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Ausgabe:

1970

Spalte:

437-439

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Die Reformation im zeitgenössischen Dialog 1970

Rezensent:

Junghans, Helmar

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

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gen" (S. X). Dabei legt er sein »besonderes Augenmerk" gerade
auf die „nur durch historiographische Quellen bezeugten Ereignisse
der Papstgeschichte" und berücksichtigt „nicht bloß die zeitgenössischen
Nachrichten und die Aussagen der den Geschehnissen
zeitlich wenigstens einigermaßen nahestehenden Quellen", da ein
Regestenwerk nach ihm „nicht nur über die Ereignisse informieren
" soll, „sondern auch darüber, wer von ihnen berichtet". Erst
für das Spätmittelalter hat sich Z. auf eine Auswahl beschränkt
(S. XI).

Diese Zielstellung hat sich auch weitgehend auf die Textgestaltung
ausgewirkt. Der Inhalt der Quelle wird jeweils in
seinem sachlichen Gehalt wiedergegeben, wobei Z. bewußt auf
längere Zitate verzichtet und aus historiographischen Quellen
nur das im Originalwortlaut gibt, „was zum Verständnis des
deutschen Regestes unbedingt nötig ist oder Gegenstand besonderer
Überlegungen und Erklärungen im Kommentar war", und aus
Urkunden in der Regel nur „Adresse, Initium und Datierung sowie
Ortsangaben, etwa aus den jeweils verkürzt wiedergegebenen Besitzlisten
, sowie schließlich jene Formeln der Dispositio, die sich
auf das Papsttum beziehen" (S. X). Es folgt ein Überblick über die
Überlieferung, aufgeschlüsselt nach Original, Kopie, Druck, Erwähnung
, Regest und Literatur. Dem schließt sich im Kleindruck
ein historischer Kommentar an, in dem die chronologische Einordnung
begründet und zur bisherigen Interpretation Stellung genommen
wird. Obwohl Z. dabei weithin bewußt auf eine Klärung
der vielen historisch-kritischen Einzelfragen verzichtet (vgl. S. XII),
werden die Kommentare vielfach zu kleinen Spezialuntersuchungen
, in denen in meisterhafter Kürze die historische Problematik
des Quellenstückes erörtert wird, ohne daß deshalb die Übersichtlichkeit
im ganzen leidet.

So erfüllt diese Ausgabe in vorbildlicher Weise den eigentlichen
Zweck eines Regestenwerkes, den Benutzer sachgemäß und
in Kürze über den Inhalt, die Überlieferung und die historische
Problematik der Urkunden und historiographischen Nachrichten
sowie über die dazu jeweils erschienene Literatur zu informieren.
Gerade der Kirchenhistoriker wird es dankbar begrüßen, durch
diese Veröffentlichung sachkundig und in imponierender Vollständigkeit
in die Quellenlage dieses zu Unrecht als saeculum ob-
scurum vielfach umgangenen Jahrhunderts der Papstgeschichte
eingeführt zu werden. Welche interessanten Aspekte sich dabei ergeben
, zeigen die Untersuchungen Z.s selbst, die vielfach aus Vorarbeiten
zu diesem Regestenwerk entstanden sind1. So verbindet
sich mit dem Dank für die ungewöhnliche Leistung und die entsagungsvolle
Kärrnerarbeit der Wunsch, daß Z. seine geplante
Edition der Papsturkunden und seine in Vorbereitung befindliche
Darstellung der Papstgeschichte dieser Zeit abschließen kann und
damit sein Werk in dem von ihm erhofften Sinne zu krönen vermag
(vgl. S. XII). L. Santifaller aber gebührt dafür Dank, daß er
dieses wichtige Quellenmaterial zur kirchlichen und politischen
Geschichte Deutschlands in die RI aufgenommen hat. Die angekündigte
Fortsetzung dieses Unternehmens (vgl. S. VII) wird sicherlich
nicht nur von der kirchengeschichtlichen Forschung außerordentlich
begrüßt werden.

Halle/Saale Friedrich de Boor

1 Vgl. Zimmermann, H., Der Streit um das Lütticher Bistum vom Jahr 920/921.
In: MIOG 65. 1957 S. 15-52; ders., Ottonische Studien I u. II. In: MIOG Erg.Bd. 20,
1962 S. 122—190: ders., Parteiungen und Papstwahlen in Rom zur Zeit Kaiser
Ottos des Großen. In: Rom. Hist. Mitteilungen 8-9, 1966 S, 29-88; ders., Papstabsetzungen
des Mittelalters. Wien-Köln-Graz: Böhlau 1968.

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Lenk, Werner: Die Reformation im zeitgenössischen Dialog. 12

Texte aus den Jahren 1520 bis 1525, bearb. u. eingeleitet. Berlin:
Akademie-Verlag 1968. 304 S. 8° = Deutsche Bibliothek. Studienausgaben
zur neueren deutschen Literatur, hrsg. von der Deutschen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Inst. f. deutsche
Sprache u. Literatur, durch H.-G. Thalheim u. H. W. Seiffert. Kart.
M 12.50.

