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Ausgabe:

1970

Spalte:

351-352

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kelly, John N. D.

Titel/Untertitel:

A commentary on the Epistles of Peter and of Jude 1970

Rezensent:

Pokorný, Petr

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351

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

1352

erschlossenen apokryphen islamischen (ursprünglich wohl
judenchristlichen) Berichtes über die Passion Jesu (vgl. Nikolaineu
NTS 14, 1968 8.287ff.), dessen Publikationen u.a. in der
englischen Öffentlichkeit Aufsehen erregte (8.264-272). Otto
Michel schließlich legt 8tudien aus der Werkstatt der in
Tübingen besorgten Josephus-Ausgabe vor (S. 240-246). Er
untersucht Bellum Judaicum VI 290f.293-95 unter dem Gesichtspunkt
, wie Josephus die dort berichteten Predigten des
Jahres 66p.Chr. gedeutet hat: nicht als Heilszeichen (im Sinne
der Apokalyptik) sondern als Warnungen (wie die halachische
Tradition), jedoch eingeordnet in einen größeren Zusammenhang,
der auf die kommende Katastrophe ausgerichtet ist. Er folgert
daraus, daß gegenüber einer einseitig die pharisäischen Elemente
bei Josephus betonenden Auffassung die priesterlich-kultischen
Voraussetzungen seiner Hermeneutik stärker beachtet werden
müssen.

Dem nobel-konservativen Geist der Beiträge entspricht die
solide äußere Gestalt der Festschrift bis hin zu der sorgfältig
zusammengestellten Bibliographie des Jubilars (S.IX-XV).
Stellt man diesen Band vergleichbaren Festgaben gegenüber, so
fällt der fast vollständige Verzicht auf das im vordergründigen
Sinne Aktuelle, die Konzentration auf Specialissima auf. Der
spröde eher abweisende Gestus, mit dem sich auch die Beiträge
der angelsächsischen Mitarbeiter darbieten, ist nicht zufällig.
Er erweist sich als Signum einer Forschung, der es um die Sache
auch auf Kosten der Wirkung zu tun ist.

Halle/Saale Wolfgang Wiefel

Kelly, J.N.D. D.D., F.B. A.: A Commentary on the Epistles of

Peter and of Jude. London: Adam & Charles Black [1969]. X,
387 S. 8° = Black's New Testament Commentaries, ed. by
H.Chadwick. Lw. 45 s.

Kellys Kommentar trägt alle Merkmale sorgfältiger englische
Exegese. Wenn er auch eine gute Auswahl der Sekundärliteratur
bietet, verweister auf die anderen Forscher überwiegend
nur in der Einführung. Dafür zitiert er oft die zeitgenössischen
Texte, einschließlich der patristischen Parallelen. K. ist doch
durch seine dogmengeschichtliche Arbeit „The Early Christian
Doctrines" (3. Aufl. 1965) bekannt geworden. Berechtigt betont
er die Verbindungen zum Alten Testament, und in den exegetischen
Ausführungen zeigt er auch eine gute Kenntnis der
Qumrantexte. Die Übersetzung des griechischen Textes und die
philologische Auslegung sind überzeugend, gut belegt und nicht
durch eine vorgegebene Gesamtkonzeption beeinflußt, wie es in
den Kommentaren manchmal vorkommt. Oft bleibt jedoch die
Exegese auf der Ebene der Paraphrase, weil die Aussagen des
Textes nicht als geschichtlich im vollen Sinne betrachtet werden
. Zum Beispiel die Ekklesiologie des ersten Petrusbriefes
oder die grobe Ketzerbekämpfung und die Auseinandersetzung
mit der Parusieverzögerung im zweiten Petrusbrief stellen
bedeutende Etappen der Theologiegeschichte dar, die nur in
einer scharfen Unterscheidung von den anderen Positionen,
z. B. des Paulinismus oder der späteren Kirche, richtig beschrieben
und eingeschätzt werden können. Die Skylla der eigenwilligen
geschichtlichen Rekonstruktionen hat der Vf. überwunden,
aber die Charybdis einer gewissermaßen geschichtslosen Darstellung
hat er nicht ganz gemieden.

K. hält den ersten Petrusbrief nicht für eine literarische
Epistel, sondern für einen richtigen und in der Struktur einheitlichen
Brief (S.3). Für sehr wahrscheinlich hält er die Frühdatierung
in die Zeit Neros (S.27ff.; 133), wobei er die in der
Epistel angedeuteten Verfolgungen der Christen in den Provinzen
mit den lokalen Pogromen gleichsetzt (8.29). Er
nimmt die Möglichkeit der Authentizität ernst, wenn er auch die
Pseudonymität für nicht ausgeschlossen hält (S.32f.). Die Absicht
des Briefes sieht er in der Paränese, wobei die Taufe und
die Eucharistie (S.87) im Unterschied zu den Mysterien in der
eschatologischen Perspektive gesehen werden (S.50).

