Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

343-346

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hengel, Martin

Titel/Untertitel:

Judentum und Hellenismus 1970

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

343

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

344

einzelnen wird zunächst Dan 2 besprochen, wobei entgegen von
Rads Abgrenzung des an israelitische Erwählungstraditionen
gebundenen prophetischen Gedankengutes von der Apokalyptik
die Sprucheinheiten bei Dtjes sich als Grundlage für die offenbar
auch im babylonisch-persischen Raum entstandene Traumvision
von dem Standbild erweisen, indem hier wie dort die Geschichte
im Plan Jahwes liegt, prophetisch vorausgesagt und durch Gott
selbst verwirklicht wird. Weisheitliohe Züge in Dan 2 sind formal
umweltbedingt und haben material nichts mit der sich aus
der Prophetie herleitenden umfassenden Geschichtsankündigung
zu tun. Vf. wendet sich dann Dan 7-12 zu. Die in diesem Komplex
verarbeiteten Vorstellungen lassen darauf schließen, daß
er in Palästina durch Gruppen, die über das Exil hinaus die
prophetische Eschatologie vertraten, ausgebildet wurde, indem
man den apokalyptischen Entwurf von Dan 2 übernahm und
durch eigene Konzeptionen aktualisierte. Auch hier dient die
Aufnahme fremden Gutes nur dazu, die aus der eigenen Geistesgeschichte
gewonnenen Vorstellungen auszudrücken. In einem
letzten Abschnitt kann Vf. endlich zeigen, daß die statisch bei
der Weltordnung verweilende Weisheit nicht zu einem eigenen
apokalyptischen Entwurf imstande war. Fehlt ihr ein Bezug zur
Geschichte, die dynamisch auf ein Ende zudrängt, so verbindet
sich die weisheitliche Determinationsvorstellung mit der apokalyptisch
-geschichtlichen im Glauben an Gott als den Schöpfer
und verändert später deren ursprüngliche Struktur. Die Ausführungen
haben ihren überzeugenden Wert in einer aus kritischer
Erörterung erwachsenen Weiterarbeit an einemProblem
alttestamentlicher Theologie.

Es sind nur wenige Druckfehler zu notieren: S.26 Z.2 lies »gemachte
'; S.28 Anm.47 lies ,in Jerus.'; S.49 ist im hebr. Text zweimal
fälschlich ein Holem gesetzt, ebendort muß es in Anm. 64 Ez 12,27
statt 12,16 heißen und S.53 Anm.2 hat Herrmann Anspruch auf ein
zweites ,r'. - Offenbar nicht herangezogen hat Vf.: K.Töth, Törtenet
es eschatologia Däniel könyveben (Geschichte und Eschatologie im
Buche Daniel), Theologiai Szemle 1962, 80-86.

Leipzig Wolfram Herrmann

JUDAICA

Hengel, Martin: Judentum und Hellenismus. Studien zu ihrer
Begegnung unter besonderer Berücksichtigung Palästinas bis
zur Mitte des 2. Jh.v.Chr. Tübingen: Mohr 1969. VIII, 692 S.
gr. 8° = Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen
Testament, hrsg. v. J.Jeremias und O.Michel, 10. DM 137,-;
Lw. DM 145,-.

Der Rez. eines Werkes wie des vorliegenden - einer Tübinger
Habilitationsschrift vom Jahre 1966 - befindet sich in einer
schwierigen Lage: Das, was hier auf 570 Seiten Text - ausgestattet
mit einem umfangreichen gelehrten Apparat - an
Material und vor allem an Durchdringung und Interpretation
des Materials dargeboten wird (man vgl. nur das knapp 50 Seiten
umfassende Quellen- und Literaturverzeichnis!), läßt sich in
einer Rezension auch nicht nur annähernd vermitteln, geschweige
denn im einzelnen beurteilen. Wer jedoch angesichts des Um-
fangs der Arbeit zunächst erschrocken sein sollte, wird - hat
er einmal mit der Lektüre des in einem glänzenden Stil geschriebenen
Buches begonnen - dem Vf. gern und mit Spannung bis
zum Ende folgen, auch dort, wo er gegebenenfalls kritische Anmerkungen
machen oder die Akzente etwas anders setzen würde.

Aufgabe und Ziel der Arbeit werden gleich zu Beginn eindeutig
umschrieben: „Sie möchte einen Beitrag leisten zum
besseren Verständnis der Entwicklung des Judentums in der
Zeit zwischen den Testamenten, die mit dem Zeitalter des Hellenismus
weitgehend deckungsgleich ist, und damit gleichzeitig
den soziologischen und religionsgeschichtlichen Hintergrund erhellen
, aus dem das Urchristentum hervortrat" (S. V; vgl. auch
S.7). Es handelt sich also keineswegs nur um eine „judaistische"
sondern zugleich um eine auch und gerade für den Neutestament-
ler grundlegende Arbeit, zumal jene „Ausrichtung auf das Neue
Testament hin" (S.7) nicht nur die sogen. Neutestamentliche
Zeitgeschichte betrifft, sondern darüber hinaus auch mitten in

die theologische und christologische Sachproblematik des Neuen
Testaments hineinführt.

