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Ausgabe:

1970

Spalte:

337-340

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Šallîṭ, Avrāhām

Titel/Untertitel:

König Herodes 1970

Rezensent:

Baumbach, Günther

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337

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

338

Schalk, Abraham: König Herodes. Der Mann und sein Werk,
übers, v. J.Amir. Berlin: de Gruyter 1969. XVI, 889 S.,
9 Taf., 4 Ktn., 1 Falttab. gr. 8° = Studia Judaica. Forschungen
zur Wissenschaft des Judentums, hrsg. v. E.L. Ehrlich
, IV. Lw. DM 148,-.

Die vorliegende deutsche Ausgabe stellt eine Neubearbeitung
des 1960 in hebräischer Sprache erschienenen Buches dar, wodurch
der Umfang dieses Werkes von 542 auf 890 Seiten angewachsen
ist. Die Besonderheit dieser wohl umfassendsten
Herodes-Darstellung ist darin zu sehen, daß sich Sch. um eine
positive Würdigung des Herodes auf dem geistigen Hintergrund
des Römischen Reiches, dem darum besondere Aufmerksamkeit
gewidmet wird, bemüht und insofern die Arbeit von W.Otto
weiterführt und vertieft. Als Anliegen seiner Untersuchung gibt
Seil, an, „sine ira et studio" das große Ringen des Herodes zur
Überbrückung der Scheidung zwischen der römisch-hellenistischen
und der jüdischen Welt zu schildern. Der Aufbau des
Buches dient diesem Zweck. Sch. setzt im I. Kapitel ein mit dem
„Ende des Hasinouäerhauses und dem Aufstieg des Anti-
patros und seines Hauses" (S. 1-52 = hebr. 13-36). Das entscheidende
Problem Verständigung mit Rom oder Krieg gegen
Rom macht sich schon in dem Gegeneinander des Hyrkanos
(mit Pharisäern) und des Aristobul (mit Sadduzäern) bemerkbar
. „Das Gebot der Stunde, sich in ruhiger Besonnenheit und
nicht erzwungenermaßen der römischen Macht zu unterwerfen"
(S.20), wurde besonders klar von Antipatros erkannt, der
„hierin einer Meinung mit den Pharisäern" war (S.28).

Im II.Kapitel mit der Überschrift: „Herodes wird König"
(S. 53-97 = hebr. 37-59) geht Sch. auf die Verlobung der Has-
monäerin Mariamme mit Herodes ein, wobei er die politische
Intention dieser Verbindung, wie sie W.Otto herausgearbeitet
hatte, strikt ablehnt und statt dessen allein die Liebe als Grund
gelten lassen will; denn die Verbindung mit Mariamme brachte
ihm „nicht nur keinen Zuwachs an Recht..., sondern obendrein
noch die Feindschaft ... der radikalen Pharisäer" ein (S.64).
Diese „radikalen" oder „extremen" oder „fanatischen" Pharisäer
tauchen in den Ausführungen Sch.s immer wieder auf, ohne
daß man ein klares Bild von ihnen gewinnen kann. In der
hebräischen Ausgabe heißen sie „zelotische Pharisäer". Diese
„Fanatiker des jüdischen Glaubens" vertraten nach Sch. die
These, „daß das Königtum über Israel dem Hause Davids allein
für ewige Zeiten anvertraut sei und daß jeder, der diesem Hause
nicht angehöre und sich diesen Rang anmaße, ein Räuber sei,
der unrechtmäßig auf dem Thron des Messias, des Sohnes
Davids, sitze" (S.473). Unversöhnlich standen sie darum dem
Hasmonäerhaus gegenüber, während sie sich mit Herodes als
mit einem Fremdherrscher tatsächlich abfanden, „da ja alle
Fremdherrschaft mit der Ankunft des Sohnes Davids schließlich
untergehen werde" (S.64).

Das III. Kapitel „Die Anfänge des Herodes als König"
(S. 98-145 = hebr. 60-84) beginnt mit dem „Blutbad unter dem
Adel". An der Ermordung der 45 aristokratischen Mitglieder des
Synedriums werden nach Sch, die leitenden Absichten der hero-
dianischen Innenpolitik deutlich: „das Synedrion als Machtzentrum
der Aristokratie zu vernichten und dadurch deren
politisches Schwergewicht zu erschüttern" (S. 100) und „die
Hasmonäer jedweder Macht zu entkleiden" (S. 101). Die Ernennung
des Hananel zum Hohenpriester wertet darum Sch. -
gegen W.Otto, J.Jeremias u.a. - als „schroffen Ausdruck einer
feindseligen Politik gegen die Jerusalemer Aristokratie im allgemeinen
und die Sprossen der Hasmonäerfamilie im besondern"
(S. 102) und zugleich als Zeichen der Absicht, „dem Hohenpriesteramt
etwas von seiner Majestät zu nehmen und dadurch
indirekt das Ansehen des Königtums beim Volke zu steigern"
(S. 103). In der Beauftragung des Aristobulos mit dem Hohenpriesteramt
will Sch. nur eine Änderung der Taktik, keineswegs
jedoch der Strategie des Herodes erblicken. Herodes „verfolgte
einzig und allein den Zweck, ... seine nähere Umgebung und die
breit« Öffentlichkeit bezüglich seiner wahren Absichten mit den
Hasmonäern hinters Licht zu führen" (S. 109). Die zu offen
gezeigte Begeisterung des Volkes für diesen hasmonäischen
Hohenpriester besiegelte dessen Schicksal. Damit setzte der
Beginn der Zerrüttung im Hause des Herodes ein. Außenpolitisch
gelang es Herodes durch seine außerordentliche
Wendigkeit, das Wohlwollen des Siegers von Actium zu gewinnen
und Gebietserweiterungen zu erreichen.

