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Ausgabe:

1970

Spalte:

330-332

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Antwort aus der Geschichte 1970

Rezensent:

Rogge, Joachim

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329

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 5

330

1548" und Benz „Der Traum Kurfürst Friedrichs des Weisen"
soll hier wenigstens hingewiesen werden.

Gegen die den zweiten, der neueren Kirchen- und Geistesgeschichte
gewidmeten Teil, eröffnende Abhandlung von
M.Schmidt „Religion und Christentum bei Wilhelm von Humboldt
" sind meines Erachtens zwei Einwände zu erheben. Einmal
scheint mir dem gestellten Thema gegenüber die Quellenbasis
der Argumentation viel zu schmal. Kann man unter Absehung
von dem ganzen Briefoeuvre, vom ästhetischen, ge-
schichts- und sprachphilosophischen Schrifttum Humboldts
über seine Auffassung von Religion und Christentum sprechen?
Der zweite Einwand ergibt sich aus dem ersten. Die Orientierung
an zwei Jugendschriften Humboldts und die Beschränkung
auf sie, die zwar die Herkunft des Humboldtschen Religionsverständnisses
aus der Aufklärung sehr klar beleuchtet,
führt dann doch zu einer verflachenden Interpretation von
Humboldts Bildungsbegriff, weil Humboldts Rezeption der
idealistischen Philosophie, des Bildungsprogrammes Schillers
und Goethes nicht berücksichtigt wird. Schmidt beschränkt
sich auf die Formel von der Aufnahme des „neubelebten Griechentums
" Mir scheint, vor dem aufgewiesenen Hintergrund
wäre die im übrigen zweifellos berechtigte These Schmidts von
Humboldts Unterordnung von Religion unter die Bildung neu
auf ihren Inhalt zu befragen.

Die beiden Abhandlungen zum Bild Goethes in der neueren
evangelischen (K. Beyschlag) und der neueren katholischen
(G.Maron) Theologie zeigen in je eigener Weise am Schwanken
der theologischen Urteile die kirchliche Verlegenheit gegenüber
einer Zentralgestalt der bürgerlichen Bildungswelt. Es sei offen
gestanden, daß auch diese beiden Aufsätze, so sehr sie verständnislosen
Verdammungsurteilen gegenüber Goethe entgegenzutreten
bemüht sind, ein Ende der genannten Verlegenheit
doch nicht absehen lassen. Die Abhandlungen über Humboldt
und Goethe werden ergänzt durch solche über katholische Volksmission
(E. Beyreuther), über die Vorgeschichte der Dogmati-
sierung der Immaculata Conceptio (G.Müller), die Nürnberger
Richtung des freien Protestantismus (W.Trillhaas).

Im dritten, umfangreichsten Teil der Festschrift befassen sich
Thielicke, Graß und Mülhaupt mit den wechselseitigen Verhältnissen
von Wissenschaft, Theologie, Lehre und Kirche.
Besonders auf Graß' einleuchtende Anfragen an den Begriff
einer „kirchlichen Wissenschaft" sei aufmerksam gemacht.
Fragen des Gottesbegriffes werden von G. Hornig in einer
Wiedergabe und Beurteilung der wichtigsten aktuellen Stellungnahmen
abgehandelt. Der theologischen Anthropologie gewidmet
sind die Beiträge von W.Lohff (Das dogmatische Problem der
Anthropologie) und W. Joest (Adam und wir). Letzterer versucht
in bedenkenswerter Weise, einem rein aktualistischen
Schöpfungsverständnis zu wehren. Zu Fragen des ius divinum
äußert sich H.Liermann, zu Grundproblemen der Konfessionskunde
J. Lell. H. Breit steuert Gedanken über das Glaubenszeugnis
des Predigers bei, K.Frör das kommentierte Beispiel
einer alttestamentlichen Predigt.

Für besonders wichtig halte ich die Beiträge von E.Wölfel,
„Der Positivismua als Frage an die Theologie", und H. Zeltner,
„Christliche Eschatologie und menschliche Zukunftserwartung.
Kritische Bemerkungen zum Begriff .Säkularisierung'". Win-
gren hatte - wie mir scheint, nicht ohne Grund - in ThLZ 93,
1968 Sp. 81-86 den deutschen Theologen vorgeworfen, sie versäumten
es, sich Sprachanalyse und moderne Logik anzueignen.
Wölfeis Aufsatz versucht erfreulicherweise erste Schritte in
Richtung auf ein theologisches Gespräch mit diesen Bereichen
moderner Wissenschaft zu tun, freilich noch sehr stark der
traditionell idealistischen und darum ablehnenden Haltung verhaftet
, wie sie am typischsten in dem gar nicht schlüssigen Versuch
zutage tritt, dem empiristischen Sinnkriterium „Metaphysik
" nachzuweisen (S.267ff.). Zeltner dagegen unterzieht
weitverbreitete Formen theologischer Ideologiekritik, wie sie
besonders gern gegenüber dem Marxismus angewandt werden,
einer berechtigten und nützlichen Kritik.

