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Ausgabe:

1970

Spalte:

21-23

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bič, Miloš

Titel/Untertitel:

Das Buch Amos 1970

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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2]

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 1

22

(Gen.9,8-17; 17,9-14; Ex.31,12-17; Num. 17,1-5) und ist ebenso
wie die etymologischen Formeln charakterisiert durch „only
a minimal narrative setting" (S.71 zu Gen.l7,9ff.). Zu einem
ganz ähnlichen Ergebnis gelangt die Analyse der (deutero-
nomistischen) Ätiologien im Schema von Frage und Antwort. Es
verbleiben schließlich noch die Ätiologien, in denen mit 'al ken
oder läken eingeleitete Formeln „sometking other than ety-
mology" (S.89) begründen (Gen. 10,9; 1. Sam. 10,10-12 u.ö.).
Auch hier ist das zur Formel gehörige Erzählungsmaterial nicht
mehr als „anecdotal in length" (8.93).

Bei der Beurteilung dieses Ergebnisses ist zu beachten, daß L.
der Frage nach den Kennzeichen für eine ätiologische Erzählung-
unter der ausdrücklichen Beschränkung allein auf formkritisch
zu ermittelnde formelhafte Merkmale nachgeht2. So
stellt er auch die Frage nach anderen sicheren Kriterien für ätiologische
Traditionen, die nicht durch „clear formula or inferen-
tial structure" als ätiologisch ausgewiesen sind, der zukünftigen
Forschung auf diesem Gebiet anheim (S.94), wenn er auch die erfolgreiche
Lösung dieser Aufgabe für schwieriger hält, als sie es
in Wirklichkeit ist. Jedenfalls hat L., seinem Anliegen gemäß, in
der Hauptsache wohlbegründet dargelegt, daß an ätiologischen
Formeln in der Regel nur kleine erzählende Einheiten gebunden
sind. Es ist dabei nicht sehr wesentlich, ob man dem Vf. in allen
Einzelheiten folgen kann, oder ob man doch in manchen Fällen
etwas umfangreichere Erzählungselemente ursprünglich mit den
ätiologischen Formeln verbunden sehen möchte.

Vielleicht wird dieser oder jener Leser den Eindruck haben,
daß L.s Argumentation an Überzeugungskraft gewonnen hätte,
wenn er das Material nicht durch das Sieb einer formkritischen
Analyse gepreßt vorlegen würde. Die entscheidenden Beobachtungen
für die Abgrenzung der ätiologischen Belege kommen
in der Tat schließlich doch aus literar- oder traditionskritischen
Erwägungen. Eine Anordnung des Materials nach sachlichen Gesichtspunkten
(topographische, kultische, geschichtliche, naturkundliche
Ätiologien usw.) wäre nicht nur übersichtlicher gewesen
, sondern hätte wahrscheinlich auch zu gewichtigeren Ergebnissen
führen können. Auch wären dann so wichtige Belege
wie Jos.8,28f. und 9,27 nicht übergangen worden.

Berlin Karl-Heinz Bernhard!

1 Vgl. J.Bright, Early Israel in Recent History Writing, 1956;
M.Noth, Der Beitrag der Archäologie zur Geschichte Israels, SVT VI,
1960 S.278H.

2 Dies hängt in gewissem Maße mit seinem Ausgangspunkt zusammen
, der in der kritischen Auseinandersetzung mit M.Noths
Äußerung, daß für dio Identifizierung ätiologischer Erzählungen „die
Formel ,bis zum heutigen Tage'... eine Art Leitmotiv" abgibt (a.a.O.,
S.279), zu sehen ist (vgl. S.2). Die wesentlich wichtigeren inhaltlichen
Kriterien, die für dio Erkennung der ätiologischen Tendenz einer
Überlieferung maßgebend sind, werden deshalb von L. nur am Rande
borührt (vgl. S.88f. zu H. Gunkels Ätiologie-Verständnis).

Biö, Milos: Das Buch Arnos. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1969]. 206 S. 8°. M 9,80.

Das ist nach der Kommentierung von Joel (1960; vgl. die
Rezension von M.Weise in ThLZ 88, 1963, 588f.) und Sacharja
(1962; vgl. die Rezension von H.W. Hertzberg in ThLZ 89,1964,
747f.) nun schon das dritte Prophetenbuch, dessen Auslegung
der Prager Alttestamentier außerhalb einer Kommentar- oder
Monographien-Reihe in der Evangelischen Verlagsanstalt vorlegt
. Das Manuskript wurde bereits im Juli 1965 abgeschlossen
(S.199), weswegen die neuere Literatur zu Arnos nicht mehr berücksichtigt
werden konnte. Im Aufbau gleicht diese Publikation
den vorangegangenen. Nach einer Einleitung (S.5-14: § 1
Inhalt; §2 Problematik; §3 Entstehuugszeit) steht die Texterklärung
(S. 15-193), wobei gegliedert wird in .Überschrift',
,Sprüche' (1,2-6,14), .Visionen' (7,1-9,4) und .abschließende
Heilsweissagung' (9,11-15). Zum Abschluß gebracht wird der
Textteil durch .Schlußbemerkungen' (S. 194-199), in denen der
Vf. noch einmal auf ein paar Themen zu sprechen kommt, die
ihm besonders wichtig zu sein scheinen, wie u.a. auf Arnos als
Kultdiener und Liturgiker am Heiligtum von Thekoa; auf Arno

als Monotheisten und Reformator. Es folgen ein Verzeichnis von
Literatur in Auswahl (S. 200-204), eine Liste von Abkürzungen
und das Inhaltsverzeichnis.

