Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

332-334

Kategorie:

Religionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Die Religionen der Südsee und Australiens 1970

Rezensent:

Vicedom, Georg F.

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

331

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

332

nicht mehr ganz klar aus dem apokryphen Ezechielbuch nachweisbar
. Die Verbindung von Kuh und Jungfrau fand sich aber
nach Eckarts Vermutung schon im apokryphen Ezechiel.
„Offenbar ... ist der Spruch mit seiner Deutung eingegangen in
ein Florilegium von Prophetenstellen zur Jungfrauengeburt"
(S.48) und von dort her bei den Vätern zitabel geworden.

Walter Delius behandelt ein mittelalterliches Thema (S.49
bis 65). Er spürt die wechselvolle Geschichte auf, die das Verhalten
Papst Hadrians II. zu den Auseinandersetzungen zwischen
dem Erzbischof Hinkmar von Reims und seinem Neffen,
dem Bischof Hinkmar von Laon, hervorgerufen hat. Die hervorragende
kirchenpolitische Bedeutung des Metropoliten
zeigt sich auch an diesem Beispiel, das die Wirkungslosigkeit
päpstlicher und bischöflicher Ansprüche auf der Basis pseudo-
isidorischen Gedankengutes ausweist, wenn eine machtvolle
Persönlichkeit sich einschaltete. - Friedrich Wilhelm Kantzen-
bach legt eine kleine Studie zum Kirchenbegriff vor (S.66-83).
In weit gespanntem Bogen geht er im Laufe der Kirchengeschichte
den Kriterien für Einheit bzw. Kirchengemeinschaft
nach und kommt zu einem „außerordentlich differenzierten Tatbestand
" (S.67). Man darf angesichts der in der ganzen
Kirchengeschichte zu beobachtenden Spaltungen und auch des
gegenwärtigen Faktums von Konfessionskirchen und Denominationen
(S. 66) Kantzenbachs abschließende Erwähnung der
Überzeugung Luthers von „einer vorkonfessionellen Einheit der
Kirche" (S.83) als eine Aufforderung betrachten, hier weiterzudenken
.

Franz Lau eröffnet (S.84-98) den breiten Raum, den die
Reformationsgeschichte in der Festgabe für Walter Dress - der
immer auch dem Lutherstudium verbunden war - faktisch einnimmt
. Interessanter- und nach der augenblicklichen Forschungslage
ungewöhnlicher-, aber doch einleuchtenderweise
macht der Vf. auf die vierte Bauernschrift aufmerksam, die
Luther 1526 unter dem Titel „Ob Kriegsleute auch in seligem
Stande sein können" veröffentlicht hat. Lau stellt in seinem
Beitrag besonders die Relationen zu den vorangehenden drei
Bauernkriegsschriften des Reformators her. - Wilhelm Maurer
führt in seinem Aufsatz (S.99-116) ein Exegemcum Luthers vor,
und zwar handelt es sich um Vorlesungen über Kohelet und das
Hohelied. Unter „dem Bilde König Salomos" (S. 111) wird
„von Luther allgemein der evangelische Landesfürst beschrieben
. Für die Geschichte und das Verständnis des evangelischen
Landeskirchentunis bildet Luthers Exegese der beiden Bücher
, Salomos' - und wohl nicht nur seine - eine bisher unaus-
geschöpfte Quelle". - Korrespondierend zu seinem Buch über
den unbekannten Melanchton führt Robert Stupperich unter
dem Titel „Iudicia de Luthero" bekannte und unbekannte
Urteile über den Reformator an (S. 117-134). Es geht dem Vf.
um persönlich gehaltene Urteile aus dem Reformatorenkreis.
Es ist wichtig, daß nach einer jahrhundertelangen oftmals
unkritischen Luther-laudatio in den evangelischen Kirchen
dem Aufweis differenzierter Voten von Zeitgenossen zum Reformator
einen sachgemäßer Platz eingeräumt wird. Stupperich
liefert einen Beitrag dazu, der durch den Abdruck bisher wenig
beachteter Stellungnahmen Oecolampads, Bucers, Urbanus Rhe-
gius' und Simon Grynäus' vorteilhaft abgeschlossen wird. -
Regin Prenter trägt einem immer bedeutsamer werdenden
Thema in der Gegenwart Rechnung, indem er ebenfalls eine
Abhandlung über den Kirchenbegriff, und zwar sub voce
„Notae ecclesiae" in den lutherischen Bekenntnisschriften vorlegt
(S. 135-157). Prenter arbeitet eine Reihe neuer Gesichtspunkte
heraus, unter denen vielleicht folgender der beachtenswerteste
ist: „Um den wirklichen Sinn der Lehre der Bekenntnisschriften
von den notae ecclesiae zu begreifen, muß man die
orthodoxe Unterscheidung der unsichtbaren von der sichtbaren
Kirche aufgeben" (S.150). - Ernst-Wilhelm Kohls, bereits
durch seine gründliche zweibändige Erasmusstudie (s. ThLZ 94,
1969 Sp.358ff.) als hervorragender Kenner des Humanistenfürsten
ausgewiesen, trägt die Erasmusdeutung Diltheys vor
(S. 158-176). Es geht dem Vf. darum, sowohl die Affinität des
Interpreten zum Interpretierten als auch die Fehleinschätzung
des Erasmus durch Dilthey zu zeigen. Letztere ist vornehmlich
deshalb unterlaufen, weil die schrift-theologische, christo-
logische und trinitarische Ausrichtung des erasmischen Denkens
nicht hinreichend berücksichtigt worden ist (S. 167). Gewichte
von Philosophie und Theologie hat Dilthey z.T. in
seinem eigenen Sinne in Erasmus hineininterpretiert und die
Problematik zuungunsten der Theologie aufgelöst. Trotzdem
haben „Diltheys Urteile und Vorurteile über Erasmus ... ein
neues historisches Verstehen des Erasmus angebahnt ..."
(S.168).