Den Band schließt eine Bibliographie der Schriften des Jubilars
, die E.Krämer zusammengestellt hat.

Die Festschrift präsentiert sich im ganzen als eindrucksvolle
Erläuterung des von Lohff in seinem Aufsatz (S.292) vertretenen
methodischen Primates der anthropologischen Frage
in der Theologie. Wenn im Titel Humanitas der Christianitas
vorangestellt wird, so zeigen die Beiträge in überraschender
Einstimmigkeit, daß diese Voranstellung keine Vorrangstellung
meinte, sondern die Durchdringung der Christianitas mit
Humanitas, der Humanitas mit Christianitas im Auge hatte.

Druckfehler: S.25 Anm.8 lies dedit statt ctedit; S.76 unterste Zeile
verrutscht; S. 113 Zeile 14 lies Augsburg statt Ausburg.

Naumburg Wolfgang UUmann

[Dress, Walter:] Antwort aus der Geschichte. Beobachtungen
und Erwägungen zum geschichtlichen Bild der Kirche. Walter
Dress zum 65.Geburtstag, hrsg. von W.Sommer unter Mitwirkung
von H.Ruppel. Berlin: Christlicher Zeitschriftenverlag
[1969]. 256 S., 1 Porträt 8°. Kart. DM 19,-.

Am 18.6.1969 ist Walter Dress 65 Jahre alt geworden.
Freunde, Kollegen, Schüler widmeten ihm eine Festgabe, die
von zwei Vertretern der jungen Generation herausgegeben worden
ist. Das ist nicht von ungefähr, ja vielleicht sogar symptomatisch
dafür, daß der Jubilar Kontakt mit der akademischen
Jugend besaß und behielt, obwohl seine Lehrtätigkeit in der
wechselvollen Geschichte der zurückliegenden Dezennien
mancherlei Unterbrechungen erfahren hat. Was er seinen
Schülern vermittelte, bezog sich nicht allein auf sein engeres
Fachgebiet, die Kirchengeschichte - und hier besonders die spätmittelalterliche
Forschung (Marsilio Ficino und Gerson) -,
sondern auf eine erstaunliche Breite, die moderne Literatur
ebenso wie manche Zweige naturwissenschaftlichen Denkens,
ja überhaupt große Linien der Kulturgeschichte umfaßte. Die
182 Titel der Bibliographie, die dankenswerter- und (im Falle
des Jubilars) besonders sinnvollerweise dem Bande beigegeben
sind, dokumentieren in etwa, zu wie vielen Problemen Dress von
1929 an darstellend oder rezensierend das Wort genommen hat.

Weit gestreut wie das Interessenfeld des Jubilars sind auch die
Themen der 15 Beiträge, die die Festschrift enthält. Die Herausgeber
haben sie chronologisch geordnet. Einige Autoren knüpfen
an Arbeiten an, die sie vor längerer oder kürzerer Zeit bereits
vorlegten, so Walter Delius (1924), Walter Elliger (1930 u.
1934), Franz Lau (1933 u. 1952), Friedrich Wilhelm Kantzen-
bach (1957), Robert Stupperich (1961) und Emst-Wilhelm
Kohls (1966).

Ragnar Bring handelt über „Die Bedeutung des Alten
Testamentes für die Christologie der Alten Kirche" (S. 13-34).
Im Gegensatz zu den Harnackschen Thesen, die vornehmlich in
dessen Marcion-Buch niedergelegt sind und von dort her ihre
Wirkungen in der Theologiegeschichte der letzten Jahrzehnte
gehabt haben, kommt Bring zu dem Schluß: „Das Alte Testament
war also nach unserer Meinung kein historisch bedingtes
Überbleibsel, von dem sich zu scheiden man noch nicht reif
genug war, sondern ein integrierendes Element der christlichen
Botschaft. Ohne das Alte Testament mußte das Evangelium
einer Spekulation oder Schwärmerei ausgeliefert werden. Die
altkirchlichen Theologen, die Verfasser der Bekenntnisse der
Alten Kirche, haben das verstanden" (S.32). -

Zur Bilderfrage äußert sich im Anschluß an seine beiden Monographien
Walter Elliger (S.35-43). Er legt dar, auf Grund
welcher Kriterien es nach anfänglicher Zurückhaltung zur „Entfaltung
einer reichen christlichen Bildkunst" in der Alten
Kirche gekommen ist (S.43). -

Karl-Gottfried Eckart geht der Entstehung des frühkirchlichen
„locus dogmaticus von der Geburt des Christus aus der
Jungfrau" (S.44-48) nach. Er untersucht dabei vornehmlich die
Rolle, die Prophetenworte und apokryphe Zitate in der Patri-
stik gespielt haben. Das Rätselwort von der Jungfrauengeburt
weist er in einer Reihe von Stellen nach und berücksichtigt
dabei besonders die Bedeutung des Rätselspruches: „Siehe, die
Kuh hat geboren und hat nicht geboren. Das aber macht die
Jungfrau deutlich" (S.44). Eckart führt Aufnahmen und Abwandlungen
dieses Zitates bei den Vätern vor und erklärt es als