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Ausgabe:

1970

Spalte:

364-366

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Cyrillus Hierosolymitanus, The works of Saint Cyril of Jerusalem 1970

Rezensent:

Treu, Ursula

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363

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

364

Dictionnaire de Spiritualite, ascctique et mystique doctrine et
histoire, fonde par M. Viller, F.Cavallera, J. de Guibert, S. J.,
continue par A.Rayez et C.Baumgartner, S. J., assistes de
M.Olphe-Galliard, S. J. avec le concours d'un grand nombre
de collaborateurs. Fase. XLIV-XLV: Haakman-IIoeger.
Paris: Beauchesne 1968. 576 Sp. 4°.

In Fortsetzung meiner früheren Rezensionen (cf. ThLZ 60,
1935 Sp.382-384; 61, 1936 Sp.423-425; 63, 1938 Sp.51-52;
64, 1939 Sp.86; 82, 1957 8p. 362-364; 89, 1964 Sp. 847-848;
90, 1965 Sp. 755-757; 93, 1968 Sp. 587-588) möchte ich jetzt
den sechsten Band dieses ebenso umfänglichen wie lehrreichen
Lexikons anzeigen, der die Artikel mit dem Anfangsbuchstaben
G enthält. Vornamen wie Gabriel, Georges, Gerard, Gr6goire,
Guillaume bringen es mit sich, daß die Zahl der kleineren Beiträge
, der Kurzbiographien, ungewöhnlich groß ist. Sie umspannen
alle Zeiten. Die meist sehr knappen aus der byzantinischen
Epoche sind in Darrouzes' Händen gut aufgehoben,
die umfänglicheren, die den letzten Jahrhunderten angehören,
vermitteln oft eine Kenntnis wenig bekannter, dabei ganz
mannigfaltiger Persönlichkeiten. Es kann sich um Übersetzer
handeln (Gaultier, Rene, 1560-1638), dessen zahlreiche Arbeiten
gewissenhaft und bibliographisch exakt angeführt werden
(Sp. 144—147), oder um moderne Mystiker wie den in jugendlichem
Alter verstorbenen Italiener Gabriel de l'Addolorata,
1838-1862 (Sp. 1-3), oder um gelehrte Kenner des mystischen
Lebens wie den in Lehre und Schrifttum gleich einflußreichen
Dominikaner Garrigou-Lagrange, 1877-1964, dessen von Thomas
v. Aquin und Johann v. Kreuz bestimmte Gedanken lichtvoll
dargestellt werden, wobei auch sein Gegensatz zu Poulain
aufgedeckt wird (Sp. 128-134). Die Artikel sind meist nach demselben
Schema gearbeitet. Sie geben eine knappe Skizze vom
Leben des Dargestellten, zählen seine Schriften auf, entfalten
seine asketischen und mystischen Ansichten und schließen mit
reichen Literatur-Angaben, was eine erste Orientierung ermöglicht
und ein Weiterarbeiten auf diesem Fundament erleichtert
.

Die größeren Artikel sind dieses Mal spärlicher gesät, auch ist
ihr Umfang erheblich bescheidener als in den früheren Bänden.
Ihre Anlage ist verschieden, entsprechend der Eigenart der
Autoren. Der Beitrag Georgienne (Litterature spirituelle,
Sp. 244-256) bringt eine katalogartige Aufzählung selbständiger
asketischer Schriften und von Übersetzungen aus dem Griechischen
unter ständigem Zurückgehen auf die Handschriften.
Diese erstaunlich reichhaltige Übersicht ermöglicht dann den
Schluß, daß diese Literatur bei AVahrung ihrer nationalen Eigenart
sei an reflet de la litterature byzantine (Sp.256).

Anders ist der Artikel Grecque (Eglise) gearbeitet (Sp.808
bis 872), den der gelehrte Jesuit Jean Kirchmeyer verfaßt hat.
Als Ziel schwebt ihm un essai d'esemble vor (Sp.808), un tableau
complet de la spiritualite (Sp.871) mit allen Entwicklungen und
Nuancierungen im einzelnen. Dies hat eine Anlage nach systematischen
Gesichtspunkten zur Folge, la vocation de l'homme,
wo vornehmlich die wechselnde Bedeutung von elxuii/ und
iuoimais besprochen wird, sodann in breiter Ausführlichkeit
les conditions de la vie spirituelle, und abschließend connais-
sance und amour in ihrer Eigenart und ihrem gegenseitigen Verhältnis
. In dieses, auf den ersten Blick etwas dürre Schema wird
das innere Leben in dem Reichtum seiner Erscheinungsformen
und in deren ständigem Wandel eingefügt und mit souveräner
Beherrschung der Quellen wie der fast unübersehbaren Literatur
anschaulich und fesselnd dargestellt. Diese Anlage hat
damit zur Folge, daß die Belege aus den Quellen nicht in
historischer Reihenfolge geboten werden, sondern im bunten
Wechsel der Zeiten, wie es der jeweilige Gedankengang gerade
erfordert, der durch bestimmte Väterstellen gestützt werden
soll. Daß man auch anders arbeiten kann, zeigt die Mittelpartie
des Beitrages Gloire de Dieu (Sp.436-463), wo bei den einzelnen
Unterabteilungen die Belege chronologisch geordnet sind, was
eine gewisse Monotonie und im Gegensatz zur systematischen
Geschlossenheit obiger Arbeit eine gewisse Atomisierung zur
Folge hat.

