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Ausgabe:

1970

Spalte:

300-302

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Rordorf, Willy

Titel/Untertitel:

Der Sonntag 1970

Rezensent:

Friedrich, Gerhard

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299

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 4

300

reich i Die ,Herrlichkeit' Christi wird nur dem Glaubenden und nur
als (vom Wort gewirkter) .Durchblick' durch Jesu .Menschlichkeit'
zugänglich.

Mit dieser letzten Beobachtung ist u. E. der eigentliche Bezugspunkt
genannt, von dem aus eine theologische Rücksprache mit
dem großen Theologen und eindrücklichen Prediger Marxsen angemessen
und lohnend wäre.

Leipzig Johannes Hempel

Ruhbach, Gerhard, Schröer, Henning, und Manfred Wichelhaus
[Hrsg.]: Bekenntnis in Bewegung. Ein Informations- und Diskussionsbuch
. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1969). 232 S.
gr. 8". Kart. DM 19.80.

Konzeption und Beiträge dieses Sammelbandes stammen von
einem Arbeitskreis jüngerer Theologen, der 1964 mit dem Programm
einer „Theologia Applicata" an die Öffentlichkeit getreten
ist. Nach einer Reihe von Aufsätzen, die in der „Monatsschrift für
Pastoraltheologie" erschienen sind, ist dieses Buch das erste große
Arbeitsvorhaben des Kreises gewesen. Die Verfasser wollen darin
in exemplarischer Weise ein Thema behandeln, das „alle theologischen
Disziplinen angeht und zugleich eine Lebensfrage christlicher
Existenz darstellt" und bei dem „die Diskrepanz zwischen theologischer
Erkenntnis und kirchlicher Praxis zu Konflikten führt"
(S. 5). Ohne Zweifel erfüllt das Thema „Bekenntnis" diese Bedingungen
und erregt von vielen Aspekten her Interesse.

Der gewichtigste Beitrag scheint mir der von Henning
Schröer zu sein: „Auf der Suche nach einer neuen dogmatischen
Bekenntniskonzeption". Nach einem Überblick über das Reden von
Bekenntnis in heutiger Dogmatik (Barth, Weber, Schlink, Iwand,
Ebeling) stellt Schröer die These auf, daß der Bekenntnisbegriff in
die Christologie hineingehört: „Bekenntnis ist Grundzug der Offenbarung
selbst, nicht nur der Antwort auf Offenbarung" (S. 92). Bekenntnis
ist das Jawort Gottes zur Welt, das in Jesus Christus geschieht
, und keine „Demarkationslinie der Kirche gegenüber der
Welt". So hat „Bekennen" eine ähnliche Struktur wie das pauli-
nische „Erkennen": wir erkennen, weil wir erkannt sind — wir
bekennen, weil sich Gott zu uns bekannt hat. Eine Analyse des
Bekenntnisses im Sinne existentialer Phänomenologie ergibt drei
Komponenten: das Moment der öffentlichen Übereinkunft, die
persönliche Schuldaussage und die Liebeserklärung (S. 99). Das
hat Konsequenzen für eine neue dogmatische Bekenntniskonzeption.
Der Sinn des Bekenntnisses muß also in der Kommunikation, nicht
in der Abgrenzung gesehen werden. Schröer schliefst seine Überlegungen
mit einer Reihe konkreter Forderungen, die von einer
neuen Ordinationsformel über die Kritik an der territorialen Bindung
des Bekenntnisstandes bis zum Verzicht auf eine Verpflichtungsformel
gegenüber den überlieferten Bekenntnisschriften
reichen.

Im Unterschied dazu hält Johannes Wirsching in seinem
Beitrag „Schrift und Bekenntnis" daran fest, dafj das Bekenntnis
„im Verein mit historisch-kritischer Nachfrage die Funktion der
Schrifterklärung ausübt und in aktuell gewonnenen Formeln die
klare Ganzheit der Schrift an konkreten Einzelfragen zur Geltung
bringt" (S. 68). Das Bekenntnis ist nicht mehr, aber auch nicht
weniger als ein Wegweiser, um bei dem Gespräch mit einem Schrifttext
nicht das Schriftganze aus den Augen zu verlieren. Dabei muß
zunächst der Chor der Stimmen der Schrift gehört werden, ehe die
im Bekenntnis erfaßte Wahrheit zur Sprache gebracht wird, um den
notwendigen Vorrang der Schrift zu wahren. Wirsching wendet
sich gegen den Versuch, aus der formgeschichtlichen Methode den
Primat der Einzeltradition gegenüber dem Schriftganzen zu folgern
und so den Bekenntnisbegriff abzuwerten. Mit einer „neuen" dogmatischen
Bekenntniskonzeption haben wir es in diesem Beitrag
also nicht zu tun.

Die Probleme, die das „Bekenntnis als Lehrstoff" aufwirft, behandelt
Manfred Wichelhaus. Die Berührung evangelischer
Christen mit dem Bekenntnis ist in den meisten Fällen formaler
Art. Das Apostolicum als Bestandteil des Lehrplans bleibt ein unbegriffener
Lernstoff, wenn es nicht didaktisch zubereitet wird.
Diese didaktische Aufgabe aber ist darum so schwer, weil das Apostolicum
begrabene Auseinandersetzungen konserviert; es artikuliert
„das Stimmrecht der Toten' (S. 132). Es wird nicht mehr den
Zeitgenossen als aktuelles Zeugnis, sondern den Nachgeborenen als

Lehre zum Unterricht angeboten. So mufj die „Eignung des Aposto-
licums, Bekenntnisbildung zu repräsentieren" bezweifelt werden
(S. 134). Auch das Argument der liturgischen Eingewöhnung macht
das Apostolicum höchstens zum Lernstoff, jedoch nicht zum Lehrstoff
. Der Jugendliche soll dagegen lernen, bekenntnisartige Aussagen
der Gegenwart zu beurteilen und ihre Konsequenzen zu
sehen.

