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Ausgabe:

1970

Spalte:

26

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schenke, Ludger

Titel/Untertitel:

Auferstehungsverkündigung und leeres Grab 1970

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 1

L'6

Geschichte Jesu in einem neuen Licht" (S.113). Die Diskrepanz
zwischen dem mit dem Vater geeinten Sohn und der eigentlichen
Passionstradition, vor die sich E. Käsemann gestellt
sieht, ist für G. Bornkamm eigentlich unverständlich. Das vierte
Evangelium erscheint im eigentlichen Sinn für G. Bornkamm
als eine Art „Rückblick" (S.114). Das Evangelium will von
rückwärts gelesen werden (8.114).

Die Auseinandersetzung zwischen E. Käsemann und G. Bornkamm
ist noch unabgeschlossen. Es kann sich wohl nicht um ein
einheitliches Rechthaben des Einen gegen den Anderen handeln,
dazu sind die Aspekte zu verschieden und zu wenig abgewogen.
Das Element der „Rückerinnerung" ist im vierten Evangelium
anders strukturiert als das mit der Präexistenz verknüpfte
christologische Element. Sicher hat die Verschiedenheit in der
Denkform ihr Recht: einerseits geht es um das Festhalten von
Raum und Zeit im geschichtlichen Einsatz, andererseits um den
ständigen Durchbruch durch Raum und Zeit in den doxologi-
schen und chokmatistisch-didaktischen Motiven. Das chok-
matistisch-didaktische Element droht bei E. Käsemann immer
in ein spekulatives umzuschlagen. Aber eine Grundfrage ist doch
anzuschneiden. E. Käsemann weist auf den „hellenistischen
Enthusiasmus" hin, ohne seine geschichtstheologische Konzeption
in der Gegenwart durchgeführt zu haben. Es ist anzunehmen
, daß dies Geschichtsbild, das sich auf das Urchristentum
bezieht, noch einmal deutlicher entworfen wird. An einem entscheidenden
Punkt gibt aber G. Bornkamm einer Konzeption
E.Käsemanns Recht: „Gewichtige Gründe sprechen allerdings
dafür, daß das johauneische Redengut bereits christlich war"
(gegen R. Bultmann). Aber dieser Rückzug aus der Bultmann-
schen These wird fast in anderthalb Zeilen, dazu noch mit Einschränkung
, abgemacht. Das genügt doch nicht, zumal für die
Gesamtkonzeption des Johannesevangeliums damit entscheidende
Folgerungen gezogen werden müßten. Mit der These:
Trotz aller etwa notwendigen Korrekturen sollte nicht in Zweifel
gezogen werden, daß die wie auch immer genauer zu bestimmende
Gnosis Voraussetzung für Johannes ist (S. 118), hält
G. Bornkamm eine entscheidende religionsgeschichtliche These
R. Bultmanns gegen diejenigen fest, die das vierte Evangelium
aus anderen Wurzeln konzipieren. Die These vom gnostischen
Hintergrund des vierten Evangtliums ist trotz aller gegensätzlichen
Behauptungen in der Gegenwart keineswegs gesichert; es
wird immer wieder der kühne Versuch gemacht weiden müssen,
die Bultmannsche These zu korrigieren, vielleicht sogar zu widerlegen
. Bisher ist dies noch nicht gelungen, wohl aber sind von
verschiedenen Seiten her Versuche gemacht worden, das vorausgesetzte
Quellenmaterial aus der religionsgeschichtlichen Umwelt
zu sichten und umzugliedern. Andersartige hellenistische
und palästinische Stoffe (auch von Qumran her), vor allem aber
die weit unterschätzte chokmatistische Tradition wollen
herangezogen werden. Beachtenswert bleibt das vorsichtige
Urteil des jüngst erschienenen Kommentars von R.E.Brown,
Introduction LVI.

Während E. Käsemann in stets erneuten Versuchen die ge-
schichtstheologischen Aspekte des Urchristentums revidiert,
bleibt G. Bornkamm viel stärker den dialektisch hermeneu-
tischen Ansätzen des Verstehens zugewandt. Leidenschaftlich
geht es ihm darum, um der Reformation willen den Denkansätzen
R. Bultmanns gerecht zu werden, um sie vor Mißverständnissen
zu schützen. Seine eigenen Abweichungen sind
keineswegs unwichtig, aber das Schwergewicht liegt auf dem
Weiterführen und Fruchtbanuachen der Bultmannschen Ansätze
. Der Band schließt mit den bezeichnenden Worten: „Gerade
eine reformatorische Theologie wird nicht darin ermüden
dürfen, die Dimensionen und Horizonte von neuem zu erkennen
und erkennen zu lassen, welche in Christusbotschaft und Glauben
beschlossen sind und trotz aller fragwürdigen Vorste Hungen
in einer langen Geschichte ihrer Wiederentdeckung harren"
(S. 275). Ich habe mich gefragt, in welchem Verhältnis dies zum
Abschluß eines anderen Aufsatzes aus schwerer Zeit steht: „In
der Frage, die die heimtückische Welt an die Jünger richtet, wird
sie in Wahrheit von Jesus selbst gf fragt, und ihre Antwort, die
vor dem irdischen Tribunal erklingt, dringt in Wahrheit zu
ihm" (S.36). Es geht auch heute, erst recht heute, um das Problem
der christlichen Existenz in ihrem Zugeordnetsein zum

