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Ausgabe:

1970

Spalte:

366-367

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Spanneut, Michel

Titel/Untertitel:

Tertullien et les premiers moralistes africains 1970

Rezensent:

Voss, Bernd Reiner

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

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lieh auf 50 Bände geplant. Als dieses Ziel 1964 erreicht war, nahm
man die zweiten Fünfzig in Angriff. Offensichtlich besteht also
ein Bedürfnis danach in den weiteren Leserkreisen, an die sich
die Reihe wendet. Die Auswahl der patristischen Werke ist
weitgespannt, Lateiner wie Griechen kommen zu Wort. Daß
Augustin allein 20 Bände hat, entspricht seiner Bedeutung für
die katholische Tradition. Die klassische griechische Patristik
ist bisher mit Basileios, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa,
Johannes Chrysostomos, Eusebios von Kaisareia vertreten. Zu
ihnen tritt nun Kyrill von Jerusalem, dessen Gesamtwerk zwei
Bände füllen soll.

Der anzuzeigende erste Band enthält eine Einleitung von
Stephenson, die sich auf beide Bände bezieht, die Prokatechese in
der Übersetzung Stephensons und die Katechesen 1-12 in der
Übersetzung McCauleys. Der 2. Band soll dann die Katechesen
13-18 und die 5 „mystagogischen" Katechesen bringen.

Die Einleitung behandelt zunächst Charakter, Umstände und
Hintergrund dieser Belehrungen für Taufbewerber, skizziert
dann erst (in Kapitel 4) das Leben Kyrills und geht anschließend
recht ausführlich auf seine Theologie und das Jerusalcmer
Glaubensbekenntnis ein, das in den Katechesen den Katechu-
menen nahegebracht wird. Es ist verständlich, daß Stephenson
besonderen Nachdruck auf jene Themen legt, die er schon vorher
in Aufsätzen behandelt hat („St.Cyril of Jerusalem and the
Alexandrien Christian Gnosis", Studia Patristica I, TU 63,1957,
142—156; „The Text of the Jerusalem Creed", Studia Patristica
III, TU 78, 1961, 303-313). Doch wird dadurch die Einleitung
für den ins Auge gefaßten Benutzerkreis stellenweise zu speziell.

Merkwürdig mutet es an, daß sich der zweite Übersetzer,
McCauley, seinerseits in einem zweiseitigen Vorwort zu den
Katechesen (S.89f.) ausdrücklich von „some of the findings"
in Stephensons Kapitel über Kyrills Theologie distanziert, ohne
doch diese Thesen näher zu bezeichnen oder seine Gegenposition
anzugeben. Deswegen soll auch hier nicht näher darauf eingegangen
werden, zumal Kyrills dogmatische Stellung in den
Katechesen kaum Ausdruck findet. Da er die Taufreden als
„junger Mann" (so Hieronymus) gehalten hat, spielt auch seine
spätere dreimalige Absetzung für sie keine Rolle. Wichtiger ist,
ob er sie noch als Presbyter oder schon als Bischof (seit 349)
hielt. Stephenson setzt letzteres voraus. In der Tat spricht aus
den Reden ebenso ein jugendlicher Elan wie ein reifes Verantwortungsbewußtsein
. Für die Entstehung der schriftlichen Fassung
haben wir übrigens ein interessantes Zeugnis in einer
redaktionellen Notiz, die schon die älteste erhaltene Handschrift
enthält. Danach sind die Predigten, die Kyrill regelmäßig in der
Fastenzeit vor den Taufbewerbern hielt, nur in einem Fall, im
Jahre 352 nach Christi Geburt von interessierten Hörern mitstenographiert
worden. DieRe Art gemeindlicher Tradition macht
es auch einleuchtend, was mehrere neuere Forscher aus verschiedenen
Gründen annehmen: daß die mystagogischen Katechesen
von Kyrills Nachfolger Johannes II. stammen. Die
Unsicherheit der Meinungen darüber zeigt sich u.a. darin, daß
der letzte Herausgeber, Ä.Piedagnel (Sources Chretiennes 126,
1966) den Namen Kyrill in der Überschrift behält, in der Einleitung
aber zu Johannes neigt. Der vorliegende Band enthält
dazu nur eine kurze Stellungnahme des Herausgebers der Reihe,
Bernard M. Peebles, in seinem Vorwort. Sie geht in die gleiche
Richtung.

Die zitierte Notiz charakterisiert auch gut den Inhalt der
Katechesen: die notwendigen Kirchenlehren auf Grund der
Schrift, Auseinandersetzung mit Heiden, Juden und Häresien,
dazu ethische Mahnungen aller Art.

Die Predigten lesen sich glatt und z.T. geradezu spannend in
der englischen Übersetzung, die gelungen erscheint, soweit der
Ausländer das beurteilen kann. Vom Inhalt seien nur zwei
Punkte hervorgehoben: die ausführliche und heftige Auseinandersetzung
mit Mani und seiner Lehre und die Liste der
kanonischen Schriften, in der die Offenbarung noch fehlt. An
beiden Stellen wird ausdrücklich vor dem manichäischen
Thomasevangelium gewarnt.