Eine neutestamentliche Studie zur Entstehung des Markus-
Evangeliums unter dem Titel „Das älteste Evangelium und das Bekenntnis
" bietet Herbert K e m 1 e r. Er sieht die Komposition des
Markus-Evangeliums dadurch bestimmt, dafj Markus in ihm das
Dogma von der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus entfalten will,
was vor allem an Jesu Verhältnis zu den jüdischen Theologen, zu
den Dämonen und zu seinen Jüngern deutlich gemacht wird. Die
theologischen Motive des Markus werden von Kemler an den
christologischen Prädikaten, die auf Jesus im Evangelium bezogen
werden, weiterverfolgt und in einem synoptischen Vergleich von
denen des Matthäus und Lukus abgehoben. Das Ergebnis der Untersuchung
lautet: Markus will „einer als gefährlich erkannten Berufung
auf eine apostolische Tradition" entgegentreten, indem er
das Unverständnis hervorhebt, auf das Jesus bei den Aposteln ge-
stofjen ist, und der Ekklesiologie die Christologie gegenüberstellt
(S. 49). Die Verbindung dieser Studie zum Gesamtthema des Buches
bleibt allerdings sehr locker.

Für den in der kirchlichen Praxis Tätigen am ergiebigsten ist
wahrscheinlich der letzte und umfangreichste Beitrag des Bandes
„Bekcnntnisbildung in der Gegenwart" von Hanno Keller. Die
Beweggründe für die Bildung neuer Bekenntnisse sieht er vor allem
in dem Verlangen, in neuer Wirklichkeit und in neuer Sprache zu
bekennen, was der Einzelne glaubt. Von der Barmer Erklärung her
wirkt dabei der christologische Ansatz des Bekennens, von Bon-
hoeffer her die Suche nach einer nicht-religiösen Glaubensaussage
nach. Die Bildung neuer Bekenntnisse für Jugendgottesdienste
setzte nach 1960 ein und hat immer weitere Kreise erreicht. Die
neuen Bekenntnisse erheben nicht den Anspruch langer Dauer,
sondern „bringen den christlichen Glauben so zur Sprache, wie er
den augenblicklichen Umständen des Gottesdienstes angemessen
ist" (S. 174). Keller zitiert dann vierundzwanzig Bekenntnisse, die
in Materialsammlungen und Zeitschriften veröffentlicht worden
sind, und analysiert sie. Als Maßstab zur Beurteilung dienen in
erster Linie die Fragen, wie weit jeweils ein zcitgemäfjer Ausdruck
des Glaubens gelungen ist und ob das Christusbekenntnis zum
Ausgangspunkt genommen worden ist. Der Beitrag gibt eine wichtige
Orientierungshilfe auf einem Gebiet, auf dem die kirchliche
Praxis der theologischen Reflexion davongelaufen ist.

Die übrigen Beiträge — „Aspekte der Bekenntnisbildung in der
Kirchengeschichte" (Gerhard Ruhbach), „Ökumene und Bekenntnis"
(Niels Hasselmann), „Bekenntnis und Lehrzucht" (Walter Schlosser),
„Das Bekenntnisproblem in der bekenntnisverschiedenen Ehe"
(Ferdinand Barth) — sind so knapp gehalten, dafj sie das Problem
nur anzureißen vermögen. Den besonderen Wert des Bandes wird
man überhaupt mehr im Anstoß zur Diskussion als in der Information
zu sehen haben. Das Buch enthält eine Reihe von Vorschlägen
für die theologische Weiterarbeit und für die kirchliche Praxis,
die des Nachdenkens und der Auseinandersetzung wert sind. Der
Leser erhält einen Eindruck von der Vielschichtigkeit des Begriffes
„Bekenntnis" und wird den Satz aus dem Vorwort bestätigen: „Die
Bewegung, die im Bekenntnis selber liegt, kann die Theologie beweglicher
werden lassen" (S. 8). Man kann nur wünschen, daß der
Arbeitskreis an diesem Thema weiterarbeitet und ein Echo in der
theologischen Diskussion findet.

Druckfehlerberichtigung: S. 12, Z. 1 „Schreiber" statt „Schneider
", S. 26, Z. 2 „Menschensohnes" statt „Menschsohnes", S. 85, Z. 29
„von" statt „vor", S. 110, Z. 19 „Entscheidend:" statt „Entscheidende
".

Rostock Joachim Wiebering

Rordorf, Willy: Der Sonntag. Geschichte des Ruhe- und Gottesdiensttages
im ältesten Christentum. Zürich: Zwingli Verlag 1962.
336 S. 8° = Abhandlungen z. Theologie d. Alten u. Neuen Testaments
, hrsg. v. W. Eichrodt u. O. Cullmann, 43. Kart. DM 26.—.
Die von O. Cullmann angeregte und in den Abhandlungen zur

Theologie des Alten und Neuen Testaments erschienene Basler