Die vorliegende Sammlung von zwölf Dialogen eröffnet die
„Deutsche Bibliothek", die vom Institut für deutsche Sprache und
Literatur an der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin

herausgegeben wird. Durch diese Reihe sollen vor allem für das
Studium an Universitäten, Pädagogischen Hochschulen und Instituten
Texte zur Verfügung gestellt werden. Es muß also gefragt
werden, wie gut sich die Ausgabe eignet, an die selbständige Arbeit
mit den Originalen der frühneuhochdeutschen Literatur heranzuführen
.

Die ausgewählten Dialoge sind zwischen 1521 und 1525 erschienen
und in ihrer frühneuhochdeutschen Fassung abgedruckt
worden. Eine Sonderstellung nehmen das erste und das letzte Stück
ein. Am Anfang steht der Dialog „Die Anschauenden", den Ulrich
von Hutten zunächst in lateinischer Sprache abgefaßt hatte. Er
wurde als Beispiel für den humanistischen Dialog aufgenommen.
Obgleich er sich mit dem Reichstag in Augsburg 1518 befaßt,
geht er weder auf Luther noch dessen Sache ein. Am Ende befindet
sich das Fastnachtsspiel „Der Ablaßkrämer", das verdeutlichen
soll, wie man es in der Schweiz verstand, Probleme der
Reformation durch Fastnachtsspiele zu verbreiten. Bei einer
Sammlung für Studienzwecke wird man auf bekannte Dialoge
nicht verzichten können. Trotzdem hätte sich auch die Möglichkeit
wahrnehmen lassen, wenigstens einen Dialog neu bekanntzumachen
, der weder von Oskar Schade 1863 noch anderen nach ihm
veröffentlicht wurde.

Die „Deutsche Bibliothek" will ihre Bände nach dem „neuesten
Stand der Editionstechnik" gestalten, was in der Tat der Fall ist.
Nur darf keiner leichtfertig denken, diese Editionstechnik nehme
besondere Rücksicht auf den Leser; sie versucht vielmehr, die
Herstellung zu vereinfachen.

Sehen wir uns zunächst den Text an. Die Abkürzungen der
Vorlagen wurden aufgelöst. Das bedeutet ohne Zweifel eine wesentliche
Vereinfachung für den Satz, die angesichts der technischen
Druckeinrichtungen nur selten zu vermeiden sein wird. Es
ging dadurch aber auch die Möglichkeit verloren, mit Hilfe dieses
Textes in die Abkürzungstechnik des 16. Jh.s einzuführen. Die
Marginalien wurden weggelassen, wodurch der Verlag zwar einen
schwierigen Umbruch sparte, der Leser aber nun auf eine Art
Zwischenüberschriften verzichten muß. Vielleicht könnten die
Marginalien in den Text eingezogen und durch eine andere Schrift
abgesetzt werden. Es wurde auch darauf verzichtet, die Seitenzählung
der Originale einzufügen. Diese wäre aber für das Auffinden
von Zitaten aus älterer Literatur sehr hilfreich gewesen,
ja man hätte sogar die Seitenzählung der Ausgaben von Schade,
Clemen und Berger hinzufügen können. Der Text ist in lateinischer
Schrift gedruckt worden, obgleich die Vorlagen deutsche haben.
Nun wird es sich bei der Ausgabe von Werken des 16. Jh.s nicht
immer umgehen lassen, sie in der heutigen gebräuchlichen Schrift
zu bringen, sowohl um den Satz zu vereinfachen als auch den
Lesern den Zugang zum Inhalt zu erleichtern. Von einem Text für
Studienzwecke muß man aber doch erwarten, daß er auch in das
originale Schriftbild einzuführen vermag.

Darüber hinaus hat der Hrsg. den Text, wenn auch nur wenig,
unseren heutigen Gewohnheiten angepaßt. Die Schreibung von
„was" und „das" wurde vereinheitlicht, „u" in „v" verwandelt,
wenn es für ein „v" stand, die Interpunktion und die damit verbundene
Großschreibung verändert. Damit gingen nicht nur einige
Eigenheiten der frühneuhochdeutschen Vorlagen verloren, sondern
es wurden auch Ausdrucksmittel der Originale umgestaltet. Im
16. Jh. hatte man zwar auch schon die Übung, einen Satz durch
einen Punkt zu beenden und den nächsten mit Großschreibung zu
beginnen. Doch man verwandte die Großschreibung auch, um ein
Wort hervorzuheben, zu betonen. Nach Ansicht mancher Germanisten
beruht auch unsere Großschreibung darauf, daß das großgeschriebene
Hauptwort in der Regel beim Lesen den Hauptton
erhalten soll. Dieses frühneuhochdeutsche Verständnis der Großschreibung
erklärt auch, warum dem Leser relativ häufig das Wort
„sondern" großgeschrieben begegnet. Es scheint aber, als sei sogar
der Punkt vor einer Großschreibung verwendet worden, das nachfolgende
Wort hervorzuheben (vgl. hierzu Luther WA 18, 149, 3—
15). Es ist deutlich, daß unter diesen Umständen ein Eingriff in
die Interpunktion und Großschreibung der Vorlage die Möglichkeit
zerstören muß, die Schrift entsprechend ihrer eigenen Intention
zu lesen; denn der Leser hat keine Kontrolle, welche Wörter nach
unseren und welche nach den damaligen Gewohnheiten großgeschrieben
sind. Der Hrsg. hat nämlich auf jeden textkritischen
Apparat verzichtet und damit auch zur Vereinfachung der Herstel-