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Ausgabe:

1970

Spalte:

334-335

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Tromp, Nicholas J.

Titel/Untertitel:

Primitive conceptions of death and the nether world in the Old Testament 1970

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

334

Christentums bedeutungslos geworden sind oder verschwindenden
Kulturen angehören. Zu ihrer Darstellung mußte viel geschichtlich
bedingtes Material verwendet werden und damit
Literatur, die dem Leser nicht ohne weiteres zugänglich ist. Es
ist wohltuend, daß bei der Fülle des Materials wenig systematisiert
wurde, so daß der Leser immer unter dem Eindruck ge-
lebter Glaubensformen nichtreflektierender Menschen steht.

Der im Pazifik vorhegende große religiöse Spannungsbogen
wird durch das Buch sehr deutlich. Während wir bei den Poly-
nesiern eine in ethnischer und linguistischer Zusammengehörigkeit
geborene Religion haben, die auf dem Weg zur Priester- und
Adelsreligion sich auf wenige Götter, die als Lebensprinzipien
verstanden wurden, gründete und die den Weg zur Hochreligion
durch Rückfragen über die ausgeprägte Mythologie hinaus
in einer Ergründung des Grundzusammenhangs beschritten hat,
ist man sich in Mikronesien bereits über die Zusammenhänge im
unklaren, so daß es nicht gelingt, die Stammbäume der Führenden
in der Genealogie der Götter zu verankern. In Melanesien
und Neuguinea mit ihrer ethnischen und sprachlichen Zerrissenheit
ist das Stammesleben nicht mehr in einer gemeinsamen
Mythologie begründet; um so stärker bildet sich bereits der
Totemismus aus, der dann in Australien seine Krönung findet.
Das ganze Leben wird religiös begründet, auch wenn man den
profanen Sektor noch kennt. Religiöser Glaube und Ethik
bilden bereits eine Einheit. Der Unterschied zwischen kraftgeladenen
Personen (Häuptlingen und Reichen) und religiös
Minderwertigen (Armen) wird nur noch durch die Geheimbünde
sichtbar. Es gibt keine ausgeprägten Kosmo- und Theogonien
mehr. Die Mythen haben aber existenzielle Bedeutung. Da die
Urzeit die Heilszeit darstellt, kann das Heil durch die Wiederholung
der mythischen Handlung und durch die Rezitation des
mythischen Textes herbeigeführt und die Auseinandersetzung
mit der Umwelt vollzogen werden. Dieser Zug ist in Australien
mit dem Leben der Menschen zur Einheit verschmolzen. Sie
sind im Grunde nicht aus dem Übersinnlichen herausgetreten
und haben die mythische Lebensgestaltung nie aufgegeben. Trotz
dieser graduellen Abstufung ist neben den vielen Verschiedenheiten
in der religiösen Praxis in den drei Gebieten viel Gemeinsames
vorhanden. Überall geht es um die Frage nach dem erfüllten
Leben, das in Polynesien in der Verbindung mit den Gottheiten
, die das Lebenswasser spenden, gefunden wurde. Die Melane-
sier spürten dem Ursprung des Todes nach und meinten ihn durch
Herbeiführung des Urheils und durch die Magie aufheben zu
können. Die Australier glauben so stark an die Allmutter, daß
sie die Entstehung der Menschen auf präeexistente Geistkinder
zurückführen, die Zusammengehörigkeit der Menschen religiös
bestimmen, durch Kultgegenstände und Feiern beständig im
Bannkreis der einen Kraft leben, daß man von einem Anthro-
pomorphismus reden muß. Gemeinsam ist dementsprechend
auch der Glaube an das Mana, auch wenn die Meidung von Personen
nur in Polynesien verlangt war, während man sonst
überall allgemeine Tabu-Gebote kennt. Auch den Ahnenglauben
finden wir überall, auch wenn den Verstorbenen verschiedene
Verehrung entgegengebracht wird. Die Ahnen werden als die
Träger und Hüter der Tradition, als die Bringer des Glücks und
der Fruchtbarkeit verstanden. Daneben gibt es überall gut- und
bösartige Dämonen. Wo, wie in Polynesien, der Glaube an
Götter ausgeprägt ist, finden wir einen geordneten, wenn auch
scheußlichen Opferdienst verbunden mit einem gewissen Gebetsleben
. Wo die Gottheiten sich in Kräfte auflösen, kennt man
nur noch magisch mythisches Handeln. Es gäbe noch viele der
Gemeinsamkeiten, wie der Unterschiede aufzuführen.

Zwei Grundzüge dieser Religionen scheinen mir besonders
für heutige Theologen wichtig zu sein, um auch biblischen Berichten
gegenüber gerecht verfahren zu können. Es gibt tiefste
gelebte Religion, ohne daß theologische Erkenntnisse formuliert
werden. Dementsprechend können auch keine durch unser Welt-
verständm's geprägte theologische Maßstäbe an sie angelegt
werden. Weiter: In den Religionen der Südsee und Australiens
lernen wir Wesen, Wirkgesetze und die Dynamik wirklicher
Mythologie kennen, die etwas vollständig anderes zum Ausdruck
bringen, als was manche Theologen an den biblischen
Berichten als Mythos bezeichnen.

