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Ausgabe:

1970

Spalte:

417-419

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Swete, Henry Barclay

Titel/Untertitel:

An introduction to the Old Testament in Greek 1970

Rezensent:

Bertram, Georg

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

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gänglichen Ausgabe vorzulegen. — Unter dem Titel „Israels Staatsordnung
im Rahmen des Alten Orients. Zu Eric Voegelin, Israel
and Revelation" (S. 309—239) rinden sich einerseits im Anschluß
an die Darstellung der Konzeption Voegelins zumal Abgrenzungen
gegenüber der Annahme eines mehr oder weniger allgemein-altorientalischen
cultic patterns, von dem her auch das Königtum
Israels und ein großer Teil der Psalmen zu interpretieren sei, wie
andererseits sehr grundsätzliche und durchaus aktuelle Ausführungen
zum Verhältnis des Alten Testaments zu Staat und Gesellschaft
. So heißt es etwa S. 327: „Nicht das Recht allein kann und
soll herrschen, sondern Recht und Liebe müssen gemeinsam das
menschliche Zusammenleben bestimmen und formen. Die volle
Botschaft des Alten Testaments erhalten wir, wenn wir die beiden
Grundsätze des Rechts und der Liebe zusammennehmen'. Beherzigenswert
ist auch, was Fohrer angesichts des Verhaltens der Propheten
gegenüber dem Königtum zum Widerstandsrecht und zur
Verweigerung des Gehorsams sagt, von denen nur letzteres
legalisiert werden kann. Seine Feststellung, daß „denen kein
Widerstandsrecht zusteht, die sich nicht an ethische Grundlagen
binden", daß es nur dort anzuerkennen sei, „wo es mit dem verbunden
ist, was das Leben des Menschen in der Gemeinschaft nicht
entbehren darf" (S. 328 f.), zeugt in ihrer antianarchistischen Zuspitzung
für die Bedeutung des Alten Testaments für eine Theologie
des Politischen. — Die Beiträge „Der Vertrag zwischen König
und Volk in Israel" (S. 330—351) und „Eisenzeitliche Anlagen im
Räume südlich von nä' ür" (S. 352—366) runden den Band ab, dem
die üblichen Verzeichnisse beigegeben sind.

Marburg/Lahn Otto Kaiser

Swete, Henry Barclay, D. D., F. B. A.: An Introduction to The Old
Testament in Greek. Revised by R. R. Ottley with an Appendix
Containing the Letter of Aristeas edited by H. St. J. Thackeray.
New York: KTAV Publishing House 1968. XV, 626 S. gr. 8°.

Vor 70 Jahren erschien zuerst das jetzt im Nachdruck vorliegende
Werk von H. B. Swete (1835—1917), zuletzt Professor der
praktischen Theologie in Cambridge. In den Jahren 1887 bis 1894
hat Swete eine dreibändige Handausgabe des Old Testament in
Greek herausgegeben und sich damit in die textlichen und sachlichen
Probleme des Septuagintastudiums eingearbeitet. Seine
Ausgabe setzte sich gegenüber den älteren von Leander van Ess
(zuerst 1824) und Konstantin von Tischendorf (zuerst 1850) durch,
und seine Arbeit bildete den Ausgangspunkt für die große englische
Ausgabe der LXX von Brooke und McLean. Die eigene
Forschungsarbeit und die Ergebnisse der LXX-Forschung bis zum
Ende des 19. Jh.s faßte Swete in seiner Introduction zusammen,
die 1900 zuerst erschien, 1902 eine 2. Auflage erlebte und 1914
von R. R. Ottley durch Zusätze und Ergänzungen auf den damaligen
Stand des Wissens gebracht wurde. In dieser ursprünglichen
klassischen Form ist das Werk nunmehr in einem Neudruck veröffentlicht
und damit der wissenschaftlichen Welt wieder zugänglich
gemacht worden.

Trotz aller Fortschritte der LXX-Forschung, über die das kürzlich
in ThLZ 94, 1969 Sp. 901—905 besprochene Werk von Sidney
Jellicoe, The Septuagint and Modern Study (1968) umfassend und
eingehend Aufschluß gibt, wird dies Werk auch weiterhin Grundlage
der gelehrten Arbeit an der LXX bleiben. Das hat auch
Sidney Jellicoe in seinem Werk ausdrücklich festgestellt. Es sind
vor allem drei Vorzüge, die das Werk auch heute unentbehrlich
machen: Es ist eine unübertroffene Stoffsammlung zur LXX. Es
ordnet den Stoff nach sachlichen Gesichtspunkten in leicht überschaubarer
Weise. Es bietet eine Geschichte des griechischen Alten
Testaments und seiner Erforschung. Mit dem allen ist das Werk
eine Einführung in die vielschichtigen Probleme der LXX-Forschung
und stellt zugleich anregend und zukunftweisend die Aufgaben
dar, die sich damit ergeben. Dem dienen zunächst die zahlreichen
Belege zur Geschichte der LXX aus den Quellen und vor
allem auch der Abdruck des Aristeasbriefes, hrsg. von H. St. John
Thackeray, einem Schüler von Swete, der seine Lebensarbeit weithin
der LXX gewidmet hat und bis zu seinem Tode 1930 auch an
der Herausgabc der großen englischen Ausgabe der LXX beteiligt
war. In der besonderen Einleitung (S. 533—550) zu dem pseud-
epigraphischen Aristeasbrief werden die Probleme der teils geschichtlichen
teils legendären Überlieferungen dieses Schriftstückes
behandelt, bei denen die Untersuchungen über die Entstehung der
LXX einzusetzen pflegen. Auch sonst werden die mannigfachen
Probleme und Aufgaben der LXX-Forschung durch Beispiele und
Textvergleiche beleuchtet und verdeutlicht, so daß der Leser die
Möglichkeit einer eigenen Urteilsbildung erhält. Die Aufzählung
und Beschreibung der Handschriften und Übersetzungen kann,
was den Stand von 1900 betrifft, kaum vollkommener vorgestellt
werden. Die Beurteilung und kritische Verwendung dagegen
konnte nicht endgültig sein, zumal die Sichtung des Materials und
die zahlreichen neuen Funde auch neue Fragen und neue Lösungsmöglichkeiten
ins Blickfeld rückten. Klarer Übersicht dient die
Beschreibung der 50 Bücher des griechischen Alten Testaments,
die von 4 Esr abgesehen auch den Inhalt der Bibel der griechischen
orthodoxen Kirche (ed. P. L Bratsiotis 1939) ausmachen.

