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Ausgabe:

1970

Spalte:

373

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Staedtke, Joachim

Titel/Untertitel:

Johannes Calvin 1970

Rezensent:

Koch, Ernst

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Seite 1

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373

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

Staedtke, Joachim: Johannes Calvin. Erkenntnis und Gestaltung
. Göttingen-Zürich-Frankfurt: Musterschmidt- Verlag
[1969]. 114 S. 8 Taf. 8° = Persönlichkeit und Geschichte,
hrsg. v. G.Franz u. G.A.Rein, 48. Kart. DM 5,80.

Leben und Bedeutung eines Mannes vom Range Calvins auf
so beschränktem Raum wie dem eines Taschenbuches von gut
100 Seiten darzustellen, verlangt schon meisterhaftes Können.
Staedtke hat es, um es vorweg zu sagen, an diesem Buch bewiesen
. Er beschreibt unter der Überschrift „Erkenntnis" biographisch
die Zeit bis zur Rückkehr aus Straßburg einschließlich
der (teilweise über den Zeitabschnitt hinausgreifenden)
Genese der Institutio, unter der Überschrift „Gestaltung" die
Zeit ab 1541 einschließlich je eines Kapitels über die Theologie
Calvins, die Wirtschafts- und Sozialethik und das Verhältnis
von Staat und Kirche. In knappen, klaren Formulierungen wie
in einprägsamen Szenen wird das Wichtigste aus dem Leben und
Denken Calvins zusammengetragen unter Verzicht auf gelehrtes
Beiwerk. Und doch spürt man jeder Seite des Buches eindringende
Kenntnis des Materials ab. Das Problem der Bekehrung
Calvins faßt St. sehr vorsichtig an und möchte - etwa im
Unterschied zu Cadier - ihren Termin keinesfalls vor Herbst
1533 ansetzen. Daß Calvin der Verfasser der Rektoratsrede von
Nikolaus Cop in Paris gewesen sei, bleibt ihm nach wie vor
unsicher. Auch Inhalt und Motive der Bekehrung sieht St. etwas
anders als etwa G.W.Locher. Das Spezifikum der Theologie
Calvins dürfte mit den Begriffen Pneumatologie - Prädestination
- Bund zutreffend umschrieben sein (S.89ff.), obwohl
sich vielleicht bereits hier Widerspruch von einer anders orientierten
Calvinforschung her erhebt.

Anregend ist die Art und Weise, wie St. es versteht, die Bedeutung
Calvins für die Geschichte Westeuropas herauszustellen
, während die Auseinandersetzungen mit dem Luthertum
kaum eine Rolle spielen. Als ausgesprochen gelungen muß
auch das abschließende Kapitel „Die Persönlichkeit" bezeichnet
werden. So kann dieses Bändchen auch ohne weiteres denen
empfohlen werden, die sich ohne Kenntnis der Probleme einen
Überblick über Leben und Denken des Genfer Reformators verschaffen
wollen.

Corrigendum: S.44 letzte Z.: 1541.

Körner/Thür. Ernst Koch

KIRCH EN GESCHICHTE: NEUZEIT

Francke, August Hermann: Werke in Auswahl, hrsg. v. E. Pesch-
ke. Berlin: Evang. Verlagsanstalt u. Witten: Luther-Verlag
[1969]. XII, 432 S. gr. 8°

Das Auswahlprinzip, nach dem der vorgelegte Quellenband
erarbeitet wurde, ist im Vorwort klar ausgesprochen: „Die Auswahl
beschränkt sich auf das deutsche Schrifttum Franckes, der
sich mit seinen deutschen Predigten und Traktaten an einen
weiten, alle Schichten des Volkes umfassenden Hörer- und Leserkreis
wendet. Während seine lateinischen, speziell an akademische
Leser gerichteten Abhandlungen einen reflektierenden,
systematisierenden Zug aufweisen, kommt sein persönliches
praktisches Anliegen in den deutschen Schriften und Predigten
besonders deutlich zum Ausdruck". Die Texte sind nicht chronologisch
hintereinander gestellt, sondern unter 7 Sachüberschriften
gegliedert. Kapitel I „Biographisches" enthält. Franckes
Lebenslauf (1690/91) sowie „die Fußstapfen des noch lebenden
und waltenden liebreichen und getreuen Gottes" von 1701.
Drei Briefe sind als besonders typische und auch kirchengeschichtlich
interessante Dokumente in den Band aufgenommen
worden; sie beleuchten das Verhältnis Franckes zu Spener,
zu Ludolf und zur Mission in Tranquebar. Die Schriften zur
kirchlichen Reform beginnen mit Auszügen aus dem Glauchi-
schen Gedenkbüchlein von 1693, denen als Ergänzung die
Schrift „Kurzer und einfältiger Entwurf von den Mißständen des
Beichtstuhles" von 1697 folgt. Das Projekt zu einem Seminario