theologischen, für G. Bornkamm weithin geöffneten Verständnis.
Man gewinnt den Eindruck, daß dort, wo Letztes auf dem Spiel
steht (z.B. S.lOOf.: „urbiblisch und johanneisch die durchbrechende
Kraft der Vergegenwärtigung und Gegenwart Gottes
" oder aus dem Zusammenhang S.275 im obigen Zitat: „die
Dimensionen und Horizonte von neuem erkennen und erkennen
zu lassen"), die Hinweise nicht scharf genug und daher in ihrer
Wirkung abgeschwächt sind. Wir sind leider auf einem schmalen
Weg, wenn wir um Kontingenz und Kontinuität der Offenbarung
kämpfen, leider nicht immer auf offenem Gelände. Aber das
weiß G. Bornkamm auch.

Tübingen Otto Michel

Schenke, Ludger: Auferstehungsverkündigung und leeres Grab.

Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung von Mk. 16,1-8.
Stuttgart: Kath. Bibelwerk [1968]. 117 S. 8° = Stuttgarter
Bibelstudien, hrsg. v. H.Haag, R.Kilian u. W.Pesch, 33.

An jedem Ostermorgen zog die Jerusalemer Gemeinde „bei
Sonnenaufgang in einer Prozession" zu Jesu Grab (92), dessen
Lage nach dem zuverlässigen Zeugnis der Frauen und dem glaubwürdigen
Bericht von der Grablegung in Mark. 15,42-47 einwandfrei
bekannt war (94-101), zur kultischen Feier, bei der der
Bericht Mark. 16,2.5f.8a rezitiert wurde (92; die Aussonderung
der nicht genannten Verse - abgesehen von den Namen der
Frauen - wird 30-55 begründet). „In dieser Verkündigung ereignete
sich das berichtete Geschehen in der nun feiernden Gemeinde
neu" (91, vgl. 112). Der Bericht stellt eine kultätiologische
Legende aus den Anfängen der Urgemeinde dar, eine
legendarische Epiphaniegeschichte (84f.) - denn der Bericht
hat nie ohne die Botschaft des Engels existiert (71), die die Mitte
der Perikope bildet (72). Die Botschaft ist - darauf legt Sch.
großen Wert - gänzlich ortsgebunden und deshalb nur am leeren
Grab verkündbar (78f.), das die Urgemeinde verehrte (103); die
Aufforderung in V. 6 (Ende) sollte an diesem nachvollzogen werden
(82f.92).

Die Hypothese wird in einem geschickt geführten Beweisgang
unter Verwendung form- und traditionsgeschichtlicher Methoden
und von modernen kritischen Voraussetzungen her zu begründen
versucht. Für die kultätiologische Verwertung von Mark.
16,1-8 kann sich der Vf. auf gewisse Andeutungen bei anderen
Autoren beziehen; auch vermag er auf die entsprechende Interpretation
anderwei tiger Texte zu verweisen. Gle ichwohl hat er den
Rez. von seiner Hypothese nicht überzeugt. Die Ortsgebundenheit
eines Wortes und seine bekenntnisartige Form z.B. sind
per se nicht o.w. einleuchtende Argumente für die Zuweisung
von Texten an lokal fixierte Feiern der palästinischen Urchristen-
heit (86f.). Es wäre erwünscht gewesen, daß die Frage jedenfalls
gestellt würde, ob eine entsprechende Neigung zu kultischen Begehungen
an durch besondeie Ereignisse bedeutsamen Orten im
palästinischen Judentum erkennbar wird1. Auch eine Abgrenzung
von den2 Thesen bei Werner Schmauch, Orte der Offenbarung
... (1956), überhaupt (auf Mark. 16,1-8 geht Schmauch
nicht ein) wäre zu begrüßen.

Daß das Heft gut zu lesen ist, daß der Vf. mit der Literatur
im Gespräch bleibt, daß zu dem Text überhaupt mancherlei ihn
- auch theologisch - erhellende Bemerkungen gemacht werden,
sei dankbar ausgesprochen.

Halle/Saale Gerhard Delling

1 D)r Hinweis auf J. Jeremias, Die Heiligengräber in Jesu Umwelt
(1958) - s. Tri LZ 84 (1959) 355f. - reicht hier nicht aus, da Sch. Wert
auf die Parallelität zu anderen Bogehungen der Urgemcinele legt.

2 Im einzelnen gewiß problematischen, s. ThLZ 83 (1958) 764f.

Ruggieri, Giuseppe: II Figlio di DioDavidico. Studio sulla storia
delle traditioni contenute in Rom. 1,3-4. Roma: Libreria Edi-
trice dell'Universita Gregoriana 1968. XII, 147 S. gr. 8° =
Analecta Gregoriana cura Pontificiae Universitatis Gregoria-
nae edita. Vol. 166. SeriesFacultatisTheologicae: sectio B, n.
54. Lire 2.800-.