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1970

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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495

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 7

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3. Der Freiheit korrespondiert die Offenheit des Geistes und
der Seele. Wenn z. B. das „Versehen" bei Schwangeren vorkommt
wie bei Ibsens Ellida, so haben wir wie bei Fällen von Hellsehen
und anderen Erscheinungen aus dem „Nachtgebiet der Natur" nach
höheren Determinationen zu forschen, auch wenn wir zur Stunde
von ihnen kaum etwas oder gar nichts wissen. Wenn Wamba
Losorakel betreibt, werden wir auch zu fragen haben, ob dabei
Hellseherei mit vorliegt, die nicht ein isolierter Fall wäre und die
natürliche Wurzeln hat.

4. Anders steht es um die Magie, die den elementaren Naturlauf
beeinflussen will, in der Regel im Dienst des Egoismus
unter Schädigung von Nachbarn. Zugrunde liegen wird eine Annahme
, die wir eine pervertierte Teleologie nennen möchten.
Der Mensch ist als das höchstorganisierte Wesen, das wir kennen,
des teleologischen Handelns fähig. Darauf beruht nicht nur die
Möglichkeit des technischen Könnens und wissenschaftlichen Be-
rechnens, sondern allgemein der Setzung von Willenszielen. „Wille
ist schon seiner kategorialen Form nach Finalnexus, wie denn die
Teleologie des Menschen es ist, was ihm den Vorzug vor anderen
Wesen gibt und ihn befähigt, Werte in der realen Welt zu verwirklichen
" 12. Von pervertierter Teleologie wird man reden müssen
, wenn das wegen des „Gesetzes der Stärke" Unmögliche versucht
wird, nämlich die niederen Determinationen zu vernichten,
z. B. durch Besprechung einer Feuersbrunst, durch Veränderung
des Sonnen- und Mondumlaufes u. ä. Das teleologische Vermögen
des Menschen ist mächtig, das Feuer in Dienst zu nehmen und es
zur Erreichung hoher technischer Ziele einzusetzen, wie er auch
die Feuersbrunst löschen kann. Der Mensch kann die Überformungen
der Kausalität in den höheren Seinsschichten erkennen
und sie wieder teleologisch für Zwecke einsetzen. Nicht aber kann
er die Kausalität an ihrer Basis aufheben, weil er selbst durch sie
in niederen und hohen Überformungen bestimmt ist. Es ist oft
beobachtet, daß der Aberglaube in seiner Zauber- und Besprechungspraxis
technische Vorstellungen in den Bereich des geistigen
und seelischen Bewirkens hineinträgt. Das magische Wort gleicht
dem technischen Mittel des Schlüssels im Sicherheitsschloß. Wer
es hat, kann auch das elementare Weltgeschehen lenken. Wir
brauchen nicht erst zu sagen, daß daraus die Hybris des Zauberers
entspringt.

5. Auch Hartmann, der allein dem Menschen teleologisches
Wirken zugesteht und alle Naturteleologie leugnet, dürfte unerlaubt
den Menschen erhöhen. H. G. Fritzsche hat - ohne hier Hartmann
zu nennen, - mit Recht geurteilt", daß solche Vormachtsstellung

„einen viel unerhörteren Anthropozentrismus" begründe, als ihn
die Vorläufer und Vertreter des Darwinismus bekämpften. Der
Aberglaube wird die Naturteleologie kennen und auf ihr seine
Praxis aufbauen. Aber seine teleologische Technik ist pervertiert,
weil sie mit geistigem Mittel, dem Wort, die elementare Basis des
Weltgeschehens nach seinem Belieben glaubt lenken zu können,
meist zu untersittlichen Zwecken.

6. Wird das teleologische Wirken allein dem Menschen zuge
sprochen und Gott vergessen, so wird der Glaube widersprechen.
Schon das Nein zur Naturteleologie wird Folge der Leugnung von
Gottes Weltmächtigkeit und Weltregierung sein. Wir denken zurück
an Stifter und Raabe, die wenigstens einen Moment an den
christlichen Vorsehungsglauben appellierten. Es dürfte am Schluß
unserer Erwägungen deutlich werden, daß im christlichen Vor-
sehungs- und Erhaltungsglauben die grundlegenden Entscheidungen
in der Stellung zum Aberglauben und den ihn fördernden
Faktoren fallen.

1 Vorschule der Ästhetik I ^ 25. • Theodizce 4 11!).

* Frischeisen-Köhler und Moog, Die Philosophie der Neuzeit,
14. Aull. 1954, S. 308 (l'eberweg.s OriindriU der Uesehiehte der Philosophie
lld. III).

4 Parerga und Paraliponiena I, letzte Abhandlung.

* Die Literaturhinweise aus der Mitte de« 19. Jahrhunderts wie
das Beispiel aus der „Times" vom 2.12.1852 lassen sich durch neue
voluminöse Tatsachensammlungen ergänzen; zur Literatur s. Atlas
der deutschen Volkskunde, NF II S. 4 f, zu den Berichten ebd.
S. 78 - 89.

