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Ausgabe:

1970

Spalte:

355-356

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Weigel, Helmut u. Henry Grüneisen (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Deutsche Reichstagsakten unter Kaiser Friedrich III; Fünfte Abteilung, erste Hälfte1453 - 1454 1970

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

356

Versäumtes nachholen, sondern nur den „formalen Unterschied
zwischen Mysterienvortrag und Grundkatechese", „die Mitte
und Grenze jeder besonderen Sophia" (207) aufdecken will.
Paulus „spielt" dabei mit verschiedenen Bedeutungen des Begriffes
.sophia'.

Zur Kritik: Bei aller Zustimmung zum Grundanliegen des Vf.s
muß doch gefragt werden: Wieso kann Paulus, nachdem er
l,18ff. die charismatische Weisheitsrede der Korinther grundsätzlich
als weltlich entlarvt hat, nun doch 2,6ff. auf sie eintreten
? Behandelt Paulus nicht hier zweimal dasselbe Thema auf
unterschiedliche Weise? Fordern die beiden Abschnitte nicht zur
Sachkritik aneinander und voneinander her heraus? Konkreter:
Nimmt man einmal mit dem Vf. an, daß Paulus seine Ausführungen
über die „Sophia" auf die in Korinth besonders geschätzte
Gabe der Weisheitsrede münzt, und behält im Auge, wie
Paulus 12,1 ff. grundsätzlich über die Charismen urteilt, so
könnte sich der christologisch fundierte Entwurf christlicher
Weisheitsrede in 2,6ff. als legitim, dagegen die grundsätzliche,
offenbar die Korinther mit treffende Ablehnung der Weltweisheit
in l,18ff. als plumpe Verzeichnung des Standpunkts der
Korinther, die ja doch gerade Pneumatiker und nicht Welt-
nienschen sein wollen, erweisen. Der Aufgabe der Sachkritik,
die sich bei jeder Interpretation von IKor 1-3, aber je verschieden
, stellt, ist der Vf. meines Wissens ausgewichen.

Die Zusammenfassung der im ganzen sehr soliden und ausgewogenen
exegetischen Ausführungen auf S. 280 ff. zeichnet ein
gutes (vielleicht gelegentlich durch zuviele Zitate aus Bonaventura
, Luther, Balthasar, Althaus etc. etwas „überfremdetes")
Bild der paulinischen Kreuzestheologie. Besonders wichtig
scheinen mir folgende Thesen: Das Wort vom Kreuz meint
„theologia", nicht bloß „christologia" crucis (289f.). Weil es
nicht detailliert und beschrieben, sondern je und je auf konkrete
Probleme bezogen wird (vgl. „Anthropologische Konsequenzen
" S.269ff.), ist Theologie auf Anthropologie wesenhaft
hingeordnet, jene von dieser vollständig bestimmt (302). Die
Mitte der paulinischen Verkündigung ist denn auch lehrhaft,
theologisch nicht verfügbar (303), sondern nur jeweils „verschlüsselt
" aussagbar. Schade, daß der Vf. die Gestalt der verschiedenen
„Verschlüsselungen" (Wort vom Kreuz, Gerechtigkeit
Gottes, Geist, Herrschaft Christi etc.) nicht weiter miteinander
verglichen und auf ihre Legitimität, bzw. ihr Kriterium
hin befragt hat. Daran wäre die eingangs gestellte Frage des
afrikanischen Bischofs nach dem Kern des Evangeliums (vgl.
S.l und 304) nochmals und in letzter Radikalität aufgebrochen.

zur Zeit Tokyo Ulrich Luz

KIRCHENGESCHICHTE: ALLGEMEINES

Weigel, Helmut, u. Henry Grüneisen [Hrsg.]: Deutsche Reichs-
tagsakten unter Kaiser Friedrich III. Fünfte Abteilung, erste
Hälfte 1453-1454. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
1969. XVI, 567 S. 4° = Deutsche Reichstagsakten, hrsg.
durch die Historische Kommission bei der Bayerischen Akademie
der Wissenschaften, 19,1. DM 210,-.

Wie so manches Editionsunternehmen wachsen sich auch die
1867 begonnenen Deutschen Reichstagsakten (ältere Reihe) zu
einer weit über den ursprünglichen Plan hinauswachsenden Bandzahl
aus. Die ersten 3 Bände hatten noch für die 24 Jahre
Regierungszeit des Königs Wenzel ausgereicht. Die Bände 4-6
umfaßten die Jahre 1400-1410. Der jetzt vorgelegte, voluminöse
Halbband reicht gerade aus für einen Reichstag von der
Dauer eines Monats. Freilich mußte weit ausgeholt werden:
Jener Reichstag zu Regensburg, der vom 23. April bis 21.Mai
1454 tagte, wurde ausgelöst durch die Eroberung Konstantinopels
am 29.Mai 1453. Dieses Ereignis wird daher in Teil A
zunächst behandelt. Schriftwechsel zwischen abendländischen
Fürsten, ein Protestschreiben Kaiser Friedrichs III. an den
Sultan, ein Beschluß des Rates von Venedig, Auszüge aus Briefen
des Enea Silvio Piccolomini an Kardinäle (u.a. Nicolaus
Cusanus) führen in die Wochen unmittelbar vor dem Fall der

