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Ausgabe:

1970

Spalte:

377-379

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Der Methodismus 1970

Rezensent:

Pietz, Reinhold

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

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Ihre inneren Strukturen und Gesetze sind deshalb auch nicht
einfach zu übernehmen. Die missionarische Verkündigung und
die eigenständige Antwort der Christen in Afrika auf das
Evangelium entscheiden sich, so scheint es oft, möglicherweise
in den Fragen der Ekklesiologie. Das wird auch deutlich an den
sogenannten „unabhängigen Kirchen", oft auch „Sekten"
genannt. In der ökumenischen Bewegung ist das Gespräch
darüber jetzt dran. Denn die erste „unabhängige Kirche", die
„Kirche Christi auf Erden nach dem Propheten Simon Kim-
bangu" ist Mitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen geworden
. Ist Kimbagu Begründer eines neuen Klans? Wie unterscheidet
er sich von Christus? Was heißt im Verständnis der
„Lebenskraft-Philosophie" (Tempels, Bantu-Philosophie, Onto-
logie und Ethik, Heidelberg 1956, hat diese Betrachtung des
afrikanischen Denkens zum ersten Mal so herausgestellt. Sie ist
weithin anerkannt) Versöhnung in Christus? Definitionen von
Kirche und Volk Gottes, wie sie Rweyemamu gibt, bedürfen
dringend weiterer Reflexion in weiterem Kontext. Gelegentlich
hat man den Eindruck, der Vf. sei sich darüber im klaren.
Warum hat er dann nicht vom eigenen afrikanischen Kontext
her wesentlich schärfere kritische Rückfragen an die Konzilskonstitution
gestellt? Die Theologie für Afrika muß u.E. solcher
kritischen Auseinandersetzung im ökumenischen Geist entspringen
. Oder kann man es nach katholischer Sicht bei der
Projektion in andere Denk- und Erfahrungsbereiche belassen?

Berlin Johannes Althausen

Sommer, C. Ernst [Hrsg.]: Der Methodismus, übers, v. L. Rott
u. I.Günsch. Stuttgart: Evang. Verlagswerk [1968]. 345 S.
8° = Die Kirchen der Welt, hrsg. v. H. H. Harms, H. Krüger,
F.Sigg f, G.Wagner u. H.-H.Wolf, VI. Lw. DM 32,-.

Dies Buch füllt „eine Lücke in der deutschsprachigen Literatur
" aus (so Hans Heinrich Harms im Vorwort) - und ist
dennoch um einige Monate zu früh geschrieben worden! Denn
es wurde abgeschlossen, als eben in Dallas/Texas auf einer gemeinsamen
Generalkonferenz der Zusammenschluß zwischen
der (Bischöflichen) Methodistenkirche und der Evangelischen
vereinigten Brüderkirche vollzogen worden war (25.-30.4.1968).
Standen die beiden Denominationen einander auch seit je sehr
nahe, so wirkt sich ihre nunmehr erfolgte Vereinigung doch nicht
nur in einer Addition der eingebrachten Gemeinden und kirchlichen
Einrichtungen aus, sondern auch in allerlei Veränderungen
des bisherigen Erscheinungsbildes der Methodistenkirchen
außerhalb Großbritanniens, vornehmlich auf dem Gebiet der
Kirchenordnung. Der vorliegende Band konnte nach Lage der
Dinge diesen Wandel der Situation weder übergehen noch schon
genügend berücksichtigen. So werden zwar die Vorverhandlungen
bis hin zu der erwähnten Vereinigungs-Generalkonferenz
geschildert (S. 55-59). Auch ist die kurze Selbstdarstellung der
Evangelischen Gemeinschaft (Name des deutschen Zweiges der
Evangelischen vereinigten Brüderkirche) aus dem Freikirchenbuch
des Quellverlages „Viele Glieder, ein Leib" zur Orientierung
eingefügt worden (= S. 60-83: „Die Evangelische Gemeinschaft
" von Reinhold Kücklich, ehemals Präsident des
Kirchenvorstands der Freikirche). Aber die übrigen Beiträge des
Sammelbandes gehen an der Tatsache des Zusammenschlusses
entweder ganz vorbei oder unterrichten doch über die seitherige
Schwesterkirche nicht genügend zuverlässig (So wird in einem
Aufsatz von Karl Dahn über „Die Hymnologie im deutschsprachigen
Methodismus" unter den Gesangbüchern für die
Evangelische Gemeinschaft die wichtige Neubearbeitung von
1931 nicht genannt, S.184). In mancher Hinsicht ist also das
zu besprechende Buch bei seinem Erscheinen bereits überholt
gewesen.

