinen Sitz in
Gibeon hat. Auf dieses heilige Zelt in Gibcon bezieht der Vf. mit
beachtenswerten Gründen auch 1 Kön 1, 39 (S. 128 ff.; unter
Änderung von Jini in 115731) und 1 Kön 2, 28 ff., wobei er
insbesondere auf die für den Kult am Zeltheiligtum charakteristischen
Ritualelemente, die er aus P-Texten ermittelt hat, achtet.
Höchstwahrscheinlich ist nach Meinung des Vf.s auch das als Zelt
aufzufassende Heiligtum der nobitischen Priester (1 Sam 17, 54;
21 f.) mit der Kultstätte von Gibeon identisch. Interessant ist der
Versuch, die Polemik gegen den festen Tempelbau in Jerusalem
deshalb bei der Priesterschaft von Gibeon zu beheimaten. Aus
dieser gibeonischen Opposition gegen den Tempelbau ist dann
auch „die Kultliturgie der priesterschriftlichen Rituale und QuasiRituale
. . . herausgewachsen" (S. 137). Letztlich aber stammt das
Zeltheiligtum aus der Wüstenzeit (S. 167), wenngleich der Begriff
11710 VflK kanaanäischen Ursprungs zu sein scheint (Ps 74, 8;
Jcs 14, 13 und KRT III, 3).

Oberhaupt widmet der Vf. der genaueren Bestimmung der
beiden Begriffe nyiD ^TIK und lyBQ eine sorgfältige Untersuchung
. Es zeigt sich, daß der erste Begriff Funktionsbedeutung
hat und die Stätte des Kultvollzuges bezeichnet, während der
zweite mehr die „technische Seite" der Konstruktion im Blick hat
(S. 44). Besonders zu verweisen ist auf die gründliche Untersuchung
des Begriffes (S. 98 ff.), der auf Jahwe bezogen
zwar seit der frühen Königszeit mit Jerusalem verbunden ist,
aber vorher an älteren nichtjerusalemisehen Zentralkultstätten
beheimatet war (S. 110 ff ). Noch weiter zurück gelangt G. mittels
der „Vorform" der elohistischen Überlieferung von Ex 33, 7-11.
Danach wäre das Zelthciligtum ursprünglich der Ort eines im
Zeltlager gefeierten Wallfahrts(?)-Festes (S. 167).

1 F.inen kurzen Obwbllak zur FoisehiinpsireRchicnle Reil W. M. t*
■In Wette (fiht der Vf. auf S. 1 - 7.

Der reiche Inhalt dieser im Wintersemester 1964/65 von der
Kath.-Theol. Fakultät der Universität Bonn angenommenen Dissertation
ist hiermit nur in den wichtigsten Ergebnissen und Thesen
angedeutet. Der Leser wird darüber hinaus Gewinn von mancher
scharfsinnigen Beobachtung haben, auch wenn ihn der Vf. von der
langen Fortexistenz eines zentralen Zeltheiligtums nach der Landnahmezeit
in Gibeon nicht ganz zu überzeugen vermag.

Berlin Karl-Heinz-Bernhardt

Rehm, Martin: Der königliche Messias im Licht der Immanuel-
Weissagungen des Buches Jesaja. Kevelaer: Butzon & Bercker
[1968]. XII, 432 S. gr. 8° - Eichstätter Studien, hrsg. v. d. Phil.-
Theol. Hochschule Eichstätt, NF Bd. I. Lw. DM 48,-.

Der Eichstätter Alttestamentler versucht von den verschiedenen
Formen atl. Heilserwartung jenen Bereich darzustellen, der „von
einem besonderen persönlichen Heilbringer handelt", „auf den die
Bezeichnung .Messias' angewendet werden kann, wenn festgehalten
wird, daß noch nicht der volle Inhalt der späteren Messias-
Erwartung vorhanden ist" (S. VII), wobei diese Definition für die
Beurteilung der untersuchten Texte als messianische oder nich't-
messianische Texte für den Vf. von entscheidender Bedeutung ist.
Dies wird besonders daran deutlich, daß der Vf. den .Messias'
zwar als Gestalt einer späteren Zukunft verstanden wissen will,
ihn aber nicht von vornherein mit eschatologischen Vorstellungen
in Zusammenhang bringt, so daß zwischen .messanisch' und ,escha-
tologisch' streng zu unterscheiden ist (S. 369), was für die Datierung
einzelner Texte bei R. ganz erhebliche Konsequenzen hat.