Den schnellsten Zugang zu dem Gesamtverständnis des Propheten
, das B. in seinem Buch entfaltet, findet der Leser über
die Einleitung und die Schlußbemerkungen. Arnos ist für B. der
älteste Schriftprophet, an den Hosea unmittelbar anknüpft
(S. 5.6.199). Leider erfährt der Leser über die engen Beziehungen
zwischen Arnos und Hosea nichts Näheres. Der Prophet ist zwischen
760 und 750 v.Chr. wahrscheinlich nur für kurze Zeit in
Bethel aufgetreten (S. 14). Sorgsam zu unterscheiden von der Zeit
seiner Wirksamkeit ist die Zeit der schriftlichen Fixierung des
Buches, das in seiner vorliegenden Gestalt einem Schüler zu
verdanken ist (S. 5). Ein Kern des Buches ist aber - so meint B. -
sicher auf den Propheten selbst zurückzuführen, eine Niederschrift
davon wird im Tempel von Thekoa bewahrt worden sein
(S.10). Abgesehen davon muß aber auch mit einer langen mündlichen
Amostradition gerechnet werden, die erst in der exilisch-
nachexilischen Zeit zum Abschluß gekommen ist (S.5). B. verzichtet
darauf, primäre von sekundären Stücken zu unterscheiden
, er ist freilich mit einigen Skandinaviern, insbesondere mit
Engnell, prinzipiell skeptisch gegenüber den Möglichkeiten,
hinter die authentischen Worte des Propheten zu kommen. Für
ihn ist das auch weder wichtig noch notwendig (S. 11). „Das
Buch Arnos spricht uns heute eben in seiner jetzigen Form, der
Schlußform, an". ,Die Autorität ist eben nicht von der Feststellbarkeit
des Verfassers abhängig' (ebd.). Merkwürdig mutet
nach dieser Grundsatzerklärung das Plädoyer für die Echtheit
der Heilsweissagungen an, das er gegen Wellhausen1 und im
Grunde genommen ja gegen die Mehrzahl der neueren Exegeten
mit Hilfe von einigen Passagen bei Sellin und Maag zu führen
sucht (S.llf.; vgl. S.187ff.). .Verdammung ist nie das letzte
Wort des Herrn'. „DasBuch Arnos konnte nicht anders schließen
[seil, als mit Heil ankündigenden Worten] und also auch wahrscheinlich
die Botschaft des Propheten nicht" (S. 12/13). Und
wenn sie Arnos nicht mehr gesprochen haben sollte, „dann
mußte sie ein anderer aussprechen, aber ob dieser oder jener -
niemand wird es mit Gewißheit feststellen können - beide jedenfalls
im Auftrag und Dienst ihres Gottes" (S. 13). So wenig Bedeutung
die historisch-kritische Arbeit am Text für B. auch zu
haben scheint, so bemerkenswert ist sein Interesse daran, möglichst
alles im masoretischen Text Überlieferte, mit Einschluß
der Doxologien und aller Sprüche des Völkergedichtes (vgl.
S.30ff.), Arnos zuzuerkennen. Der Leser wird natürlich unsicher
und fragt sich, was das für ein .Arnos' ist, mit dem er es hier
nun zu tun bekommt. Einen relativ breiten Raum nehmen dann
wieder die Nachweisungen B.s zur Person des Propheten ein
(S.7ff.; 15ff.; 151 ff.), freilich - wie es scheint - mit dem Zweck,
die bereits 1951 ausgesprochene These zu erhärten, daß der
nöqed Arnos (1,1; zu vgl. mit 7,14) Tempelfunktionär, speziell
Leberbeschauer, am Heiligtum zu Thekoa gewesen ist.8 Dabei
müssen u.a. auch Wortgewalt und -mächtigkeit des Propheten
zum Beweis dienen, weil sie einem Tempeibeaniten besser anstehen
als einem Viehzüchter und Hirten. Aber darf man das
dann aus den Texten schließen, wenn sie doch nicht mehr verba
ipsissima des Propheten enthalten? (S.9). Nun, es zeigen sich in
diesen diffizilen Fragen Spannungen und Unsicherheiten, aus
denen der Leser gern herauskommen würde.

Der Fachmann hat darüber hinaus noch eine ganze Reihe von
Fragen, oft zu Kleinigkeiten nur, wie beispielsweise zur Interpretation
des hajah in 1,1 (S.21), aber auch zur Auslegung
ganzer Abschnitte, wie des umstrittenen Passus 7,10-17
(S. 151 ff.), oder zu dem wiederholt erwähnten .Heiligtum von
Thekoa', bei dem für B. nur dessen Beziehungen zum Jerusalemer
Tempel dunkel sind (S. 10), und zu verschiedenem
anderen mehr. Es kann auf solche Fragen in diesem Rahmen nur
hingedeutet werden.

Äuch dieser Auslegung ist ein von seelsorgerlicher Wärme getragener
homiletischer Ernst zu eigen, der schon die oben ge-
uannten früher publizierten Kommentierungen von Propheten
auszeichnete. B. bemüht sich dabei, über die bloß wissenschaftliche
Exegese hinauszukommen. Daß gelegentlich die Linien
behutsam bis in das Neue Testament hinein ausgezogen werden,
läßt erkennen, wieviel dem Verfasser an der Zusammenschau