Den größten Raum nimmt das zentrale IV.Kapitel ein:
„König Herodes und sein Herrschaftssystem" (S. 146-482
= hebr. 85-239!). Sehr instruktiv sind hier die Darlegungen über
die staatsrechtliche Grundlage des Herodesreiches (S. 146-167
== hebr. 85-94), weil die Bedeutung des Titels „rex socius et
amicus populi Romani" samt allen damit in Verbindung
stehenden Konsequenzen durch ausführliche Belege aus der
römischen Literatur klar und überzeugend entfaltet werden.
Von größter Bedeutung waren die 4 Befugnisse, die Augustus
dem Herodes übertragen hatte und die Sch. breit ausführt:
„1. das Recht, ein Heer zu unterhalten" (vgl. S. 167-183),
„2. die Befugnis zur öffentlichen Verwaltung" (vgl. S. 183-223),
„3. die Befugnis der öffentlichen und privaten Rechtsprechung"
(vgl. S. 223-256) und „4. das Recht der finanziellen Verwaltung
des Königreichs" (vgl. S. 256-298), wobei „die letztere Befugnis
faktisch die Grundlage für die drei ersten bildete" (S. 167).
Sch. kann darum formulieren: Herodes war „in Wahrheit ein
kaiserlicher Finanzbeamter, der die wirtschaftlichen Interessen
seines kaiserlichen Herrn zu wahren hatte" (S. 162 A.63). Der
betont hellenistische Charakter des herodianischen Herrschaftssystems
entspricht diesem Tatbestand. Sch. hebt dabei die
Geschicklichkeit hervor, mit der Herodes versuchte, die religiösen
Gefühle seiner jüdischen Untertanen zu schonen. Trotzdem
lastete auf ihm „ein doppelter Fluch: Das eine war der
Fluch des Proselyten ..., der sich zum König aufgeworfen hatte
über ein Volk, das seine nationale Echtheit nicht anerkannte ...
Der zweite Fluch ... war der Fluch eines Laien, der sich gegen
eine Familie von Hohenpriestern und Königen erhoben und sie
mit Hilfe der Römer ausgerottet hatte" (S.314). Zwei weitere
Unterabschnitte über „Königliche Hoheit" (Tendenz: Entzug
jeglicher politischer Befugnis des Synedriums [S. 301 ff.] und
Unterwerfung des Hohenpriestertums mit Entzug des Erblich-
keits- und Lebenslänglichkeitsrechtes [S.308ff.]) und „Der
königliche Bauherr" (mit eingehender Prüfung der archäologischen
und literarischen Quellen über die von Herodes errichteten
Städte, Festungen und Prunkbauten) leiten über zu
dem wichtigen Unterabschnitt „Im Schatten der hellenistischrömischen
Kultur und Gesellschaft" (S. 403-482 = hebr.
215-239). Als Ziel der herodianischen Politik gibt Sch. an: die
„Niederlegung der Trennungsmauer, mit der die alles Fremde
schroff ablehnende Kultur Israels das Volk umgeben hatte",
und damit der Versuch, seinen Staat als einen „integralen Bestandteil
der hellenistisch-römischen Welt" (S.414) einzugliedern
. In der Erreichung dieses Planes ging Herodes ganz
zielstrebig und konsequent vor. Sch. kommt darum zu einer eindeutig
positiven Würdigung dieses Königs, wenn er schreibt:
„Man darf einen Mann wie Herodes, zweifellos eine der markantesten
Persönlichkeiten seiner Zeit, ja vielleicht der ganzen
hellenistisch-römischen Epoche überhaupt, nicht mit demselben
Maße messen wie irgendeinen Dutzendmenschen, der, von kleinlicher
Ruhmsucht besessen, die sonderbarsten Taten vollbringt,
um seine Umgebung in Staunen zu versetzen..." (S.418)! Nach
ausgezeichneten Erörterungen des Staatsdenkens Ciceros und
des römischen Verständnisses der humanitas wird der Höhepunkt
des Buches in den Unterabschnitten „Das Reich des Herodes
und das Reich des Messias" (S.450-460 = hebr. 223-228) und
„Die Botschaft des Herodes" (S.460-482 = hebr. 228-239) erreicht
. Herodes empfand, „als er auf Rhodos mit Octavianus
zusammentraf und vom neuen Herrn der Welt wider alles Erwarten
in Gnaden aufgenommen wurde", daß ein neues „goldenes
Zeitalter" im Anbruch sei und daß er und sein Reich im
Rahmen dieser „Erlösung", die die Vorsehung dem römischen
Reich beschieden habe, einen festen Platz einnehme (S.456).
Während der König im nicht jüdischen Teil seines Reiches dementsprechend
eine Apotheose begehrte, griff er im jüdischen Teil
auf die Idee des Messias zurück. Um die Angriffe der „extremen
Pharisäer" zu entkräften, „die erklärten, seine Herrschaft sei
ebenso illegitim wie die der Hasmonäer" (S.471) und deshalb
ebenso zum Untergang bestimmt, begann er einerseits das Werk
des Tempelbaus und andererseits die Aufstellung einer Abstammungsurkunde
, die ihn als Davidssproß und damit als