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Ausgabe:

1970

Spalte:

441-443

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Zur Friedensidee in der Reformationszeit 1970

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

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ist nicht mehr gesetzt und gedruckt, sondern eine Wiedergabe des
maschinenschriftlichen Manuskriptes. Dadurch sind die Ausdrucksmittel
begrenzt. Der Hrsg. hat versucht, mittels Unterstreichungen
und durchgehender Großschreibung die Zitate bzw. Quellenangaben
hervorzuheben. Für die textkritischen Anm. hat er im Text jeweils
ein Kreuz gesetzt und die Anm. an den Schluß eines jeden Textes
verbannt. Man muß nun unter den Anm. den Hinweis auf die betreffende
Seite und Zeile suchen und die Kreuze der jeweiligen
Zeile abzählen, um das Gesuchte zu finden. Das System ist zwar
eindeutig, aber nicht übersichtlich. Nun ist es für einen Leser
immer beschwerlich, wenn er die Anm. im hinteren Teil eines
Buches nachschlagen muß, aber bei textkritischen Anm. ist dies
unzumutbar. Diese ungeschickte Anordnung wird allerdings sehr
rasch durch den losen Einband, eine einfache Blockleimung, ausgeglichen
, da dieser sich sogleich auflöst und dem Leser die Möglichkeit
gibt, die Anmerkungsseiten neben die Textseiten zu legen.
Es ist sehr zu wünschen, daß die Wissenschaft in Zukunft vor
solchen Formen von Textausgaben verschont bleibt.

Es sind aber auch fehlerhafte Hinweise übersehen worden.
Wer z. B. die Erweiterung über hygienisch-ästhetische Gründe lesen
will, muß zuerst unter den Anm. den Hinweis zu S. 18, Z. 19 suchen,
bis er feststellt, daß dies unter dem Hinweis zu S. 11, Z. 19 steht,
denn bei den Anm. zum Vorwort sind die Seitenangaben um 2, bei
denen zur Problemstellung um 7 verschoben. In unserem Beispiel
wird der Leser nun auf die Textseite 23 verwiesen. Da der Text
mit der Seite 33 beginnt, braucht er nur 32 zu addieren. Sucht er
nun unter den Anm. zu S. 55, wird er merken, daß er das Gesuchte
unter den Hinweisen zu S. 53 findet, denn hier sind die Seitenangaben
ebenfalls um 2 verschoben, desgleichen in den Registern.
Wer also Freude am Rechnen hat, wird mit einigem Humor das
Zusammengehörige zu finden wissen. Die bibliographischen Angaben
sind nicht nur, wie schon bei früheren Werken des Hrsg.s
wiederholt gerügt wurde, spärlich, sondern lassen auch Genauigkeit
vermissen. So ist die Ausgabe des „Corpus iuris canonici" von
Friedberg als „Decretum Gratiani Teil I und II" angegeben, was
einen tiefen Einblick in die Kenntnisse des Hrsg.s über dieses Werk
vermittelt, und die Ausgabe des Hermann von der Hardt als „Res
Constantienses" statt „Magnum oecumenicum constantiense conci-
lium" bezeichnet.

Aber auch die Textausgabe selbst weist Mängel auf. Die handschriftliche
Überlieferung wurde bei den Handschriften zum ersten
Text nicht erörtert, bei denen zum zweiten Text nur angedeutet,
weil aus den vielen Handschriften eine Auswahl getroffen werden
mußte. Es fehlt der Versuch, die Handschriften zu Familien zusammenzustellen
und ihre Qualität einzuschätzen, wodurch der
Benutzer die einzelnen Varianten erst recht zu werten vermag. Bei
einer Stichprobe des Textes auf S. 54 ergab sich, daß fünf Textvarianten
der Ausgabe Hermanns von der Hardt nicht erwähnt
und zwei falsch notiert waren. Außerdem enthielten die beiden
zitierten Erweiterungen zu dieser Seite aus der Ausgabe Hermanns
von der Hardt noch sechs Fehler. Obgleich sich Fehler bei solchen
Ausgaben kaum ganz vermeiden lassen, darf ihre Zahl doch nicht
zu groß sein. Ob der Text der Handschriften sorgfältiger ediert ist,
konnte ich nicht kontrollieren.

Man kann den Band nur mit sehr großem Bedauern aus der
Hand legen, weil das mühsame Entziffern der Handschriften nicht
durch eine sauberere und vollkommenere Editionsmethode und Editionstechnik
seinen krönenden Abschluß gefunden hat. So muß sich
jeder einzelne Benutzer selbst mühsam erarbeiten, was der Hrsg.
versäumt hat.

Leipzig Helmor Junghans

Wollgast, Siegfried: Zur Friedensidee in der Reformationszeit.

Texte von Erasmus, Paracelsus, Franck. Eingeleitet und mit erklärenden
Anmerkungen hrsg. Berlin i Akademie-Verlag 1968.
XXXVI, 289 S. 8" = Philosophische Studientexte. Lw. M 18.—.
In dem für unsere Gegenwart entscheidenden Bemühen, den
Frieden in der Welt zu erhalten und die geistigen Grundlagen dafür
zu erarbeiten bzw. immer neu aufzuspüren, versteht der Hrsg.
seine Arbeit. Er will durch die Edition Schriften Francks, Erasmus'
und Paracelsus', die in ihrer Zeit progressive Ansätze zur Friedensidee
verlautbarten, einer breiteren Leserschaft im Rahmen philosophischer
Studientexte zugänglich machen.

