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Ausgabe:

1970

Spalte:

434-435

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Minear, Paul Sevier

Titel/Untertitel:

I saw a new earth 1970

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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433

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

434

Nun ist sich N. offenbar der Dürftigkeit dieses Verständnisses
bewußt, und so bemüht er sich um eine theologische Beantwortung
der Frage nach dem Sinn des Wirkens Jesu, die dem „psychologisch
unverrechenbaren Rest" (S. 83) gilt (S. 85—88). Danach ist Jesus
einmal das „Symbol für den Menschen, der bei der Sinnverwirklichung
scheitert, und doch am Sinn seiner selbst festhalten darf,
weil er darauf vertraut, daß Gott ihn akzeptiert" (S. 86). Weiter
darf durch Jesus „der Mensch wissen, daß ihn" nichts „von seinem
eigentlichen Sein trennen kann, das in Gott selbst aufgehoben ist"
(S. 86). Das nennt er — mir nicht recht verständlich — „die Erfahrung
dessen, daß Gottes Geist selbst in unserem Geist gegenwärtig
ist über alle Erfahrung hinaus" (S. 87). Schließlich ist Jesus zum
Bürgen für die Hoffnung auf die Aufhebung der Entfremdung geworden
. Darin sieht er den letzten, den theologischen Sinn des
eschatologischen Mythos, der die illusionären und archetypischen
Momente gleichzeitig möglich macht und transzendiert.

Das Bändchen ist meist leserlich geschrieben; die Konsequenz,
mit der es seinen Ansatz durchhält, ist respektabel. Seinen größten
Mangel sehe ich in einer Tendenz zur Abstraktion, die eine unmittelbare
Folge dieses Ansatzes ist.

Mainz Ehrhard Kamiah

Schnackenburg, Rudolf: Christian Existence in the New Testament,

I. Transl. by F. Wieck. Notre Dame, Indiana USA: University of
Notre Dame Press 1968. VIII, 233 S. 8°. Lw. $ 6.95 (66 s.).

R. Schnackenburg, der bekannte römisch-katholische Ordinarius
für Neues Testament in Würzburg, hat 1967 und 1968 im
Kösel-Verlag München zwei Bände von zumeist andernorts schon
erschienenen Abhandlungen und Vorträgen unter dem Titel „Christliche
Existenz nach dem Neuen Testament" vorgelegt. Der erste
Band kam in amerikanischer Übersetzung 1968 heraus. Die durch
Überarbeitung in den Buchzusammenhang gepaßten Beiträge tragen
folgende Kapitelüberschriften: I. Man before God — Man's
Image in the Bible, II. The penitential Sermon in the New Testament
, III. The Meaning of Faith in the Bible, IV. The Imitation of
Christ, V. The Sermon of the Mount and modern Man, VI. Christian
Perfection according to Matthew, VII. (bisher unveröffentlicht)
The Concept of the World in the New Testament.

Trotz der Zusammenarbeitung ist nicht ein Buch aus einem
Guß entstanden, sondern stehen die Beiträge weiterhin einzeln
nebeneinander. So findet jeder Beitrag auch seine eigene Entfaltung
. Dabei ergeben sich Überschneidungen und Parallelen vor
allem in methodischer Hinsicht. Zu jedem Beitrag gehört eine
kürzere Einleitung, eine Einstimmung in die Thematik, ein Vorspann
gewissermaßen. Hier wird die Aktualität des jeweiligen
Themas behauptet. Es wird darauf hingewiesen, daß in den tradierten
Antworten — wir würden sagen, in der Gemeindefrömmigkeit
und -Theologie — die Aktualität häufig verfehlt wird. Manche
der Themen erschienen deshalb auf den ersten Blick als antiquiert.
Andere, die sich als modern erwiesen, fänden eine nur unzureichende
und unbefriedigende Beantwortung. Andere wieder müßten
eigentlich erst ins Bewußtsein gehoben werden, weil sie die Not
heutiger Menschen, heutiger Zeit signalisierten und leider verdrängt
würden. Schn.s Lösungsangebot besteht nun im Verweis auf
die Bibel. Dort seien die fälligen Antworten zu finden. Es gelte
nur, die streckenweise zeitbedingte und für uns deshalb schwer
verständliche („obscure") Sprache (etwa der Apokalypse) zu ergründen
(66). Die Ursache dafür, die unveränderte Dimension des
Menschlichen — trotz veränderter sozialer und ökonomischer Strukturen
und weit geringerer Komplexität der Lebensbedingungen (1)
heute besser denn je zu verstehen, läge daran, daß sich semitisches
Denken (hier folgt der Autor Thorleif Boman) modernem Selbst-
und Existenzverständnis annähere (2), besonders der Ganzheitskonzeption
und dem Sinn für seine „Geschichtlichkeit". Der heutige
Mensch sei wieder ehrlicher geworden; trotzdem wäre es ein
Fehler, unsere Zeit — etwa dank ihrer sozialen Errungenschaften —
für besser als die vor dem ersten Weltkrieg zu halten, die die Ausbeutung
von Arbeitern durch angeblich christliche Unternehmer
gekannt habe (128).