Den größten Teil seines Werkes widmet R. der Untersuchung
der für das definierte Messiasverständnis in Frage kommenden
Texte (S. 1-345), um die Einzeluntersuchung mit einer ausführlichen
Zusammenfassung der Ergebnisse abzuschließen (S. 346-406).
Dem Werk ist ein umfangreiches Literaturverzeichnis (S. 407-430)
beigegeben, das Zeugnis von der intensiven Beschäftigung des
Vf.s mit der einschlägigen Literatur gibt, die sich auch in einer
Fülle kritischer Anmerkungen dokumentiert. Das Stellenregister
(2 S.) beschränkt sich auf die Aufführung der besprochenen Bibcl-
stellen, erschließt jedoch im Verein mit dem Inhaltsverzeichnis
das Werk in ausreichender Weise. Der Druck des Buches wurde
mit großer Sorgfalt veranstaltet.

Die durch Jes maßgebend beeinflußte atl. Heilserwartung entstand
nicht im leeren Raum. Erste Spuren eines biblischen „Messia-
nismus" finden sich bereits in den Patriarchenverheißungen Gen
12, 2 f.; 18, 18 f.; 22, 17 f.; 26, 3-5 und 28, 14, deren Erwartungen
aus den bescheidenen Verhältnissen der Patriarchen- und Frühzeit
Israels nicht erklärt werden können und darum Ansätze zu neuen
Hoffnungen bieten, wenn auch die Person des Messias noch nicht
genannt ist. Entscheidende Anregungen erhielt die Messiaserwartung
durch die Natanweissagung 2 Sam 7, 11-16, die zwar auch
noch nicht vom Messias handelt, aber dadurch, daß sie David und
seinem Haus den dauernden Besitz des Königtums zusagte, mußte
die später entstehende Erwartung eines besonderen Heilskönigs
mit der david. Dynastie verbunden werden. Als erstc Stelle des
AT handelt der Juda-Spruch Gen 49, 10 ff. von einem persönlichen
Heilbringer, der als König beschrieben wird. Die im Spruch
vorausgesetzte Entstehung des Königtums verlangt eine messianische
Interpretation. Eine solche wird für Num 24, 15-19 abgelehnt
. (Kap. I Vorstufen: S. 1-29).

Die zentrale Stelle in der Entwicklung dieser Heilserwartung
nehmen nach R. die vier Immanuelweissagungen des Buches Jesaja
ein, denen der Hauptteil der Untersuchung gewidmet ist (Kap. II
Jes 7, 14-16 « S. 30-121; Kap. III Jes 8, 5-10 n S. 122-129;
Kap. IV Jes 9, 1-6 S. 130-184; Kap. V Jes 11, 1-9
S. 185-234). Die einzelnen Texte werden einer eingehenden Exegese
unterzogen, die verschiedenen wichtigen Deutungsmöglich-
keiten (zeitgeschichtliche, typisch-messianische, mythische u. a.
Deutungen) ausführlich diskutiert und schließlich die messianische
Deutung als die angemessenste anerkannt. - Ausgehend von der
Annahme, daß das zweite Zeichen (Jes 7, 14 ff.) in seiner Absicht
dem ersten Zeichen (7, 11) entspricht, also ein Heilszeichcn sein
soll, Dickmilch und Honig als Verheißung von Glück und Wohlstand
zu verstehen sind (7, 15), die Niederlage der Feinde Aram
und Israel die Voraussetzung für den Wohlstand Judas darstellen