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Ausgabe:

1970

Spalte:

347-348

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Regul, Jürgen

Titel/Untertitel:

Die antimarcionitischen Evangelienprologe 1970

Rezensent:

Fascher, Erich

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Seite 1

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347

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

348

Schiffe im Hafen von Alexandria zu beschlagnahmen (1569),
was starken Protest von Seiten Frankreichs hervorrief. Auch
von Krisen und Enttäuschungen blieb das Leben des jüdischen
Herzogs von Naxos nicht verschont, aber noch unter dem dritten
Sultan verschwand sein Einfluß nicht ganz. Doch betätigte er
sich gegen Ende seines Lebens mehr als Mäzen. Er besaß eine
riesige Bibliothek, die er Gelehrten zur Verfügung stellte; er
unterhielt Rabbinerschulen und eine hebräische Buchdruckerei,
die seine Witwe nach seinem Tod weiterführte. - Vielleicht hat
das Leben von Joseph Nassi in der Legende vom „Juden von
Malta" nachgewirkt, die Christopher Marlowe, der Vorgänger
Shakespeares, zu einem Drama gestaltet hat.

P. Grunebaum-Ballin hat ein reiches Archivmaterial gesammelt
und erschlossen mit dem Ziel, eine detaillierte Anschauung
vom Leben Nassis zu geben. Dies wird durch viele Einzelheiten,
ja Alltäglichkeiten aus der jüdischen, christlichen und islamischen
Umwelt erreicht. Häufig kommen die Texte selbst zu
Wort, und die tendenzfreie Interpretation bleibt ohne Übertreibung
und Schönfärberei.

Tübingen Reinhold Mayer

Eck, Werner: Die Eroberung von Masada und eine neue Inschrift
des L.Flaviua Siva Nonius Bassus (ZNW 60, 1969 S.282-289).

Gager, J. G.: Pseudo-Hecataeus Again (ZNW 60, 1969 S. 130-139).

Hruby, K.: L'amour du prochain dans la pensfe juive (NRTh
101, 1969 S.493-516).

Kippenberg, H. G.: Ein Gebetbuch für den samaritanischen Synagogengottesdienst
aus dem 2. Jh. n. Chr. (ZDPV 85,1969 S. 76-103).

Leviant, Curt: King Artus. A Hebrew Arthurian Romance of 1279,
edited and ranslated with cultural and historic Commentary. Assen:
Gorcum & Comp. 1969. IX, 125 S. gr.8° = Studia Semitica Neer-
landica, ed. by M.A.Beck, J.H.Hospers, Th.C.Vriezen en R.Fran-
kena, 11. hfl. 20.-.

Rüger, Hans Peter: Nnsin - Er. Zur Deutung von 1 QS 8,13-14(ZNW
60, 1969 S. 142-144).

NEUES TESTAMENT

Regul, Jürgen: Die antimarcionitischen Evangelienprologe.

Freiburg/Br.: Herder 1969. 276 S. gr. 8° = Vetus Latina.
Die Reste der altlateinischen Bibel. Nach Petrus Sabatier neu
gesammelt u. hrsg. v. d. Erzabtei Beuron. Aus der Geschichte
der lateinischen Bibel, 6. DM 51,60.

Das vorliegende sprachlich und methodisch ausgezeichnete
Buch ist die Erweiterung einer von den Bonner Professoren der
Evangelisch-Theologischen Fakultät D. Schneemelcher und
D.Karpp empfohlenen Dissertation. Laut Vorwort des Vf.s
entstand dieses Werk in zwei Etappen. Während die Einzeluntersuchungen
des zweiten Hauptteils als Dissertation eingereicht
wurden - sie wurde im Juli 1964 angenommen - hat der
Autor sich vor einer Drucklegung zur Erweiterung entschlossen
und das jetzige erste Kapitel „Die Überlieferung der sogenannten
antimarcionitischen und monarchianischen Prologe" neu
hinzugefügt. Dazu mußte er sich in die Handschriftenkunde und
Textforschung der lateinischen Bibel einarbeiten und fand dabei
bis hin zur Drucklegung dieses Werken wohlwollende Förderung
und sachkundigen Rat des Paters Dr. Bonifatius Fischer (Beuron
) und seiner Mitarbeiter. Natürlich hat solche nachträgliche
Zusammenfügung ihre Nachteile, und das ist dem Autor von
vornherein klar gewesen. In der Tat können die Ausführungen
auf S. 1-94 eine in sich geschlossene Darstellung bilden, nachdem
„die letzte Stütze für die Behauptung, die vorliegenden
Prologe seien antimarcionitischen Charakters, gefallen ist".
Dieser erste Teil, eine Charakteristik des weit verstreuten Handschriftenmaterials
unter Benutzung zweckmäßiger Signaturen,
die man in Beuron erarbeitet hat, stellt m.E. den besonderen
Wert dieser Untersuchung dar, während R. im umfangreichen
patristischen Teil (S. 95-265) bei aller Akribie und Schärfe des
Urteils keine neuen Quellenbelege zu verarbeiten hat. Regul
stellt nämlich eingangs fest (S. 11), daß keine eigene originale