Der Rückgriff auf Exegese protestantischer Autoren findet in
großem Umfang, im allgemeinen ohne Vorurteil statt, auch wenn
Sehn, die Auffassung nicht weniger protestantischer Exegeten

(ebenso wie die von heutigen jüdischen Gelehrten) von der Bergpredigt
unter die unzureichenden Antworten einreiht (133) und
zu Bultmanns Jesus-Büchlein bemerkt, daß dessen moderne Existenztheologie
kaum die Gedanken Jesu reflektieren dürfe (136).

Schnackenburgs Buch gibt der römisch-katholischen Öffentlichkeit
in den USA Kenntnis von solider biblisch-neutestament-
licher exegetischer Bemühung in Kontinental-Europa. Das ist gewiß
begrüßenswert. Ob die Publikation in den Vereinigten Staaten
indes dazu angetan ist, in die dortige gesellschaftliche Problematik
und in deren Widerspiegelung im derzeitigen theologischen Denken
hilfreich einzugreifen, darf füglich bezweifelt werden. Sie ist
nicht mehr als eine Information von der ruhigen Möglichkeit theologischer
tiefgründiger Arbeit auf einem seit Ausgang des zweiten
Weltkrieges in relativem Frieden lebenden Kontinent und so wahrscheinlich
wenig geeignet, in die von sozialen und rassischen Krisen
und dem Vietnamkrieg geschüttelte Gesellschaft Amerikas ein
evangelisches Wort der Weisung, der Hilfe und des Trostes zu
rufen.

Berlin Gerhard Bassarak

Minear, Paul S.: I Saw a New Earth. An Introduction to the Visions
of the Apocalypse. Foreword by M. M. Bourke. Washington-
Cleveland: Corpus Books (1968). XXVI, 385 S., 6 Taf. 8°. Lw.
$ 10.-.

M., Professor für Biblische Theologie an der Yale-Universität
und langjähriger Direktor der Abteilung ,Faith and Order' in der
Verwaltung des Weltrates der Kirchen, legt nach seinen Büchern:
Images of the Church in the New Testament (1960) und einem
Markus-Kommentar (1962) nun ein Werk zum hermeneutischen
Verständnis der Apk vor. Das für methodisches Bibelstudium sehr
geschickt angelegte Werk gliedert der Vf. in drei Teile.

Teil Ii a) Literarkritische und exegetische Analysen, die zu
sorgfältigem und beharrlichem Hören auf die Botschaft des Joh
damals an einen begrenzten Hörerkreis in einer speziellen
Situation führen wollen. — b) ,Fragen zur Besinnung und Diskussion
' bringen methodisch hervorragend formulierte Arbeits- und
Denkimpulse zur hermeneutischen und systematischen Vertiefung.
— c) Im Abschnitt ,Für weitere Studien' finden sich sorgfältige
Quellen- und Literaturangaben zu Spezialproblemen der jeweils
besprochenen Abschnitte der Apk, wobei die bisherigen Ergebnisse
der historisch-kritischen Forschung, der Religions- und Traditionsgeschichte
als bekannt vorausgesetzt werden. Andere Kommentatoren
werden nur dort — dann aber durchaus sachlich und unpolemisch
— referiert, wo der Vf. neue Lösungsversuche erläutert.

Teil II: In 7 Abschnitten werden theologische Probleme der
Apk behandelt, wobei funktional-pragmatisch von Fragen ausgegangen
wird, die Studenten in Seminaren zum jeweiligen Fragenkomplex
gestellt haben: Ist in den bizarren Visionen noch Evangelium
für den modernen Menschen zu vernehmen? Ist die Apk nicht
allzusehr von der Erwartung der Vernichtung der Verfolger der
ersten Christenheit bestimmt? Fällt die Hoffnung auf einen rächenden
Gott nicht heute auf die Christenheit selbst zurück? Sind Weltuntergangstheorien
nicht seit langem in Mißkredit geraten?

Teil III: Ausführliche Paraphrase mit zahlreichen biblischen
Belegstellen, Hinweisen auf Monographien und ein umfangreiches
Literaturverzeichnis, die den Leser dazu führen sollen, die in Teil I
und II durch Exegese, Meditation und theol. Besinnung erarbeiteten
theologischen Erkenntnisse noch einmal am Text zu überprüfen
.

M. bezieht die Plagen nicht als Strafandrohung auf die äußeren
Feinde der Gemeinde, sondern sieht in ihnen eine prophetische
Warnung vor den inneren Feinden der Christenheit und Gerichtsandrohung
gegen glaubenslose .Könige, Potentaten, Generäle, Millionäre
und Bosse', die sich Christen nennen. Sie sind die eigentlichen
Verderber der Kirche. Die Sünde Babylons besteht in der
Blasphemie einer glaubenslosen Kirche, sich Gottesvolk zu nennen
(zu 18, 4). Die Plagen werden so mehr zu einer Prüfung für die
Kirche als zu einer Strafe gegen äußere Verfolger. Joh gebraucht
zwar in seinen prophetischen Äußerungen die rhetorischen Mittel
seiner Zeit inkl. apokalyptischer Zukunftsvisionen. Aber er will
keine Geschichts- oder Zukunftsvisionen bieten, sondern die Gemeinden
zu einer Änderung ihres gegenwärtigen Verhaltens brin-