Unter den größeren biographischen Artikeln haben besonders
drei meine Aufmerksamkeit erregt. Zunächst der über den

Papst Gregor I. (Sp.872—910), der eine reich dokumentierte
Darlegung von dessen inneren Leben darbietet. Dabei richtet
der Vf. sein besonderes Augenmerk auf die Terminologie und
untersucht eingehend die Bedeutung von Worten wie mens,
acies mentis, ratio usw. (Sp.901ff.). Die Werke werden aufgezählt
, in ihrer Eigenart gewürdigt (Sp.876-881), und bei der
Schilderung des äußeren Lebens erhalten wir bei strittigen
Punkten auch einen Einblick in die Diskussionen (z.B. Sp.873:
Disput zwischen K. Hallinger und O.M. Porcet). Eine überaus
reichliche, nach Sachgebieten geordnete Bibliographie leitet
zu weiteren Forschungen an (Sp. 905-910), wobei es besonders
verdienstlich ist, daß der Einfluß Gregors gebührend berücksichtigt
wird (Sp.909-910).

Bedeutsam ist ferner der Aufsatz überGregorvonNazianz,
den Jacques Rousse verfaßt hat (Sp. 932-971). Hier war es
nützlich, daß ein ausgewiesener Sachkenner wie Paul Gallay
das Kapitel über Gregors Werke schrieb, weil er mit der handschriftlichen
Überlieferung vertraut ist (Sp. 934-936). Der Beitrag
vereint zwei Vorzüge in sich. Er geht sorgfältig den Einflüssen
nach, die Origenes und Athanasius auf Gregor ausgeübt
haben, wobei Didymus als Bindeglied vermutet wird, und er
bemüht sich, den trinitarischen Charakter von dessen geistlichen
Leben zu erweisen. Desgleichen wird mit großer Akribie
die Fernwirkung untersucht an Hand der Scholien ebenso wie
beim Schrifttum späterer Zeiten. Hierbei ist es mir interessant,
daß der Vf. etwa bei den sieben Hauptsünden - mit einem Einfluß
des Nazianzeners auf Johannes Climacus rechnet (Scala
paradisi. gradus 22, MPG 88, 949 A), nicht dagegen mit einem
solchen des Papstes Gregor, was man oft behauptet hat (cf. die
Ausführungen in meinem Buche „Scala Paradisi", S. 133).

Mit großer Freude habe ich den Artikel über Gregor von
Nyssa aus der Feder von Fräulein Mariette Canevet gelesen
(Sp.971-1011). Die Aufzählungen von dessen Werken, ihren
verschiedenen Editionen und Übersetzungen sind mustergültig.
Die Zitate führen neben der Migne-Stelle immer auch den entsprechenden
Fundort in der Ausgabe von W. Jaeger an, ein
Verfahren, das auch andere Autoren befolgen. Gregors Lehren
werden meist im Anschluß an das weitverzweigte Schrifttum
von J.Danielou vorgetragen, doch fehlt es nicht an einer Stelle,
in der die Verfasserin ihre Ansichten selbständig entwickelt
(Sp.989). Sodann begrüße ich es, daß Mühlenbergs Ansicht
(Die Unendlichkeit Gottes bei Gregor v. Nyssa, 1966) widerlegt
wird, der leugnet, daß Gregor besessen habe une experience
mystique, und behauptet, que tous ces textes doivent etre inter-
pretes ,,dans un sens exclusivement theologico-rationnel"
(Sp. 999-1001). Die durch W.Jaegers Fund ausgelöste Diskussion
über den Messalianismus Gregors übersieht die Verfasserin
nicht, schließt sich im allgemeinen der Position Danie-
lous an, hält die Zeit aber noch nicht für reif, um ein endgültiges
Urteil zu fällen (Sp. 1005-1006). Die Literatur-Angaben sind
erschöpfend, beachten selbst kleinere Aufsätze, ohne daß es
freilich möglich gewesen wäre, diese vielfältigen Anregungen in
den Darlegungen zu verwerten, bzw. zu widerlegen (Sp. 1008 bis
1011).

Es wäre noch auf viele gehaltvolle Beiträge hinzuweisen, aber
das Angeführte mag genügen, um den hohen wissenschaftlichen
Wert auch dieses Bandes zu erkennen, der von verschiedensten
Seiten aus, im ständigen Wechsel der Blickpunkte und mit
erstaunlicher Fähigkeit der Einfühlung wie des Nacherlebens
die geheimnisvollen Tiefen des inneren Gnadenlebens zu entschleiern
sucht, überall reiche Belehrung spendend und zu weiteren
Forschungen anregend.

Wiesbaden Walther Völker

[St.Cyril:] The Works of Saint Cyril of Jerusalem, I. Transl. by
L.P.McCauley and A. A.Stephenson. Washington: The Catho-
lic University of America Press [1969]. XII, 279 S. 8° = The
Fathers of the Church. A new Translation, ed by R. J.Defer-
rari. $ 8,50.

Das amerikanische Gegenstück zur „Bibliothek der Kirchenväter
", 1947 mit den apostolischen Vätern eröffnet, war ursprüng-