" Die Hinweise auf die Analogie »wischen Traum und Dichtung
sind nicht zu zählen; wir verweisen allein auf Carl du Prel, Die
Philosophie der Mystik, 1885, S. 88 f. Seit der Friihzeit der Menschheit
haben Traumerlebnisse magische Vorstellungen genährt. Man kann
wohl von gesteigertem Truuinerleben sprechen, wenn vor dem Tod
durch Ertrinken oder Erfrieren in Blitzesschnelle das ganze Leben
panoramah.'ift vorüberzieht. Die Gedächtniskraft des Traumlebens
tritt- hier besonders eindrucksvoll hervor.

' Berichtet duich Krnesto Bozzano, Übersinnliche Erscheinungen
bei Naturvölkern, 1948, S. 209 ff.

" N. Hartmann, Ethik, 1926, S. 007: „Der höhere Determinationstypus
ist vom niederen abhängig, nicht aber umgekehrt. Der höhere
ist also allemal der bedingtere und in diesem Sinne schwächere. Der
niedere dagegen ist der elementarere, fundamentalere und in diesem
Sinne stärkere".

' Hartmann, Philosophie der Natur, 1950, S. 348.
10 Man mag auch an Jungs Lehre von der Synchronizität denken.
" Hartmann, Ethik, S. 597: „Das kann man an der Kantischen
Theorie lernen, daß Freiheit niemals möglich ist, wo ein einziger
Typus der Determination die ganze Welt in allen ihren Schichten
beherrscht. Freiheit ist nur möglich, wo wenigstens zwei Typen dar
Determination in einer Welt einander überlagern".
" Hartmann, Ethik, S. 605.

»• H. G. Fritzsche, Die Perspektive des Menschen, 1969, S. 23.

ALTER ORIENT

Reallexikon der Assyriologie und vorderasiatischen Archäologie,
nach E. Ebeling, B. Meissner, E. Weidner unter Mitwirkung v.
P. Calmeier, D. O. Edzard, A. Falkenstein f, A. Moortgat, H.
Otten, W. Röllig, D. J. Wiseman hrsg. v. W. v. Soden. III, 6:
Girsu-Götterreisen. S. 401-480 m. Abb. III, 7: Götterreisen-Gott.
S. 481-560. Berlin: de Gruyter 1969. gr. 8°. je DM 18,-.
Die in den Anzeigen der Lieferungen 1-5 des III. Bandes
(ThLZ 93, 1968 Sp. 25, 575, 905-906) ausgesprochene Hoffnung,
daß die Lieferungen dieses Lexikons hinfort in schnellerer Folge
herauskommen möchten, als es bisher möglich war, hat sich erfüllt:
auf die 1968 erschienene 5. Lieferung unseres Lexikons sind 1969
Lfg. 6 und 7 gefolgt. In ihm stehen neben nur ein paar Zeilen
oder nur eine - das gilt von Verweisen auf andere Artikel -
Zeile umfassenden Artikeln wie Gisgigal oder Gisi ausführliche
Artikel, so Glas, Glasuren (S. 407-427); Glocke (S. 427-431);
Glossen (S. 431-440)- Glyptik (S. 440-462); Götterboot (S. 463-
466); Götterdarstellungen in der Bildkunst (S. 466-469); Göttergenealogie
(S. 469-470); Götterkämpfe in der Bildkunst (S. 471-
473); Götterlisten (S. 473-479); Götterprozession in der Bildkunst
(S. 479-480); Götterreisen (S. 480-483); Göttersymbole und
-attribute (S. 483-498); Götterzahlen (S. 499-500); Gold (S. 504-
531) sowie der zum Abschluß in Lfg. 8 bestimmte Artikel „Gott".

der in „A. Nach sumerischen Texten", „B. Nach akkadischen Texten",
„C. Nach elamischen Texten" und „D. Nach hethitischen Texten"
zerfällt. Man sieht: Die Artikel stellen teilweise ausführliche
Monographien über die betreffenden Gegenstände dar, werden
indes durch zahlreiche Verweise auf sie auch ihrer atomistischen
Auswertung zugänglich gemacht. Dankbar werden sodann viele
Leser die Artikel zur Kenntnis nehmen, die einige Angaben über
Vertreter der Assyriologie oder der sie angrenzender Gebiete wie
Albrecht Götze und Godefroy Goossens enthalten, und dasselbe
gilt von den Artikeln über wichtige Fundstätten wie Gözlükule
am Südrand der Stadt Tarsus.

Halle/Saale Otto Eißfeldt

Merkelbach, R.: Der orphische Papyrus von Derveni (Zeitschrift
für Papyrologie und Epigraphik 1, 1967 S. 21-32).

Weippert, M.: Ein ugaritischer Beleg für das Land „Qadi" der
ägyptischen Texte (ZDPV 85, 1969 S. 35-50).

Wright, G. R. H.: Iran and the Glacis (ZDPV 85, 1969 S. 24-34).

Zandee, J., Dr.: De Messias opvattingen aangaande hetKoningschap
in de godsdiensten van het oude Nabije Oosten. Rede uitge-
sproken bij de aanvaarding van het Ambt van gewoon
hoogleraar in de geschiedenis van de antieke Godsdiensten en
hun verschijnselen en in de egyptische Taal - en Letterkunde
op Maandag 6 April 1970. Leiden: Brill 1970. 44 S. gr. 8°.