Stadt. Das Echo nach der Eroberung wird vielfach eiugefangen
(Teil B, S. 19-46). Es zeigt sich, wie eine gemeinsame Aktion des
Abendlandes nicht Zustandekommen kann. Der Kaiser will die
Initiative an den Papst abgeben, der Papst schiebt sie wieder
dem Kaiser zu; dieser beruft daraufhin schließlich jenen Reichstag
nach Regensburg ein, dessen Verhandlungen das eigentliche
Thema des Bandes bilden. Teil C erörtert „Vorverhandlungen
und Vorbereitungen zu einem Europäischen Kongreß bzw.
Deutschen Reichstag zu Regensburg am 23. April 1454: Dezember
1453 bis März 1454" (S. 47-138). Teil D „Der Besuch des
Reichstages April bis Mai 1454" nimmt in der Einleitung das
Ergebnis vorweg: „Der geplante Kongreß schrumpfte zu einem
mäßig besuchten Reichstag zusammen" (S. 140). Teil E berichtet
vom Eintreffen der Teilnehmer und ersten Verhandlungen
vom 29. April bis lO.Mai 1454 (S. 223-38).

Die eigentliche Problematik des Reichstages deutet sich früh
an und wird im Verlaufe der Darstellung immer deutlicher sichtbar
: Eine Fülle von Interessen und Problemen kreuzen sich, die
Abwehr der Türken kann nicht das einzige Thema bleiben. In
der Vorrede wird dazu bereits gesagt: Es liegt „im Wesen der
damaligen Politik und in der Verfassung des damaligen Reiches,
daß sich an die Frage der Bekämpfung der Türken sofort politische
und verfassungsmäßige Probleme anschlössen, ältere und
fortdauernde Gegensätze den Reichstag überschatteten, ja beherrschten
. Die ständische Reichsreform und der damals einem
Höhepunkt zustrebende Konflikt zwischen Polen und dem
Deutschen Orden, ebenso aber das problematische Verhältnis
Friedrichs III. zu König Ladislaus von Böhmen und Ungarn
waren mitbestimmend für Vorgeschichte, Geschichte und Nachgeschichte
des Reichstages" (S. VIII). Nach diesen Feststellungen
der Vorrede richtet sich die Anordnung des Quellenmaterials.
Teil F „Reichsreform und Deutschordenshilfe 11. und 14. Mai
1454" steht vor jenem Teil, der die ursprüngliche Problematik
enthält: „Kreuzzug gegen die Türken 10. bis 23.Mai 1454"
(Teil G, S. 258-338). Ein besonders schwieriges Thema ist der
Besuch des Reichstages durch Herzog Philipp von Burgund,
dessen Drängen auf einen Kreuzzug mit angeblichen oder wirklichen
Königsplänen im Zusammenhang gesehen wird gerade die
letzten Jahre haben viel Literatur zu diesem Thema gebracht.
Die einschlägigen Quellen sind hier in Teil H vorgelegt, dem
Herzog Philipp wird ausdrücklich die Ehrlichkeit seines Drängens
auf einen Kreuzzug bescheinigt (S.342/43). Das Kapitel
„Der Konflikt des Deutschen Ordens mit dem Preußischen
Bund vor und nach dem Regensburger Reichstag Dezember
1452 bis August 1454" zeigt besonders eindrücklich, wie fern
man im Abendland einer Gemeinsamkeit zur Abwehr der
Türkengefahr stand: „In allen Argumentationen des Kaisers
und des päpstlichen Legaten spielt ... die Notwendigkeit der
Befriedung aller Konflikte innerhalb Europas für ein gemeinsames
Vorgehen gegen die Türken eine gewichtige Rolle. Nach
außen hin hat es den Anschein, als ob sie tatsächlich die Politik
von Kaiser und Reich im Ordensland bestimmt habe. Durchgesetzt
haben sich jedoch die partikularen Interessen, die der
Stände in Preußen und die der zu staatlicher Selbständigkeit
aufsteigenden Königreiche Polen und Böhmen" (S. 147). Teil K
„Kaiser Friedrich und König Ladislaus April 1453 bis April
1454" (S.508-567) beginnt mit der Feststellung: „Über das
Schicksal des im Mai 1454 beginnenden Reichstages zu Regensburg
war bereits im Februar 1454 die Entscheidung gefallen,
als der Kaiser sich entschloß, den Reichstag nicht zu besuchen.
Er begründete seine Absage mit dem noch ungeklärten Verhältnissen
in und zu den Landen des Königs Ladislaus". Es kam
wohl zu Abmachungen, die aber nicht ratifiziert wurden. So
blieb „zwischen Kaiser und König über die Reichstage von 1454
und 1455 hinweg bis zum Tode des Königs am 23. November
1457 ein vertragsloser Zustand bestehen" (S.512).

Den beiden Herausgebern schuldet man Dank in mehrfacher
Beziehung. Die Hauptprobleme des Reichstags zu Regensburg
von 1454 sind in den einzelnen Kapiteln geschickt zusammengefaßt
worden. Die einzelnen Quellenstücke wurden mit größter
Gründlichkeit textkritisch gesichert. Insbesondere aber machen
die instruktiven Einleitungen zum Band und zu den einzelnen
Kapiteln die Durcharbeitung des Bandes zu einer Freude.

Rostock Gert Hacndler