Die Anmerkungen zum Text bringen im wesentlichen die
Bibelstellen, doch wird Stephenson zur Prokatechese stellenweise
ausführlicher. Ein guter Sach- und Namenindex und ein Bibelstellenregister
bilden den Schluß. Voran steht eine ausgewählte

Bibliographie. Der zugrundegelegte Text ist der von Reischl
und Rupp (München 1848, 1860). Druck und Ausstattungen
machen die Lektüre des Buches auch äußerlich zu einem Vergnügen
. Daß die Legende über die Entstehung der Septuaginta
in Kat.IV,34 steht (nicht 24, wie S.89 gedruckt), findet man
bald.

Berlin Ursula Treu

Spanneut, Michel: Tertullien et les premiers moralistes africains.

Gembloux: Duculot; Paris: Lethielleux [1969]. XII, 220 S.
gr. 8° = Recherches et Syntheses, Section de Morale. bfr
280,-.

Hinter dem undeutlichen, ja irreführenden Titel der hier
anzuzeigenden Schrift verbirgt sich eine Darstellung der wichtigsten
Äußerungen zu Fragen der Ethik beiTertullian, Cyprian,
Arnobius und Laktanz mit einem knappen Kapitel über Minu-
cius Felix innerhalb des Tertullian gewidmeten Abschnitts.
Tertullian wird nicht, wie man annehmen könnte, mit den anderen
Autoren konfrontiert, und daß es sich bei denen nicht um
„Moralisten" handelt, hat der Vf. selbst erklärt (115 und 125).

Ziel der Darlegungen soll es sein, das Entstehen einer Moral
sichtbar werden zu lassen. Ausgangspunkt ist die latent bekämpfte
Auffassung, eine genuin christliche Sittenlehre habe es
nicht gegeben; die Christen hätten der Sache nach die vorchristliche
Ethik übernommen (IX).

Der Vf. läßt seine Autoren weitestgehend selbst sprechen. Der
Inhalt des Buches besteht zu einem sehr großen Teil aus - übersetzten
- Zitaten, die durch überleitende Sätze und entsprechende
Anordnung in einen geschlossenen Zusammenhang gebracht
worden sind. Der Vf. ist sich zwar der Gefahren bewußt, die die
systematisierende Anordnung nicht auf ein System bezogener
Aussagen mit sich bringt; trotzdem aber hat er Zitate aus den
verschiedensten Schriften nach einem vorgefaßten Ordnungsprinzip
zusammengestellt und so den Eindruck einer ausgearbeiteten
Theorie auch dort entstehen lassen, wo sie nicht vorhanden
ist. Die allgemein gehaltenen, durchweg zutreffend charakterisierenden
Bemerkungen in den Einleitungen der einzelnen Abschnitte
bilden infolge ihrer Kürze kein hinreichendes Gegengewicht
. Zweifellos ist es legitim, die Grundlagen herauszuarbeiten
, auf denen getrennt voneinander entstandene Aussagen
erwachsen sind. Ein Verfahren jedoch, bei dem man sich
von überallher Bausteine zusammensucht, um ein Gebäude zu
rekonstruieren, das höchstwahrscheinlich nie bestanden hat,
gibt zu Bedenken Anlaß; umso mehr, wenn historische Betrachtung
allenfalls in knappen Anmerkungen zu Wort kommt,
die zusammenhängende Darstellung dagegen nicht beeinflußt.

Betreffen diese Bemerkungen im wesentlichen Probleme der
Darbietung des Stoffes, so richten sich die folgenden auf seine
Abgrenzung. Sollte die Entstehung der christlichen Moral dargestellt
werden, so durfte nicht auf griechische Zeugnisse verzichtet
werden. Dieser Verzicht, der u.a. zum Ausschluß des
„Paidagogos" des Klemens von Alexandreia geführt hat, ist
gerade beim Verfasser des „Stoicisme des Peres de l'E-glise"
unverständlich und kann nicht mit dem Hinweis auf den mehr
römisch-praktischen als griechisch-spekulativen Zug des nordafrikanischen
Christentums gerechtfertigt werden (IX). Im
übrigen ist es nicht zu billigen, wenn bei der Beschreibung einer
Moral wie hier nur theoretische Äußerungen herangezogen werden
, Äußerungen zudem, die sich in zahlreichen Fällen gar nicht
auf Fragen einer Moral-Theorie beziehen und nicht selten von
dem jeweiligen Zweck der Schriften gefärbt sind, denen sie entstammen
.

Der Betrachtungsweise des Vf.s kommt allerdings einer der
genannten Autoren entgegen, Laktanz,, der mit den „Institu-
tiones divinae" selbst ein systematisch angelegtes Werk geschaffen
hat. Der ihm gewidmete Abschnitt ist infolgedessen der
ansprechendste des Buches. Hervorzuheben ist insbesondere die
Betonung der Verinnerlichung der Moralvorstellungen (179).
Von historischer Betrachtungsweise ist allerdings auch hier
wenig zu spüren, am ehesten noch in den Ausführungen über die
Grundlagen des Handelns, Wille und Affekte (146-151). Dort