Ausgangspunkt für die Darlegungen des Vf.s ist zunächst die
weithin bis heute übliche Gegenüberstellung von „Judentum"
und „Hellenismus", wie sie sich auch in bezug auf das Judentum
selbst in der Unterscheidung zwischen „hellenistischem" und
„palästinischem Judentum" niederschlägt sowie endlich in
bezug auf das Urchristentum in der Unterscheidung zwischen
„hellenistischer" und „palästinischer Gemeinde" (vgl. S. 1). Der
Vf. möchte mit seiner Arbeit zu einer wirklich sachgemäßen
Differenzierung anleiten, indem er sich - was das vorgelegte
Material betrifft - geographisch auf Palästina, chronologisch auf
die Zeit „bis ungefähr zur Mitte des 2. Jahrhunderts" beschränkt
, das „Geschehen in der Diaspora nur auszugsweise"
heranzieht (S. 1 f.), in diesem Rahmen allerdings in der Tat „so
etwas wie ein historisches Gesamtbild der Begegnung zwischen
Judentum und Hellenismus" (S.7) gegeben hat. Dabei ergibt
es sich von der Sache her, daß die eben skizzierten räumlichen
und zeitlichen Grenzen mitunter überschritten werden. Was
diese „Sache" betrifft, so ist allerdings von vornherein deutlich
(vgl. bereits die Ausführungen in der „Einleitung", S. 1-7), daß
die Arbeit insgesamt auf nichts weniger hinausläuft als auf einen
weitgehenden Abbau jener traditionellen Unterscheidung
zwischen „Judentum" und „Hellenismus": Grundthese des Vf.s
ist, daß auch und gerade das „palästinische Judentum" letztlich
als „hellenistisches" Judentum zu bezeichnen sei (vgl. dann
besonders S. 191-195 u.ö.) - wobei im einzelnen dann selbstverständlich
zu differenzieren ist. Die Durchführung der These
in den einzelnen Kapiteln zeigt jedenfalls sehr deutlich, wie dies
im konkreten Falle - und d.h., angesichts der Komplexität der
unter dem Stichwort „palästinisches Judentum" zusammengefaßten
historischen und religionsgeschichtlichen Phänomene -
zu geschehen hat.

Die Durchführung des Themas - sie kann an dieser Stelle nur
ganz kurz skizziert werden - geschieht in vier Kapiteln „in
komplexer Weise" (S.5); dies bedeutet, daß der Vf. zunächst
nicht - wie dies in der bisher zum Thema vorliegenden Literatur
zumeist der Fall ist - „ideengeschichtlich" oder auch „motivgeschichtlich
" arbeitet, sondern in Kapitel I (S. 8-107) - als
Grundlegung für die folgenden Kapitel - „Die Begegnung des
Judentums in Palästina mit der Zivilisation des frühen Hellenismus
als technisch bestimmter politischer und wirtschaftlicher
Macht" darstellt. Hat der Vf. gerade in diesem Kapitel
„eine gewisse Vollständigkeit des literarischen und archäologischen
Materials angestrebt" (S.5), so braucht an dieser Stelle
gar nicht besonders darauf hingewiesen zu werden, welche
im eigentlichen Sinne grundlegende Bedeutung gerade dieses
Kapitel für die folgenden Kapitel II-IV hat, in denen die
„Begegnung von Judentum und Hellenismus" vor allem in
religions- und ideengeschichtlicher Hinsicht herausgearbeitet
wird. Der Nachweis, daß im palästinischen Judentum soziale
und religiöse Motive aufs engste miteinander verbunden sind,
ermöglicht dann jedenfalls einen zwanglosen Übergang zum
Kapitel II (S. 108-195), in welchem - unter der Überschrift:
„Der Hellenismus in Palästina als kulturelle Macht und sein Einfluß
auf die Juden" - im einzelnen folgende Probleme erörtert
werden: griechische Sprache, griechische Erziehung und Bildung
im palästinischen Judentum sowie griechische Literatur
und Philosophie in Palästina. Vor allem der Unterabschnitt
„Jüdische Literatur in griechischer Sprache in Palästina"
(S. 161-190) macht dann evident, in welchem Sinne und mit
welchem Recht vom Judentum Palästinas als „hellenistischem"
Judentum gesprochen werden kann (S. 191-195). - Das S.Kapitel
- überschrieben: „Das palästinische Judentum in der Begegnung
und Auseinandersetzung mit dem Geist der hellenistischen
Zeit" - bildet - auch hinsichtlich des Umfangs
(S. 196-463!) - den Schwerpunkt des ganzen Buches. Daß es
auch den problematischsten Teil des Buches ausmacht, ist dem
Vf. selbst bewußt (vgl. S.6 sowie die methodischen Erörterungen
S. 196-199): Bereits die Auswahl der zu behandelnden
Quellen stellt hier vor Schwierigkeiten, die nur derjenige verkennen
wird, der noch nicht den komplex-vielschichtigen
Charakter des palästinischen Judentums zur Kenntnis genommen
hat. So hat der Vf. denn auch in diesem Kapitel keines-