universali von 1701 beschließt diesen Teil. Kapitel 3 „Pädagogische
Schriften" bietet die Vorrede „Von der Erziehung der
Jugend" 1698 (S.120ff.). Es folgt der „Kurze und einfältige
Unterricht, wie die Kinder zur wahren Gottseligkeit und christlicher
Klugheit anzuführen sind" von 1702. Die Schriften zum
Studium der Theologie beginnen mit dem berühmten „Timotheus
..." von 1695, an den sich die „Idea studiosi Theologiae"
von 1712 anschließt (mit Kürzungen in den Anmerkungen und
unter Weglassung des Anhangs). Mit der paraenetischen Vorlesung
„de Theologia mystica" von 1704 klingt ein neues wesentliches
Thema auf. Von besonderem Interesse für gegenwärtige
Fragestellungen ist Teil 5 mit den Schriften zur Hermeneutik.
Es werden im Auszug vier Texte geboten: Einfältiger Unterricht,
wie man die H.Schrift zu seiner wahren Erbauung lesen solle,
1694; Einleitung zur Lesung der H.Schrift, insonderheit des
Neuen Testaments, 1694; Christus der Kern Heiliger Schrift,
1702; Observationes Biblicae, 1695. Als 6. Kapitel folgen 4 Predigten
: Vom rechtschaffenen Wachstum des Glaubens, 1691;
Äußerlicher Umgang der Kinder Gottes mit den Kindern dieser
Welt, 1695; Von den falschen Propheten, 1698; Die Übung des
Glaubens im Kreuz, 1701. Der Band schließt mit Kapitel 7
„Schriften zur Lebensführung", für den 7 Texte ausgewählt
wurden: Schriftmäßige Lebensregeln, 1689; Von der Christen
Vollkommenheit, 1691; Kurze und einfältige, jedoch gründliche
Anleitung zum Christentum, 1696; Grundregeln Christi, 1696;
Bekenntnis eines Christen, 1697; Schriftmäßige Anweisung,
recht und Gott wohlgefällig zu beten, 1695; Was von dem weltüblichen
Tanzen zu halten sei, Vorrede, 1697.

Die Aufzählung der abgedruckten Texte zeigt, daß tatsächlich
ganz wesentliche Schriften Franckes ausgewählt wurden, die
einen guten Einblick in seine Frömmigkeit und Zielsetzung sowie
in die Probleme seiner Zeit gewähren können. Auch philologisch
hält der Band allen Anforderungen stand: Zu jeder Schrift wird
eine knappe Einführung gegeben, die doch alles Wesentliche
enthält: Die Umstände der Entstehung, die Überlieferung des
Textes sowie die bisherige Arbeiten zu jenem Text. Die Edition
hält sich soweit irgend möglich an die Erstdrucke der Schriften.
Die damalige Orthographie und Zeichensetzung sind übernommen
worden, was jedoch der Lesbarkeit kaum hinderlich ist.
Sehr nützlich sind die Anmerkungen, die die vorkommenden
Personen kurz charakterisieren; dadurch gewinnen insbesondere
der Lebenslauf wie auch die Briefe, in denen zahlreiche bekannte
und auch weniger bekannte Zeitgenossen Franckes genannt
werden. Eindrucksvoll ist die große Zahl von Bibelzitaten; auch
Gesangbuchverse sind in Anmerkungen gekennzeichnet und
gleich mit Verweisen auf unser heutiges EKG versehen. Das
Nachwort (S.393ff.) bietet eine Einordnung Franckes in größere
theologiegeschichtliche Zusammenhänge; den ablehnenden Urteilen
eines V.E.Löscher, A.Ritsehl und K.Barth gegenüber
bemüht sich der Herausgeber erfolgreich um eine positivere
Würdigung, ohne die Schattenseiten zu verschweigen. Wertvoll
ist auch eine Zeittafel, die eine Fülle von Einzelheiten zusammenstellt
. Eine Erläuterung der von Francke gebrauchten Fremdwörter
sowie auch einiger heute ungebräuchlicher deutscher
Wörter dürfte ebenfalls für den Leser nützlich sein. Ein Bibelstellen
-, Personen- und Sachregister beschließen den Band.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß dieses Textbuch sein Ziel
erreichen wird. Es wird Verständnis wecken für die Frömmigkeit
und Theologie Franckes, es wird einen Gesamteindruck
von seiner vielgestaltigen praktischen Wirksamkeit geben und
schließlich auch mit seiner Umwelt und ihren Problemen vertraut
machen. Wer diesen Band studiert wird in jedem Falle
Gewinn davon haben. Für spezielle Arbeiten über Francke
stehen wichtige Texte bequem zur Verfügung sowie auch die
nötigen Hinweise zum Einstieg in weiterführende Arbeiten.
Aber auch dem Anfänger kann man die Lektüre dieses Bandes
empfehlen, da er einen ausgezeichneten Einblick verschafft.
Der Hallenser Ordinarius Peschke, der bereits mit zahlreichen
Veröffentlichungen über A.H. Francke hervorgetreten ist,
dürfte mit dem jetzt vorgelegten Quellenband einen größere
Leserkreis erreichen. Man kann für diesen nützlichen Band nur
herzlich dankbar sein.

Rostock Oert Hacndler