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Ausgabe:

1970

Spalte:

422-424

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Goldberg, Arnold

Titel/Untertitel:

Untersuchungen über die Vorstellung von der Schekhinah in der frühen rabbinischen Literatur 1970

Rezensent:

Körner, Jutta

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

422

eine nordmesopotamische Hebräerschicht in Kanaan ein, zunächst
in das Nordost-, später ins Westjordanland. Hierzu gehören die
Abrahamgruppe und die Jakobgruppe, während die Isaakgruppe
sich schon frühzeitig mit der Abrahamgruppe verband. Hinzuzurechnen
sind ebenfalls Benjamin und wahrscheinlich auch Gad,
Asser und Rüben. Die späteren Einwanderer folgten erst gegen
1300 v. Chr. und kamen von der Sinaihalbinsel her, nachdem sie
sich unter Ramses II. nach zeitweiligem Aufenthalt im Nildelta aus
Ägypten losgerissen hatten. Allen voran wäre die Josephgruppe
zu nennen, die sich auf den Ephraimshöhen festsetzte und zu der
Ephraim, Manasse und Dan zählten. Makir drängte jedoch bald
zurück ins Ostjordanland, während sich andere Einwanderer im
Raum von Beth Schean sammelten und in der Verbindung mit den
hebräischen Vorbewohnern die isrealitischen Stämme Sebulon,
Naphtali und Asser bildeten. Juda, Simeon und Levi hatten hingegen
von der Sinaihalbinsel kommend ihre eigene Einwande-
rungs- und Frühgeschichte erlebt.

Diese Einwanderer bildeten mit den Nachfahren der Patriarchenhebräer
eine gesunde, kräftige Bevölkerungsschicht. Die
einzelnen Stämme haben jedoch ganz verschiedene Einwanderungswege
und vielschichtige Entwicklungen in Kanaan genommen, zunächst
wohl als friedliche, zum Teil dienstbare Randsiedler, später
sich kriegerisch behauptende Eroberer. Ein einheitliches Bild über
diese Geschehnisse ist auf Grund des Quellenmaterials und der
vielseitigen Vorgänge nicht zu zeichnen. Das System der zwölf
Stämme ist jedenfalls erst eine Vorstellung der Zeit Davids, der
zum ersten Mal diese Stämme zu einer festen politischen Einheit
zusammenzufassen vermochte. Gerade unter seiner Wirkung
konnte Juda zur Stellung des Erstgeborenen aufrücken. Mit diesen
geschichtlichen Erwägungen wird der behandelte Stoff abgeschlossen
. Es folgt in Kap. IV die Auseinandersetzung mit der
geistig-kulturellen und sittlich-religiösen Entfaltung Israels in
Kanaan, die zu der Schöpfung der zunächst mündlich überlieferten,
später schriftlich fixierten Tradition führte.

Hier darf der kurze zusammenfassende Überblick über das
aufschlußreich bebilderte Werk abschließen. Eine Auseinandersetzung
mit ihm ist im gegebenen Rahmen schwerlich möglich.
Es wäre jedoch zu fragen, ob alle Materialien der frühen Überlieferung
mit dem gleichen traditionsgeschichtlichen Maß gemessen
werden dürfen. Vielleicht darf auch angemerkt werden, daß
der Abdruck derselben Kartenskizze des alten Vorderen Orients
mitsamt dem Mittelmeerraum auf dem Vorsatz- und dem Nachsatzblatt
nicht recht sinnvoll erscheint. An einer Stelle sollte besser
eine Karte Palästinas, vielleicht mit der Eintragung des Siedlungsraumes
der Stämme erscheinen.

Das Werk stellt die Zusammenfassung einer langjährigen
traditionsgeschichtlich-historischen Forschertätigkeit dar. Es ist
dem Hrsg. zu danken, daß er diese Ernte einzubringen geholfen hat.
Um so mehr erfreut den Leser A. S. Kapelruds Ankündigung, daß
dieses Buch in englischer und anderen Sprachen erscheinen soll,
was ihm eine weite Verbreitung und Beachtung sichern wird.

Halle/Saale Gerhard Wallis

Bernhardt, Karl-Heinz: Alttestamentliche Studien an der Universität
Rostock zwischen Reformation und Romantik (Wiss. Z. Univ.
Rostock, XVII'68 G, H. 4, S. 367-381).

— Zur Königsideologie in Israel (Wiss. Z. Univ. Rostock, XVII'68 G,
H.4, S. 421—426).

Brueggemann, Walter: Scripture and an Ecumenical Life-Style. A
Study in Wisdom Theology (Interpretation 24, 1970 S. 3—19)

Charbel, Antonio i Beit Jimäl tra le cittä bibliche della Shefela (Gios
15, 33-36) (Salesianum 31, 1969 S. 485-496).

Freedmann, D. N. i The Orthography of the Arad Ostraca (IEJ 19,
1969 S. 52-56).

Frierman, J. D. i Chinese Ceramics from Ashkelon and Caesarea
(IEJ 19, 1969 S. 44-45).

Jansma, T., Dr.: Natuur, lot en vrijheid. Bardesanes, de Filosoof
der Arameeers en zijn Images. Wageningen: Veenman & Zonen
(1969). 168 S. gr. 8°. Kart. hfl. 20.-.

Kaiser, Otto: Gerechtigkeit und Heil bei den israelitischen Propheten
und griechischen Denkern des 8.-6. Jahrhunderts (NZsytTh
11, 1969 S. 312-328).