Zeile von Markion überliefert ist und auch die neueren reichhaltigen
Funde von Nag Hammadi kein wesentliches Material
zutage gefördert haben. Die älteste kirchliche, antimarcioni-
tische Literatur ist untergegangen, so daß wir auf Irenaeus als
ältesten Berichterstatter angewiesen sind. Zweckmäßigerweise
hebt der Autor noch einmal hervor, daß die antimarcionitische
Literatur in drei Gruppen eingeteilt wird und daß die drei
Evangelienprologe zu Mk, Lk und Job, welche in einer beschränkten
Anzahl von Bibelhandschriften erhalten sind, wohl unterschieden
werden müssen von den vier monarchianischen
Evangelienprologen, die in der Regel die evangelische Vulgata-
überlieferung begleiten. Da der Vf. die Unterscheidung zweier
Arten von Prologen, welche durch hinzugefügte Eigenschaftswörter
einen Unterschied feststellen sollen, nicht für zweckmäßig
hält, macht er den vernünftigen Vorschlag, die seit Corssen sogenannten
monarchianischen Prologe Argumente zu nennen
(nach einem Stichwort des Matthäusprologs) und den Begriff
des Prologs auf die drei erhaltenen Prologe des Mk, Lk und Job
einzugrenzen, welche angeblich antimarcionitisch sind. Dabei
muß man davon ausgehen, daß diese Prologe von den zahlreichen
Vorreden in griechischer u. lateinischer Sprache zu unterscheiden
sind. Es ist bezeichnend, daß für den Bereich griechischer
Texte bereits Herrn, v. Soden diese Vorreden behandelt hat
(Schriften des NT... 1902-1910), während für die abendländischen
lateinischen Vorreden bisher nur die in Maschinenschrift
vervielfältigte Heidelberger Dissertation von M. E. Schild
(1964) vorliegt. Man sieht, daß die lateinische Text- und Handschriftenforschung
, mit dem Namen Beuron verknüpft, neueren
Datums ist.

Um den Leser bei der gebotenen Raumersparnis doch präzis
zu unterrichten, wie es mit der Überlieferung dieser sogenannten
antimarcionitischen Prologe steht, seien folgende Ergebnisse
mitgeteilt (S. 69ff.). Die Annahme de Bruynes, diese drei Prologe
seien ursprünglich griechisch verfaßt, ist keineswegs erwiesen
. Nur vom Lukasprolog liegt auch eine griechische Textfassung
vor, deren Tradition so dürftig ist, daß man an einem
griechischen Ursprung zweifeln muß. Ein solcher Rückschluß
wäre, wie schon Harnack wußte, nur möglich, wenn alle drei
Prologe eine Einheit gebildet hätten. Diese Annahme wird aber
durch handschriftliche Überlieferung nicht bestätigt; denn in der
Unzahl von Handschriften finden sich ganze sechs (vgl. die
Tabelle S. 71) in denen die drei Prologe miteinander vorkommen.
Sonst kommen sie immer nur vereinzelt vor und zwar der
Lukasprolog 31mal, Markus 12mal und Joh lOmal. Die Häufigkeit
des Lukasprologs resultiert nach Regul aus der Tatsache,
daß dieser Prolog häufig im 1. Abschnitt mit dem Lukasargument
nahezu identisch ist (vgl. S. 72 oben). Daraus ergibt sich,
daß die Überlieferung jene Prologe nicht als drei zusammengehörende
Stücke bietet (S.73). Auch chronologisch bestehen da
große Differenzen: Der Markus- und Joh.-Prolog tauchen vor
dem neunten Jahrhundert nicht auf; die ravennatische Vorlage
M (um 530) ist vierhundert Jahre jünger gegenüber der bisherigen
Datierung (2. Jahrh.) und kein anderes Zeugnis füllt
diese Zeitlücke aus. Auf exakter handschriftlicher Forschung
ist also die These von de Bruyne-Harnack, daß diese Prologe ins

2. Jahrhundert gehören, nicht erweisbar. Wir können den Inhalt
des 2. Hauptteils nicht mit der gleichen Ausführlichkeit referieren
, der den Einzeluntersuchungen zu den Prologen anhand
der kirchlichen Tradition gewidmet ist. Hingewiesen sei nur
darauf, daß die Tradition vom kleinasiatischen Joh und entsprechende
Nachrichten des Papias besonders geprüft werden.
Das Endergebnis läßt sich in folgende Kurzthesen mit dem
Autor zusammenfassen: 1. Diese Prologe stammen nicht von
einer Hand. 2. Keiner von ihnen ist im 2. Jahrh. entstanden.

3. Eine kirchliche Gegenausgabe des NT zum NT Markions ist
nicht erwiesen. Das würde zur Folge haben, daß in der großen
Synopsis Quattuor Evangeliorum von 1964-65 auf S.532f. eine
Korrektur hinsichtlich der „Prologi Vetustissimi" vollzogen
werden muß.

Berlin-Adlershof Erich Fascher