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Ausgabe:

1970

Spalte:

429-431

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bligh, John

Titel/Untertitel:

Galatians 1970

Rezensent:

Delling, Gerhard

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429

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

430

C. ist es gelungen, eine theologisch gut fundierte Geschichte
des Urchristentums zu schreiben, die sich im Nachzeichnen des
Gangs der Geschichte um das Verstehen bemüht. Die dabei angewandte
Methode, durch Befragung der Geschichtsbilder auf das
diesen zugrunde liegende Selbstverständnis der Kirche vorzustoßen
, dürfte sich als fruchtbar erwiesen haben.

Kritisch ist anzufragen, ob das Verhältnis zwischen Jerusalemer
Urgemeinde und hellenistischer Kirche nicht spannungsgeladener
war, als es C. darstellt, ob zur Taufe in der Urgemeinde
wirklich „das positive Bekenntnis des Glaubens an Jesus" und die
Handauflegung gehörten (S. 36), ob nicht bei der Behandlung von
Mk 8, 27 ff. (S. 131) die Thesen Dinklers und Hahns zumindest erwähnt
werden sollten, ob die Rolle des Joseph Barnabas nicht überbewertet
ist, ob die verschiedenen, im Neuen Testament bekämpften
Irrlehrer nicht eine genauere Darlegung verdient hätten und ob der
Sachkritik nicht mehr Recht eingeräumt werden müßte.

Berlin Günther Baumbach

Bligh, John: Galatians. A Discussion of St Paul's Epistle. London:

St. Paul Publications 1969. XIV, 544 S. m. 1 Kte i. Text gr. 8° =

Householder Commentaries, 1. Lw. 90 s.
— Study-Guide to Galatians. London: St. Paul Publication [1969].

II, 29 S. m. 1 Kte gr. 8°.

Der Kommentar gibt eine teils gekürzte, teils ergänzte Vorlesung
wieder1. Von daher erklären sich unter anderem- die Breite
der Gedankenführung und die pädagogische Anlage des Buches. Zu
jedem Teilabschnitt werden Fragen formuliert, die als Überschriften
für die Darlegungen dienen3.

Zu Gal 1,1 wird etwa gefragt: Did St Paul think of himself
as a new Joseph? (Anlaß für die Frage ist die Interpretation von
Gen 50,19 bei Philon, migr. Abr. 22.) Dafür spricht unter anderem
die Fürsorge beider für ihre hungernden Brüder, usw. (59f.). Solche
Assoziationen begegnen auch sonst. Einen Vergleich mit Mose legt
2 Kor 11, 33 nahe, s. Ex 2, 3—5 (Stichwort Korb). Dem Vorgang in
2 Kor 11, 32 (let down) entspricht chiastisch die Erhöhung (taken
up) in 12, 2 f. (137).

Methodisch ist die Auslegung als ganze maßgeblich von einigen
Voraussetzungen bestimmt, die der Vf. im Rahmen seines Kommentars
zu erhärten sucht. Der Brief ist chiastisch aufgebaut — mit
der Mitte 4,1—10 (39) —, ebenso jede der 9 Sektionen und deren
Abschnitte und wiederum deren Unterabschnitte4. In 2,15—5,10
(ohne 4, 11—20) und 6,16—18 wird — mit wenigen Abweichungen —
die Rede wiedergegeben', die Paulus (ausschließlich) vor Judenchristen
in Gegenwart des Petrus insbesondere an die Adresse der
von Jakobus Gekommenen (2,12a) gehalten hat (190)6; war doch
die Krise in Galatien eine Folge der Wirren in Antiochia (1,10—
2,10 bereitet nur das Thema der Auseinandersetzung von Antiochia
vor [173]). Die Rede war ihrerseits symmetrisch gebaut, hatte aber
3, 21—4, 7 zum Zentrum (dessen Mitte war 3, 28)7.

