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Ausgabe:

1970

Spalte:

414-417

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fohrer, Georg

Titel/Untertitel:

Studien zur alttestamentlichen Theologie und Geschichte 1970

Rezensent:

Kaiser, Otto

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 6

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er für die Konzipierung seiner .Historischen Geographie' die denkbar
besten Voraussetzungen mit.

Was auf den reichlich 400 Seiten angeboten wird, ist aller Beachtung
wert. Das Buch gliedert sich in zwei Teile, in einen „Intro-
ductory Survey" (S. 3—117) und einen zweiten „Palestine during
the Ages" überschriebenen Teil (S. 121—365). Die Einführung' will
mit dem Gegenstand in seinen Erscheinungsformen vertraut
machen, sie will einen Eindruck von der Beschaffenheit des Landes,
seiner Besiedlung, seiner Erschließung durch Strafjensysteme, seiner
Begrenzungen, seines Beschriebenseins in Dokumenten und
Erforschtseins in Expeditionen, seiner Namen und Benennungen
vermitteln. Geographische und archäologische Bezüge in biblischen
und außerbiblischen Texten sind in reichem Maße nachgewiesen,
talmudisch-rabbinische Quellen sowie Kirchenväter u. a. m. wiederholt
zitiert. Auch wirtschaftspolitische und -geschichtliche Fragen
bleiben nicht unberücksichtigt. Der Leser wird kurz und sachlich
über die geologische Struktur der einzelnen Landesteile informiert.
Überall ist die neueste Literatur herangezogen, selbstverständlich
auch die in Ivrit verfaßte. Einen verhältnismäßig breiten Raum
nehmen Erörterungen zur Toponomie ein (S. 94—117). Der Autor
arbeitet gern mit Kartenskizzen, Listen und Tabellen, was die Anschaulichkeit
seiner Darlegungen sehr unterstützt.

Der zweite Teil ist zwar umfänglicher als der erste, muß aber
auch einen großen geschichtlichen Raum durchmessen. A. setzt in
dem ersten Kapitel dieses Teils „The Canaanite Period" mit der
protohistorischen Epoche ein, in der der Leser sehr bald mit dem
mesolithischen Jericho bekannt gemacht wird (S. 121); die letzten
Ausführungen innerhalb des fünften Kapitels dieses Teils „The latter
Days of the Judean Kingdom" widmen sich der territorialgeschichtlichen
Situation Palästinas während der Perserzeit (S. 356—
365). Dazwischen wird ein Bild von der Geschichte Israels unter
historisch-geographischen Gesichtspunkten entworfen, das dem in
unseren Breiten herkömmlichen Aufriß Martin Noths zuweilen
stark widerspricht. Hier gilt es, unter Berücksichtigung der von A.
geltend gemachten Gründe und seiner Interpretation der literarischen
Quellen und der archäologischen und geographischen Befunde
die eigene Position neu zu überdenken und zu überprüfen. Im
Kapitel über die Kanaanäische Epoche werden ausschließlich die
vorisraelitischen zumeist unter dem Einfluß Ägyptens stehenden
Verhältnisse der palästinisch-syrischen Landbrücke beschrieben.
Dann werden „Israelite Conquest and Settlement" diskutiert, wobei
in dem Unterabschnitt „First Stages of Penetration" darauf aufmerksam
gemacht wird, daß die Israeliten bei ihrer Einwanderung nicht
das Empfinden hatten, in ein neues Land gekommen, sondern an den
Platz zurückgekehrt zu sein, den ihre Vorväter im ,Patriarchal Age'
durchzogen hatten (S. 174). Der Spannungsbogen dieses größeren
Kapitels reicht von der Patriarchen- bis zur Richterzeit. Zum Schluß
wird ein Blick auf die Philister geworfen. In Kapitel III steht „The
United Monarchy" zur Debatte, Saul, David und Salomo. Hierhin
stellt A. aber auch die Städtelisten von Simeon und Dan (aus Jos
19, 1—6. 40—46 und 1 Chr 4. 28—31) sowie das Verzeichnis der
Levitenstädte (nach Jos 21 und 1 Chr 6). Im Verlauf der weiteren
Geschichte folgt die Behandlung der Königreiche von Israel
und Juda (Kapitel IV), und das Thema des fünften Kapitels ist
oben schon erwähnt worden. Auch dieser zweite Teil enthält zahlreiche
Kartenskizzen, Listen und Tabellen, wobei der Leser dankbar
sein wird für die bequeme Benutzung einiger bekannter Listen,
wie etwa der Palästina-Liste Thutmoses III (S. 147—151) oder des
17 Städtenamen umfassenden Verzeichnisses Sethos I (S. 166). Es
lohnt durchaus, einen Blick auf die insgesamt 34 Kartenskizzen zu
werfen. Sie sind streng thematisch den jeweiligen Ausführungen
zugeordnet, vgl. u. a. „Map 11. Canaanite Cities in the el-Amarna
Corrcspondence" (S. 160) mit dem entsprechenden Abschnitt (I,
VIII) „The el-Amarna-Period" (S. 157 ff.) oder „Map 27. Moab ac-
cording to the Mesha Stele" (S. 306) mit dem dazugehörigen Abschnitt
(IV, VIII) „The Rebellion of Moab under Mesha" (S. 305 ff.).
Hierauf ist mit gutem Erfolg viel Sorgfalt und Mühe verwendet
worden. Nicht minder erfreut ist man über die zahlreichen Appen-
dices, die das gesamte verarbeitete historische, geographische und
archäologische Material systematisch erschließen helfen. Da ist
zunächst eine chronologische Tabelle zu nennen, die zu einem erheblichen
Teil auf eigene chronologische Vorstellungen des Verfassers
zurückgeht, während nur für die .früheren Perioden' die
Summarien aus E. G. Wright and E. F. Campbell ,The Bible and the