Das Buch kann, wie es selbst sagt, keine Missionsgeschichte
sein. Dennoch wird wiederholt auf die Einwirkungen der christlichen
Botschaft hingewiesen. Die Verfasser bemühen sich
aber bewußt, die ursprüngliche Religion zu beschreiben. Die
Problematik der Christianisierung wird aber bei der Darstellung
der Mischkulte sichtbar, die wegen der Kürze zu den schwächsten
Teilen des Buches gehört. Mischkulte, wie z. B. der Cargo-Kult,
sind ohne die Aufnahme christlicher Gedanken nicht denkbar.
Man kann sie darum nicht allein von dem Weiterwirken des
alten Erbes ableiten. Meist haben bei genauerem Zusehen
christliche Gedanken die Dynamik des Alten neu entfacht.
Zugleich müssen die Mischkulte als Reaktion auf den Kulturzusammenstoß
verstanden werden. Sie sind der Versuch der
Lebensbewältigung mit Hilfe der Religion in Fragen, die die
Menschen sonst nicht lösen können. Hier würde es ein sehr
komplexes Gebiet zu erschließen geben. Theologisch gesehen
handelt es sich um die Gnosis im Raum der jungen Kirchen, die
aus Stammesreligionen hervorgegangen sind. Die Mischkulte
sind darum nicht auf die Südsee beschränkt, sondern begleiten
als ein Wachstumsstadium, durch das die jungen Kirchen hindurch
müssen, die Missionsgeschichte in Afrika und im indonesisch
-pazifischen Raum. Ihre Bedeutung ist längst nicht erforscht
, weil sie meist nur als ein Rückfall in die alte religiöse
Mentalität verstanden werden. Diese Problematik zu erfassen,
kann das Buch einige Anregungen geben.

Neuendettelsau Georg F. Vlcedom

ALTES TESTAMENT

Tromp, Nicholas J., M. S. C.: Primitive Conceptions of Death and
the Nether World in the Old Testament. Rom: Pontifical Bi-
blical Institute 1969. XXIV, 241 S. gr. 8° = Biblica et Orien-
talia, 21. Kart. Lire it. 3.300,-.

Vorliegende, im Jahre 1967 fertiggestellte Dissertation des
Pontificium Institutum Biblicum erscheint als Teil eines von
M.Dahood betreuten Forschungsprogramms „Northwest Semi-
tic Philology and the Bible"1 und hat sich zur Aufgabe gesetzt,
auf dem speziellen Feld der israelitischen Auffassungen vom
Tode und der Unterwelt den Ertrag der ugaritischen Literatur
für ein besseres Verständnis des masoretischen Textes des Alten
Testaments dienstbar zu machen (vgl. 1). Die dabei beschrittene
Methode ist weitgehend die Dahoods und benutzt als Ausgangsbasis
(mit nur geringen kritischen Abweichungen) vor allem
dessen Psalmtextwiedergabe in der Anchor-Bible2 (neben anderen
textkritischen Arbeiten Dahoods) sowie den Hiob-Kommen-
tar von M. Pope in der gleichen Reihe3. Weit überwiegend in den
Psalmen und bei Hiob (vgl. das Stellenregister, 221-231) findet
Tromp Spuren einer aus dem Mythos stammenden Vorsr,ellungs-
welt über Tod und Jenseits, die in der kanaanäischen (ugaritischen
) Literatur enge Entsprechungen haben und einen tiefgreifenden
frühen Einfluß kanaanäischen Denkens auf das Alte
Testament widerspiegeln soll (vgl. 3f.).

Die in zwei Hauptteile (I. Names and Epithets of Sheol in the
Old Testament, 21-128; II. Implications and Explications,
129-210) eingeteilte Arbeit - hinzu kommt eine Einleitung, in
der die methodischen Grundsätze entwickelt werden, 1-5, und
das ugaritische Vergleichsmaterial vorgestellt wird, 6-19, und
ein zusammenfassender Schluß, 211-213, sowie umfangreiche
Register, 215-241, und Listen, XIII-XXIV - ist in Wirklichkeit
(wie Vf. selbst zugibt, 4) nicht streng gegliedert; im Grunde
gehen alle Teile ineinander über. Vielmehr handelt es sich um
eine nach Hauptthemenkreisen (lokale Aspekte, 21 ff., „Milieu",
80ff., personale Aspekte, 99ff.; das gleiche Prinzip etwas erweitert
dann noch einmal im zweiten Teil) und innerhalb dieser
nach Begriffen (wie Sheol, bör, Sahat usw.) ausgefaltete Gesamtvorführung
aller nach Ansicht des Vf.s Anspielungen auf
den Vorstellungskreis Tod/Unterwelt enthaltenden Texte, und
zwar in der Regel im vollen Wortlaut. Dieser Wortlaut weicht
nun allerdings von dem nach dem üblichen Textverständnis gewohnten
und nach den gebräuchlichen Emendationen normalen