Einige Beispiele für den Einfluß dieser Prämissen auf die Auslegung
: Dadurch, daß 1, 7 und 2, 9 im chiastischen Schema einander
entsprechen, deutet Paulus an, daß Petrus in gewisser Weise für die
Vorkommnisse in Galatien verantwortlich ist; ebenso durch das

1 Für das speziell Philologische wird im ganzen auf J. Bligh, Galatians in
Greek (1966) verwiesen (i).

2 Gelegentlich wird auch auf die studentischen Hörer oder auf nicht ohne
weiteres in den Text eingeschlossene theologische Fragen, auch solche zur
Gegenwart, Bezug genommen.

;i Die Fragen stimmen nur teilweise mit denen in dem für den Studenten
bestimmten Beiheft überein. Die Übersetzung sowie die chiastische Gliederung
des Ganzen und je der Teile und Unterteile werden hier mehrfach wiederholt.
Außerdem werden eine knappe Einführung und einige außerneutestamentliche
Texte gegeben.

4 Gelegentlich muß die Annahme einer späteren Einfügung (1,9 f.) dazu
helfen, die Symmetrie herbeizuführen (vgl. die Umstellung von 2, 1 f. 8. 4.-7. 9.
3. 10, die durch Paulus vorgenommen wurde).

•r> Beachtlich ist überdies, daß gleichzeitig Gal mit der Predigt des Paulus
in Antiochia Pisidiae Apg 13, 16—41 übereinstimmt: sie geht auf Paulus zurück
und ist nur durch Lukas komprimiert worden.

(l B. legt auf diese Hypothese großen Wert und hält sie offenbar für besonders
überzeugend (514).

7 Der erste Hauptteil des Gal umfaßt jedoch nicht etwa 1, 1—2, 14, sondern
1,1—3,4 (die Mitte bildet 1,20). — Ein Nebeneinander chiastischer Schemata
ergibt sich auch in einem Exkurs zu 1, 12. Nicht nur die Berichte über die Bekehrung
des Paulus in Apg 9, 1-25; 22,3-21; 26, 2-26a sind jeweils chiastisch
gestaltet, sondern auch eine aus ihnen durch B. rekonstruierte Urform, in die
überdies die Vision des Petrus in 10, 9—16a hineingehört; 11, 1—10. 18 wird
hinter 9,25 vor 22,17-21 eingefügt (95-111; die Vision wird in Apg 15,8-11
nicht erwähntl <151>). Auch die Acta sind durchweg chiastisch gebaut (7). Chiastische
Stücke im Alten Testament: Ex 31, 13-17; Ez 20, 6-16 (371 f.).

Korrespondieren von 2,11 und 3,1: die Galater sind durch Kephas
verwirrt worden (43; wie in 3,1, so ist in 5, 7 auf Petrus angespielt
[430]). Entsprechend wird von dem Chiasmus in 1,7/2,12, aber auch
von dem in 1,7/2,9b her gefolgert, daß in 1, 7 auf die Säulenapostel
als die für die Wirren in Galatien Verantwortlichen Bezug genommen
wird (87). This anathema-passage (1, 8] balances the Antioch-
incident (89). Weil 2,21 und 3,4 einander chiastisch zugeordnet
sind, wird für 2, 21 ein exn.dev konjiziert (226). 3, lb ist ursprünglich
an die Jerusalemer Judenchristen als Augenzeugen der Kreuzigung
gerichtet (225). An die in Antiochia Anwesenden soll sich zunächst
auch 4,1—10 wenden (die Schwierigkeiten, die V. 8 diesem
Verständnis bereitet, werden in wenig überzeugender Weise überwunden
[331]; der Schluß des V.s wird übersetzt mit beings who
by nature are not gods und auf die Engel [3,19] bezogen [365])".
4, 30a meinte in Antiochia: „Send away the people from James", im
Brief: „Send away the judaizing teachers" (380). Die Paränese 5, 26
—6, 3 (besonders 6,1—3) kommentiert die Ereignisse von Antiochia
(zu 6, 3 s. 2, 6, usw. [481]). Paulus hat den ganzen Brief selbst geschrieben
: 6,11 entspricht 1,1 f., wonach er sein Apostelamt direkt
von Gott empfing (489 f.).