Ancient Near Easf, 1961, herangezogen wurden (S. 366-370).
Appendix 2 bietet eine „List of Site Identifications", auf der nebeneinander
angegeben sind der antike Name des Ortes, sein moderner
hebräischer Name (soweit es solchen gibt), die Nachweise im
Koordinatensystem des Kartenwerkes South-Levant 1 : 100 000 und
auf den eigenen Kartenskizzen im Buch, soweit der Ort darauf
verzeichnet ist. Hier sind rund 400 antike Ortslagen mit ihren (zu
einem Teil freilich noch gemutmaßten) Identifizierungen vorgeführt
(S. 371—385), eine außerordentlich willkommene und wertvolle
Zusammenstellung! Ein Bibelstellenregister und ein Index der
geographischen Namen beschließen das ausgezeichnete Werk.

Es ist leicht verständlich, daß bei einem solch interessanten
Buch, das eine Vielzahl von Themen anreißt und ein enormes
Material verarbeitet, den Fachmann eine Fülle von Fragen beschäftigt
. Es ist hier nicht der Ort, auf Einzelheiten einzugehen,
aber vielleicht dürfen wenigstens zwei Grundsatzfragen genannt
werden, deren Lösung ja sehr schnell Weichenstellungen veranlaßt,
die zu weitab liegenden Konzeptionen führen können. Die eine
Frage betrifft die Methode der Textinterpretation, an der ja sehr
viel liegt. Hier scheint der Vf. wichtige Ergebnisse und Erkenntnisse
der überlieferungsgeschichtlichen Forschung nicht aufzunehmen
, ohne indessen selber die bestehenden literarischen Probleme
zu klären und zu begründen. Eng damit zusammen hängt die an-
dereGrundsatzfrage, die nach dem Geschichtsverständnis, das natürlich
bei einer weniger kritischen Literaturbetrachtung anders sein
muß als bei einer streng literar-kritischen Analyse der Texte. Das
Geschichtsbild verändert sich je nach der Beurteilung der Quellen.
Dessen muß man sich bei der Lektüre der A.schen Ausführungen
bewußt bleiben und man wird dabei bald erkennen, wo die Kontraste
im Verständnis der Geschichte Israels ihre Wurzeln haben.

Zum Schluß muß aber noch einmal betont werden, daß wir es
bei dieser Publikation mit einem hervorragenden lehrbuchartigen
Standardwerk der historischen Geographie Palästinas zu tun haben,
das eine in letzter Zeit stark empfundene Lücke glücklich ausfüllt
und für dessen mühevolle und gelungene Ausarbeitung dem Verfasser
Dank gebührt.

Greifswald Siegfried Wagner

Fohrer, Georg: Studien zur alttestamentlichen Theologie und Geschichte
(1949-1966). Berlin: de Gruyter 1969. X, 372 S. gr. 8° =

Beihefte z. Zeitschrift f. d. alttestamentliche Wissenschaft, hrsg.
v. G. Fohrer, 115. Lw. DM 74.—.

Seinen 1967 vorgelegten „Studien zur alttestamentlichen Theologie
" (vgl. ThLZ 93, 1968 Sp. 734 ff.) läßt Fohrer nun einen weiteren
Sammelband folgen, der siebzehn Aufsätze zur Religions- und
Theologiegeschichte, Theologie und Geschichte des Alten Testaments
enthält und dem Benutzer seiner fast gleichzeitig erschienenen
„Geschichte der israelitischen Religion" (Berlin 1969) eine
willkommene Ergänzung bietet, da sie ihm die Mühe erspart, die
im Lauf von fast zwei Jahrzehnten in den verschiedensten Zeitschriften
und Sammelwerken erschienenen Beiträge aufzusuchen,
die ihr Autor zudem auf den neuesten Stand gebracht hat. — Die
Folge der Beiträge zur Religions- und Theologiegeschichte (S. 3—
159) führt mit ihren beiden ersten Aufsätzen „Die wiederentdeckte
kanaanäische Religion" (S. 3—12) und „Universale Vorstellungen
in der kanaanäischen und der israelitischen Religion" (S. 13—22)
nicht nur in die durch die Textfunde aus Ras Schamra-Ugarit erhellte
kanaanäische Religion und ihre Bedeutung für das Verständnis
des Alten Testaments, sondern zugleich in das für Fohrer
zentrale Anliegen der alttestamentlichen Theologie ein, als deren
Höhepunkt er die klassische Prophetie (vgl. S. 11 f.) und deren
zentrales Thema er die „Gemeinschaft und Verbundenheit Gottes
mit allen Völkern und Menschen" sowie „die Gemeinschaft und
Verbundenheit der Menschen untereinander" (S. 20) bestimmt. In
der „Geschichte der israelitischen Religion" wird es dann unter
Aufnahme einer Formulierung von S. 326 unseres Bandes auf S. 9
präzise heißen, daß der Mittelpunkt der alttestamentlichen Religion
in dem Glauben „an die Gottesherrschaft und die Gemeinschaft
des Menschen mit Gott, die sich im Leben des Glaubenden,
des Volkes oder der Völkerwelt verwirklichen sollen", besteht.
Diesen Gesichtspunkten ordnen sich die Aufsätze, soweit sie nicht
streng historisch bleiben, letztlich sämtlich unter und zeugen damit