Trotzdem verdienen Hrsg. und Verlag unseren Dank. In den
locker aneinander gereihten vierzehn Kapiteln mit ihren insgesamt
21 Beiträgen zur Geschichte, zur Theologie, Hymnologie
, Mission und Evangelisation, Laienarbeit, Unterweisung und
Erziehung, zur gesellschaftlichen Diakonie und zur Weltorganisation
des Methodismus gewinnt „die jüngste der größeren

kirchlichen Gemeinschaften" (S.118) vor den Augen des Lesers
Leben und kräftige Konturen. Einige hervortretende Züge
seien nachgezeichnet:

1. Daß ein dem Methodismus gewidmeter Band in einer Buchreihe
tatsächlich nicht fehlen durfte, die über die Kirchen „der
Welt" informieren möchte, wird sehr rasch deutlich. Schon an den
19 Autoren, die hier zusammenarbeiten (Der Hrsg., Bischof der
Evangelisch-methodistischen Kirche in Deutschland, ist als
einziger mit mehreren, nämlich drei Beiträgen beteiligt), erhellt
die Weltweite der Methodistenkirche: Sechs unter ihnen leben
(nach dem im Anhang enthaltenen ausführlichen Mitarbeiterverzeichnis
) in England, fünf in den Vereinigten Staaten von
Nordamerika, vier in Deutschland, drei in der Schweiz (darunter
der aus Westindien gebürtige jetzige Beigeordnete Generalsekretär
des Ökumenischen Rates der Kirchen Philip Potter),
einer in Schweden. Diesem Bild entsprechen die (wiederum im
Anhang mitgeteilten) statistischen Angaben aus dem „Handbook
of Information 1966-1971" des methodistischen Weltrats:
Nahezu 19000000 Mitglieder und eine „Gesamtschaft" von
mehr als 43000000 Mitgliedern und Freunden werden heute auf
der Welt gezählt.

2. Wenn Philip Potter in seinem Beitrag über „Das ökumenische
Gespräch" behauptet (S.118), daß zwischen Methodismus
undÖk umenischer Bewegung eine tiefbegründete Affinität
bestünde, so gibt das Buch im ganzen dieser Selbsteinschätzung
Recht. Seine Konzeption stammt noch von D.Ferdinand
Sigg, dem 1965 verstorbenen Schweizer Bischof der Methodistenkirche
; dem Andenken dieses „Brückenbauers der Einen
Kirche" (Gloede) ist es nun auch gewidmet, und die Eine Kirche
ist bei allen seinen Autoren im Blick! Mit besonderer Bewegung
liest man - 1969, wenige Wochen nach den entscheidenden Abstimmungen
- im Kapitel „Methodistenkirche in Vereinigungsgesprächen
" den Bericht von Wilfried Wade über die Bemühungen
der Methodisten Englands, mit der anglikanischen Kirche zu
einer Vereinbarung über die Interkommunion zu gelangen. Ihre
Erfolgsaussichten werden zurückhaltend beurteilt (S.54); wenn
sie jetzt aber tatsächlich vorläufig gescheitert sind, wissen wir,
daß das nicht Schuld der Methodisten ist, die sich mit der erforderlichen
Mehrheit für die Abendmahlsgemeinschaft ausgesprochen
haben.

Mit ihrer „ökumenischen Gesinnung" (Sachgemäße Wiedergabe
von Wesleys Ausdruck „Catholic Spirit", vgl. S.103)
stehen die methodistischen Kirchen von heute in der Tradition
ihres Aufbruchs; das zeigen die historischen 25 Glaubensartikel,
die Wesley den amerikanischen Methodisten bei der Einrichtung
ihres eigenen Kirchentums mitgegeben hatte (abgedruckt im
Anhang S. 339-345); sie stellen kein Sonderbekenntnis dar,
sondern gehen über die 39 Artikel der anglikanischen Kirche
auf die Wittenberger Artikel von 1536 zurück und wahren so den
Zusammenhang mit den Reformationskirchen und der Alten
Kirche.

3. Beeindruckend an dieser Selbstdarstellung einer Kirchenfamilie
ist, daß nahezu in allen Beiträgen von der Notwendigkeit
einer Erneuerung die Rede ist, so daß Harms in seinem
Vorwort davon sprechen kann, daß uns im folgenden eine Kirche
vor Augen geführt würde, die sich in besonderer Weise „als
ecclesia Semper reformanda verstehen" möchte (S.10). Ein
außenstehender Kritiker hätte nicht leicht die vorhandenen
Mängel schonungsloser ans Licht ziehen können, als es hier von
Methodisten geschieht! Die rückläufige Bewegung in der Mitgliederzahl
wird für England und Deutschland offen zugegeben
(S.19 bzw. 46). In der Weltmission hat der ursprüngliche
„Schwung" nachgelassen (S.190). Mehrere Autoren beklagen,
daß die Methodisten in ihrem sozialen Engagement nicht radikal
genug seien; interessant ist in diesem Zusammenhang die durch
längere Ausführungen gestützte Behauptung von Karl-Heinz
Voigt (S. 284ff.), daß der deutsche Methodismus durch seine
Anlehnung an die Erweckungsbewegung entscheidend an sozialrevolutionärer
Kraft verloren habe. Der „Würgegriff der kirchlichen
Tradition" (so der Engländer Blatherwick S.239) wird an
einer Erstarrung der Arbeitsformen (ebd.) und am Verlust der
früheren Flexibilität in der Ämterordnung aufgewiesen (S.116).
Anzeichen eines „kleinkarierten Denkens" fehlen trotz der „fast
angeborenen ökumenischen Gesinnung" nicht (S.107). Auch daß