Theologische Prämissen werden insbesondere dort deutlich,
wo von der Rechtfertigung die Rede ist. Gott rechtfertigt — in der
ersten Rechtfertigung (242 usw.) — den Menschen, indem er ihm
die Liebe zu seinem (Gottes) Willen einpflanzt und die Kraft, ihn
zu tun (202). Der Akt des Glaubens, der Beginn der Rechtfertigung
(249), ist die Antwort der natürlichen" Kräfte des Menschen auf
Gottes Offenbarung, die durch eine übernatürliche Gabe der zuvorkommenden
und begleitenden (247 f.) Gnade unterstützt werden
(219)10; er ist durch Gottes Güte verdienstlich (254). Der Glaube
ist die Wurzel aller gerechten Handlungen, die notwendig folgen
(249). Weil er fähig wurde, das böse Verlangen zu beherrschen,
stellt er fjst, daß er zum Gerechten gemacht worden war, heißt es
von Paulus (117).

Von daher ist es begreiflich, daß B. nicht nur für Luthers Interpretation
der Paulinischen Aussagen über die Rechtfertigung kein
Verständnis hat bzw. sie mißversteht, sondern gelegentlich auch
gegenüber manchen pointierten Sätzen des Paulus eine gewisse
Reserve andeutet"; das geschieht übrigens nicht nur zu solchen
über die Rechtfertigung.

So etwa zu 3,13a: hier werde eine besondere Phase in der Geschichte
der frühen Kirche sichtbar, die zu verewigen weder möglich
noch wünschenswert sei (267). Auch mit der Formulierung in
5,1b ist B. nicht einverstanden; er verweist auf die ganz andere
Aussage in Rom 9, 4 (418). Offenbar ist ihm das spezifisch Paulinische
Verständnis des Gesetzes schwer zugänglich (St Paul . . .
spoke with regrettable obscurity on this important matter . . . his
Statements about law are confused [436]). Zu 3,19 bedauert B„ daß
Paulus nicht deutlich unterscheidet zwischen Dekalog und Zeremo-
nialgesetz12; auf das letzte müsse V. 19a indessen bezogen werden
(292—297). B. möchte im übrigen vier verschiedene Auslegungen
zur Stelle verbinden1''; die in der Richtung von Rom 5, 20 gehende
ist die nur kurz erwähnte letzte; bestimmend ist für 3,19 das Verständnis
des Zeremonialgesetzes als einer vorübergehenden Zuchtmaßnahme
(301). Nach Gal sind die Christen vom Ritualgesetz befreit
, damit sie sich ganz den Werken der Liebe widmen, dem
Gesetz Christi (6,2), das mit dem Naturgesetz eines ist (474 f.). —
Die mehrfache Feststellung Paulinischer Inkonsequenz ist um so
bemerkenswerter, als der Kommentar weithin durch eine bestimmte
Neigung zur Harmonisierung der neutestamentlichen Aussagen
gekennzeichnet ist".

4 B. meint dann, 4, 1—10 sei irgendwo grob auch auf die Heiden anwendbar
(332).

11 Fleisch und Geist bezeichnen in 5, 16 ff. two conflicting elements in man's
physical Constitution (458; s. 497-503 im Exkurs über den Geist <497-511»; the
instinetive desires of the flesh . . . are not in themselves evil (464).

1H Nach Paulus' Interpretation von Gen 15, 5 f. forderte Gott von Abraham
zuerst einen Akt des Glaubens. Abraham obeyed and was therefore reckoned
a just man. Er betrat den Weg des Gehorsams, und so lange er auf ihm blieb,
würde er ein Gerechter bleiben (242). Entsprechend wird der Gedanke der human
Cooperation für den Abraham- und den Sinaibund betont (282).

11 Damit hängt wohl die grundsätzliche Erklärung der Anerkennung der
Autorität des Paulus im Epilog zusammen, wenn sie dort auch zunächst auf
certain defects in St Paul's character bezogen ist (513).

12 Paulus redet so, als gäbe es kein christliches Zeremonialgesetz; anscheinend
sind, meint B., die Sakramente nicht voll eingefügt in seine Theologie
(300. 323 f.).

1» Ähnlich verfährt er anderswo; so z. B. bezüglich der cnot^tXa in 4, 3
(337 f.).

14 Die Worte des JohEv.s gelten o. w. als Jesusworte.