Sachlich bedeutsame Änderungen hat Ottley in der Ausgabe
von 1914 kaum vorgenommen. Wo sich verschiedene Auffassungen
ergeben, wie z. B. bei der Sapientia Salomos, jenem Buch von
ausgesprochen alexandrinischem Charakter' für das Swete Bekanntschaft
mit der .stoischen' Lehre von den vier Kardinaltugenden
in Anspruch nimmt, während Ottley für diese Lehre auf
.platonischen' Ursprung (Rep 427—439. 442) verweist, so liegen
eigentlich nur terminologische Unterschiede vor. Von weittragender
Bedeutung sind die Fragestellungen, die Swete zum Teil neu
und präzise formuliert der LXX-Forschung für Gegenwart und
Zukunft vor Augen stellt. So ist z. B. das Textproblem des Buches
Esther, dessen Text wissenschaftlich erarbeitet in der Oxforder
wie in der Göttinger LXX vorliegt, neuerlich in gelehrten Aufsätzen
von Carey A. Moore: A Greek Witness to a Different
Hebrew Text of Esther (ZAW 79, 1967 S. 351-358) und von Herbert
J.Cook: The A Text of the Greek Versions of Esther (ZAW 81,
1969 S. 369—376) im Rückblick auf Lagarde bzw. seinen ,Lukian'-
Text, auf den auch Swete S. 80 ff. zurückgreift, wieder aufgenommen
worden. Wie diese neuesten Forschungsbeiträge und ebenso
auch der neue Jellicoe zeigen, hat die kritische Auseinandersetzung
mit Anton Paul de Lagarde auch in den Generationen nach
Swete nicht aufgehört. Auch die Probleme der Sprache, der Grammatik
, des Wortschatzes der LXX im Zusammenhang mit der Weltsprache
des hellenistischen Griechisch hat Swete an Beispielen aufgezeigt
und damit der Forscherarbeit von Thackeray, Deißmann,
Helbing und mancher anderer, deren Namen bei Swete zum Teil
erst in den Ergänzungen und dem Register der Ausgabe von 1914
erscheinen, bis hin zum Theologischen Wörterbuch (Kittel —
Friedrich) mit seinem die gesamte Bibclwissenschaft vertretenden
Mitarbeiterstab Bahn gebrochen und die Wege bereitet. Es gehört
zu der notwendigen Selbstbesinnung des Forschers, wenn er sich
über die Geschichte seiner Wissenschaft Rechenschaft ablegt. Für
das Gebiet der LXX-Forschung bietet der ,Swete' dazu die Mittel
und Wege.

An vielen Punkten gibt die Introduction von Swete unmittelbare
Anleitung für die praktische Arbeit an Text und Auslegung
des griechischen Alten Testaments. Das Kapitel 3 des III. Hauptteils
behandelt die Zitate aus der LXX im frühen christlichen
Schrifttum und weist damit auf eine für die Geschichte und Verbreitung
der Handschriften und Texte höchst bedeutende, entsagungsvolle
Arbeit, wie sie z. B. neuerdings von Otto Wahl: Die
Prophetenzitate der Sacra Parallela in ihrem Verhältnis zur Septu-
aginta-Textüberlieferung, 1965 (vgl. ThLZ 93, 1968 Sp. 579 f.), für
das von ihm behandelte Gebiet mustergültig durchgeführt worden
ist. Für die Untersuchung der Abweichungen der LXX von dem
vorhandenen hebräischen Text bedarf es einer sorgfältigen Bestandsaufnahme
, wie sie im Kapitel 4 des III. Hauptteiles von
Swete vorgenommen wird. Die philologisch und exegetisch zu erörternden
Fragen nach der Entstehung der Differenzen zwischen
hebräischer Vorlage und griechischer Übersetzung führt auf die
Tatsache, daß die LXX als die älteste erhaltene Auslegung des
Alten Testaments anzusehen ist. So ist die LXX in der christlichen
Kirche verwendet worden. Sie war die maßgebliche, oft sogar die
einzige Quelle für die Deutung des Alten Testaments. Sie lieferte
der Kirche das Material für die praktische Auslegung und den
praktischen Gebrauch der Texte als Richtschnur für die Gestaltung
des christlichen, kirchlichen Lebens. Dazu kam ihre Bedeutung
als Waffenarsenal in der geistigen Auseinandersetzung mit Judentum
und Heidentum und all den verschiedenen Glaubensformen