Krebs, Walter: Die Kriegselefanten der Ptolemäer und Aethiopier
(Wiss. Z. Univ. Rostock, XVII'68 G, H. 4, S. 427-447).

JUDAICA

Goldberg, Arnold M.: Untersuchungen über die Vorstellung von
der Schekhinah in der frühen rabbinischen Literatur. Talmud
und Midrasch. Berlin: de Gruyter 1966. XI, 564 S. gr. 8° =
Studia Judaica. Forschungen zur Wissenschaft des Judentums,
hrsg. v. E. L. Ehrlich, V. Lw. DM 72.—.

Ein wichtiges Thema des rabbinischen Judentums, die Vorstellung
von der Schekhinah, des öfteren schon verhandelt, ist mit
dieser Untersuchung, die 1965 als Habilitationsschrift von der
Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg i. Br. angenommen
wurde, wieder aufgegriffen worden. Wenn der Vf. die
mögliche Bedeutung der Ergebnisse dieser Arbeit für andere Disziplinen
nicht direkt herausstellt, so wird sie gewiß das „Interesse
des Neutestamentiers, des Dogmengeschichtlers und des Religionswissenschaftlers
wie das des Judaisten finden" (s. Vorwort).
Der Aufriß des Buches nach dem Inhaltsverzeichnis: „Vorwort"
(S. V), »Umschrift hebräischer Buchstaben" (S. X), „Abkürzungsverzeichnis
" (S. XI) sind der „Einleitung" (S. 1—12) vorangestellt.
Die beiden Hauptteile sind die „Texte und Untersuchungen" (S. 13
bis 435) und die „Ergebnisse" (S. 439—538). Angefügt sind ein
Literaturverzeichnis (S. 539—543) und ein Index (S. 544—564). Leider
fehlt ein Verzeichnis der behandelten Texte aus Talmud und
Midrasch, was das eigene Arbeiten an dem vollständig dargebotenen
Quellenmaterial außerordentlich erschwert.

In der Einleitung zeichnet der Vf. kurz die Erörterungen über
das Thema „Schekhinah" seit dem 19. Jahrh. auf, die im wesentlichen
von zwei gegensätzlichen Richtungen bestimmt sind. Die
Sch. ist Hypostase oder Mittelwesen zwischen der transzendenten
Gottheit und der Welt. Sie ist also Vermittler der göttlichen
Gegenwart und Wirksamkeit in der Welt. Anderseits ist der Terminus
Sch. nur eine Gottesbezeichnung mit mehr oder weniger
spezifischer Bedeutung; er dient allein dazu, den Gottesnamen zu
umschreiben. Das Thema verlor sich in der Frage, ob die Sch. ein
selbständiges Wesen sei oder nicht. So sieht es der Vf. des vorliegenden
Buches als seine Aufgabe an, herauszufinden, „welche
spezifischen Vorstellungen mit der Verwendung des Terminus Sch.
verbunden sind und was hieraus über die Vorstellung von der Sch.
geschlossen werden kann" (S. 7).

Die Fülle des Materials erfordert eine Begrenzung, so daß der
Vf. auf die Entwicklung der Vorstellung von der Sch. und das
Entstehen des Begriffes vom AT her verzichtet. Er verzichtet auch
auf eine Untersuchung der hellenistisch-jüdischen Literatur. Die
frühe rabbinische Literatur ist „Traditionsliteratur". Aus dieser
Sicht ist die vom Vf. begründete Methode der Untersuchung der
Texte zu verstehen. Jeden einzelnen Midrasch und jeden Ausspruch
behandelt er von zwei Aspekten her: Wie ist der Text überliefert
? und: Was ist der Gegenstand des Textes? Ausgehend von
den einzelnen Texten, die der Vf. in Übersetzung bietet, systematisch
nach den Aussagen und nicht chronologisch geordnet, werden
die beiden Fragen unter dem Titel „Zur Überlieferung" und
„Motive" verhandelt. Der sich anschließende Abschnitt „Aussage"
will über Tendenz und Thema (= „Motive") des einzelnen Midrasch
hinaus eine Antwort dafür finden, ob für den jeweiligen
Autor die Sch. als ein selbständiges Wesen bzw. die Manifestation
eines selbständigen Wesens (Subjektbezug) oder die Gegenwart
der Sch. am bestimmten Ort (Lokalbezug) die Vorstellung bestimmte
.

Die „Ergebnisse" werden in 7 Abschnitten mit jeweiligen Unterteilen
entfaltet: I. Entstehung und Sprauchgebrauch (S. 439 bis
452); II. Differenzierung der Vorstellungen von der Schekhinah
(S. 453—464); III. Konkurrierende Termini und Vorstellungen (S.
465—470); IV. Die Vorstellung von der Schekhinah in der heilsgeschichtlichen
Vergangenheit (S. 471—485); V. Die Vorstellung
von der Schekhinah in der Gegenwart der Rabbinen (S. 486—521);
VI. Die Vorstellung von der Schekhinah in der Zukunftserwartung
(S. 522-530); VII. Zusammenfassung (S. 531-538).

Der Terminus „Schekhinah", eine Abstraktform der qatil-/
qftila-Bildung, ist von der hebräischen Verbwurzel "V abgeleitet,
die „sich niederlassen", „ruhen", „bleiben", „wohnen" bedeutet.
Sch. ist 1. theologischer terminus technicus für den Akt der Ein-
wohnung, d. h. die gegenwärtig gedachte oder erlebte Gottheit
will im realen, konkreten Dasein verstanden sein. Sch. ist 2. Got-