Den größten Raum der Ausgabe nimmt der Abdruck des
„Kriegbüchlin des Friedes" (1539) Sebastian Francks ein (S. 63—
278). Wollgast zieht K. v. Raumers Arbeit „Ewiger Friede" (S. XXX)
zwar zum Vergleich heran, hält jedoch eine „faktische Neuübersetzung
" für erforderlich, die auf Grund zweier Ausgaben des „Kriegbüchlin
" aus den Jahren 1539 und 1550 erfolgt (S. XXXI). Der Hrsg.
bedient sich für die abgedruckten Partien der Übersetzung Gerhard
Müllers, der in einer einschlägigen Arbeit (Phil. Diss. Münster 1954)
das „Krieg-Büchlin" im Rahmen des Friedensgedankens im Reformationszeitalter
untersuchte. Auch der Anmerkungsapparat enthält
vieles aus der Publikation Müllers. Die Übertragung aus dem Frühneuhochdeutschen
berücksichtigt zwar „die Eigenart der Franck-
schen Sprache", sieht aber zugunsten einer leichteren Verständlichkeit
des Textes von wissenschaftlichen Editionsgrundsätzen ab. So
sind etwa „heute nicht mehr geläufige(n) Wortbildungen durch modernere
ersetzt". Auch sind Orthographie und Zeichensetzung heutiger
Praxis angeglichen. Die Marginalien Francks in seinem
„Kriegbüchlein" sind ganz ausgelassen. „Es wurde fast durchgängig
versucht, von Franck herangezogene direkte und indirekte
Zitate in den Fußnoten zu belegen. Ebenso wurde zumeist eine
Erklärung der von Franck erwähnten Gestalten und Ereignisse in
Geschichte und Sage beigegeben. Die starke Durchsetzung der
Franckschen Arbeit mit biblischem Sprachgut machte es unmöglich,
die jeweiligen Stellen immer auch explizit zu belegen" (S. XXXII).
Warum der Hrsg. die überaus häufigen Bibelzitationen bei Franck
mit der Übersetzung Menges und nicht mit Übersetzungen, die bis
in die Reformationszeit zurückreichen, vergleicht, würde man gern
erfahren. Auskünfte darüber, welche Bibelausgaben Franck selbst
benutzt hat, fehlen.

Den zweitgrößten Raum in der Ausgabe Wollgasts nimmt die
oft übersetzte „Querela pacis undique gentium eiactae profliga-
taeque" (1517) des Erasmus von Rotterdam ein (S. 1—54). Der Abdruck
erfolgt „hier im wesentlichen nach dem von Kurt von Raumer
gegebenen Text .Ewiger Friede'", der eine Übersetzung Werner
Hahlwegs enthält. Letztere wurde nochmals mit dem Text der
immer noch klassischen Erasmus-Ausgabe von Leclerc (nicht Ledere
, wie S. XXIX zu lesen ist) verglichen. Sofern Wollgast nicht
auf den v. Raumerschcn Fußnotenapparat zurückgreift, benutzt er
Angaben aus den Übersetzungen der Querela pacis (Klage des
Friedens) von Rudolf Lichtenhan (1934) und Arthur von Arx (1945).

Ein unverhältnismäßig kleines, aber eindrückliches Stück
druckt Wollgast aus Paracelsus ab (S. 57—62), so daß man fragen
kann, ob es gerechtfertigt ist, im Untertitel des ganzen Buches,
Erasmus, Paracelsus und Franck in dieser Reihenfolge ohne weiteres
unkritisch so nebeneinanderzusetzen. Das um 1533 zu datierende
Auswahlstück ist hier gegeben unter der Überschrift: „Der
Krieg als Sünde, insbesondere der weltanschauliche Krieg". Es mag
schwerfallen, die christologisch außerordentlich zentrierte Paracel-
susstelle im Fragefeld des Weltanschaulichen vorfinden zu sollen.
Sie ist der „Auslegung über die zehen Gebott Gottes" entnommen.
Der Ausgabe liegt die Paracelsus-Edition von Kurt Goldammer
(1952), Sozialethische und sozialpolitische Schriften. Aus dem theologisch
-religionsphilosophischen Werk ausgewählt etc., zu Grunde.
Der frühneuhochdeutsche Text ist der modernen Sprache angepaßt,
die von Goldammer „gegebenen Fußnoten wurden im wesentlichen
übernommen" (S. XXX).

Wollgast gibt seiner Ausgabe eine ausführliche Einleitung (S.
VII—XXXVI) bei, in der er nicht allein die einleitungswissenschaftlichen
und bibliographischen Fragen, die die drei abgedruckten
Schriften angehen, darlegt. Er äußert sich außerdem generell von
seiner eingangs erwähnten Zielsetzung her zum Friedensgedanken
in der Reformationszeit und greift auch auf andere Epochen der
Geschichte (in bezug auf seine Thematik) über. Eine Reihe bisher
veröffentlichter Studien zur Friedensidee in der Reformationszeit
werden kritisch erwähnt (G. Müller, I. Thürlemann, E. Constanti-
nescu-Bagdat, R. Kommoß u. a.); auf die Explizierung der Gegenposition
unter Heranziehung der einschlägigen Quellen wird im
vorliegenden Rahmen allerdings verzichtet. Die Beurteilung von
Äußerungen der Reformatoren zum Friedensgedanken erfolgt
nach den Kriterien des marxistischen Geschichtsbildes. Dazu Erarbeitetes
wird herangezogen. Einen neuen Forschungsbeitrag in
dieser Frage wollte der Hrsg. offenbar auch nicht bieten; sein Anliegen
für die Weiterarbeit gibt er gegen Ende der Einleitung folgendermaßen
wieder: „Möge die vorliegende Textausgabe dazu