Im einzelnen ist z.B. die Begründung der Übersetzung des
Ausdrucks /■uytxdf ydla durch ,,milk of word" (2,2) oder in 2,9
die substantivische Auffassung des Wortes ßaaunw bedeutsam
. Die Worte ßmmimm ImdaMfim werden dann durch „a
royal house, a priesterhood" übersetzt. In 3,19ff. sind die
Geister mit den gefallenen Engel gleichgesetzt, die in Gen 6
erwähnt sind. Diese schon früher begründete Auffassung
(W. Bieder, B.Reieke) wird neuerdings von mehreren Exegeten
(J. B. Soucek) für einen der Schlüssel zu den Paränesen des
Briefes betrachtet.

Flacher wirkt die Auslegung der Paränese in 2,18ff., wo der
Unterschied zu den Paränesen in Eph und Kol nivelliert wird,
die doch auch noch Mahnungen au die Herren enthalten. Oder
muß der richtig entdeckte Unterschied zwischen Rom 13,1-7
und IPetr 2,13-17 nicht mindestens zur Überlegung der Möglichkeit
einer bewußten Korrektur der pauliniscken Auffassung
der Obrigkeit durch den IPetr führen ? Das Mißtrauen gegenüber
der Spätdatierung wirkt sieh da ungünstig aus.

Der Judasbrief ist nach K. wahrscheinlich eine pseudoiiyme
antignostische Schrift aus den Jahren 80-90 (S. 231-234). Der
von ihm abhängige 2Petr, der nicht authentisch ist, sei in den
ersten Jahren des 2. Jahrhunderts entstanden (S. 2361'.). Die
xv^tvrijs im V.8 wird nicht auf die himmlischen Mächte, sondern
auf Gott selbst (xiigwi) bezogen, weil sie da im Unterschied
zu den anderen neutestamentlichen Stellen im Singular vorkommt
(so z.B. auch K.H.Schelkle).

Die Auslegung des zweiten Petrusbriefes besticht durch überzeugende
Deutung des manchmal sehr schwierigen Textes.

Noch mehr als die anderen Kommentare der Reihe wird das
vorliegende Werk zur nützlichen Basis jeder weiteren kritischen
Exegese. Über die äußere Gestalt des Kommentars, der auch
breiteren Schichten der Leser verständlich ist, gilt das, was
W. Schmithals in der Besprechung eines anderen Kommentars
der Reihe (IKor) in ThLZ 94, 1969 Sp.589, dritter Absatz,
geschrieben hat. Es ist ein Lob.

Prag Petr Pokorn?

Lippert, Peter: Leben als Zeugnis. Die werbende Kraft christlicher
Lebensführung nach dem Kirchen Verständnis neu-
testamentlicher Briefe. Stuttgart: Kath. Bibelwerk 1968.
214 S. gr. 8° = Stuttgarter Biblische Monographien, hrsg. v.
J.Haspecker u. W.Pesch, 4. Kart, DM 30,-.

Diese Arbeit - es handelt sich um eine Dissertation an der
Academia Alfonsiana (Rom) - besticht zunächst durch ihre
aktuelle Fragestellung. Denn daß Christen durch die Art ihrer
Lebensführung Zeugnis ablegen für die Wahrheit ihres Glaubens
und so auf ihre Umwelt eine werbende Kraft ausüben, ist nicht
nur ein viele gegenwärtige Überlegungen über Mission, Ge-
meindeaufbau und Laienaktivität beherrschender Gedanke,
sondern darüber hinaus korrespondiert dem heute vielfach zu
beobachtenden Vertrauensschwund gegenüber Verkündigung,
Lehre und Zeugnis des Wortes ganz allgemein ein Drängen auf
Aktion und Zeugnis der Tat. Von da her war der Versuch naheliegend
, aus dem Neuen Testament jene Aussagen zusammenzustellen
, die „der Lebensführung der Christen durch sich selbst
nnd in Ergänzung zum verkündeten Wort zeugnisgebende
Kraft" zuschreiben (S.7). Um so überraschender ist es auf den
ei sten Bück, wenn dieser Versuch zu einem sehr schmalen Ergebnis
führt, doch darf nicht dies schon dem Vf. angelastet
werden. Im Gegenteil, es wäre zu wünschen gewesen, daß er
diese Tatsache, die in den behandelten Texten selbst begründet
ist, eindeutig herauszustellen gewagt hätte, statt in methodisch
recht anfechtbarer Weise ein breiteres Ergebnis vorzutäuschen.

Lippert setzt durchaus sachgemäß bei den Pastoralbriefen
und dem IPetr ein, bei Schriften nämlich, die eine Diasporasituation
der Kirche voraussetzen und von daher deren Stellung
zur heidnischen Umwelt bewußt reflektieren. Aus den
Pastoralbriefen werden vor allem die Aussagen aus den Haustafeln
und Ämterspiegeln, die die Forderung der Untadeligkeit
und des guten Rufes erheben, untersucht (lTim 3,7.9f.; 4,15;
5,3-16; 6,1.6f.; Tit 2,1-10). Beim IPetr konzentriert sich
Lipperts Interesse hauptsächlich auf die Mahnung zum exemplarischen
Wandel unter den Heiden (2,11 f.), die Weisung für die