Thomas Bonhoeffer (S. 177-197) widmet sieb in etwa auch
einer Abhandlung zum Kircheubegriff, in dem er die Begriffe
„Institut, Institution und Anstalt' bei untereinander so divergierenden
Denkern wie Friedrich Julius Stahl und Rousseau und
deren Zeitgenossen untersucht. Bonhoeffer greift zur Darstellung
der Vorgschichte dieser Sachverhalte weit zurück, und zwar bis
in die Terminologie der Alten Kirche. Im ganzen hält er es für
erforderlich, den Begriff „Anstalt" (Stahl) bzw. „Anstaltskirche
" im 19. Jahrhundert in seiner Zwielichtigkeit zuerkennen
und ekklesiologisch anders, etwa von der göttlichen Veranstaltung
her (S. 195), anzusetzen. - Karl Kupisch stellt anläßlich
des 200. Geburtstages Napoleons den „Sohn der Revolution"
und den „Statthalter Christi" (Pius VII.) einander gegenüber
(S. 198-210). Lebendig schildert er die auch kirchenpolitisch
souveräne Handlungsinitiative des Monarchen, deren Niederlage
erst mit der allgemeinen Katastrophe besiegelt war. Man dürfe,
so urteilt Kupisch, die Religionspolitik Napoleons keinesfalls
„im Schatten des Ausgangs seiner Machtstellung" sehen
(S.209). - Friedrich Smend teilt einen bisher unveröffentlichten
Brief Schleiermachers vom 26.11.1799 mit (u.a. auch im Faksimile
), der über die Druckgeschichte der Monologen Auskunft
gibt (S.211f.). - Gert Haendler wendet sich dem Rostocker
Theologen und Widerstandskämpfer Julius Wiggers zu, dessen
bewegten Lebenslauf zwischen Kirche und politisch-sozialem
Engagement im 19. Jahrhundert er verfolgt (S. 213-226).

Abschließend gibt Michael Bunners einen Beitrag zur
lutherischen Frömmigkeitsgeschichte, indem er an Hand von
vor einigen Jahren veröffentlichtem Material „Vom Glauben
der Vorfahren Thomas Manns in Mecklenburg" berichtet
(S.227-244). Das zutage Geförderte ist so aufschlußreich, daß
man die Feststellung des Vf.s gern zur Aufforderung erheben
möchte: „Das Werk Thomas Manns harrt einer theologischen
Interpretation" (S.239).

Berlin Joachim Rogge

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Nevermann, Hans, Worms, Ernest A., u. Helmut Petri: Die
Religionen der Südsee und Australiens. Stuttgart^Berlin-
Köln-Mainz: Kohlhammer [1968]. VII, 329 S. m. 20 Abb.,
3 Ktn. gr. 8° = Die Religionen der Menschheit, hrsg. v.
C.M.Schröder, 5,2. Lw. DM 44,-.

Das Buch enthält die Darstellung der Religionen der Polynesien
Mikronesier und Melanesier durch den Ethnologen Hans
Nevermann; eine hier postum veröffentlichte Arbeit des
katholischen Missionars Worms über die Religionen Australiens
und Tasmaniens, herausgegeben von Helmut Petri, der auch das
Nachwort schrieb. Es ist durch Karten- und Abbüdungsmaterial
illustriert und mit ausführlichen Literaturverzeichnissen versehen
. Die erste Arbeit nimmt in einer gelungenen Zusammenschau
nur ein gutes Drittel des Buches ein, der Rest des Buches
befaßt sich mit den Religionen der rund 80000 australischen
Ureinwohner und Mischlinge. Diese Diskrepanz ist wohl darauf
zurückzuführen, daß die Arbeit von Worms bereits fertig vorlag
; sie läßt sich kaum durch die größere Komplexität der australischen
Stammesreligionen begründen.

Es ist bezeichnend, daß der Titel des Buches von Religionen
spricht. Tatsächlich sind die Unterschiede der religiösen Grundansichten
und Phänomene, verästelt in vielen Einzelheiten, so
zahlreich, daß sich das religionsgeschichtliche Material nicht auf
einen Nenner bringen läßt. Das Buch bringt eine oft erdrückende
Stoffülle. Sein Wert liegt vor allem darin, daß es, von Australien
abgesehen, Religionen behandelt, die durch die Übernahme des