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Ausgabe:

1970

Spalte:

297-299

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Marxsen, Willi

Titel/Untertitel:

Predigten 1970

Rezensent:

Hempel, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 4

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Balz, Horst Robert: Furcht vor Gott? Überlegungen zu einem vergessenen
Motiv biblischer Theologie (EvTh 29, 1969 S. 626—644).

Bonhoeffer, Thomas: Das Kerygma in der Abdankung (Theologia
Practica 3, 1968 S. 187-192).

Dantine, Wilhelm: Über einen Aufsatz von Eberhard Jüngel (Internationale
Dialog Zeitschrift 2, 1969 S. 363—365).

Feil, Ernst: Der Einfluß Wilhelm Diltheys auf Dietrich Bonhoeffers
.Widerstand und Ergebung" (EvTh 29, 1969 S. 662—674).

Flessmann-van Leer, E.: Ekklesiologie in de Wereldraad (NedThT
24, 1969 S. 13-36).

Hodgson, Peter C. i Heidegger, Revelation, and the Word of God
(JR 49, 1969 S. 228-252).

Hultsch, Eric: .Gott" — zur Theorie eines Wortes (Internationale
Dialog Zeitschrift 2, 1969 S. 374-376).

Lähnemann, Johannes: Die Taufe durch Johannes. Adoptianische
Christologie in den Evangelien? Zugleich ein Beitrag zum Taufproblem
(Pastoraltheologie 58, 1969 S. 501—508).

Lang, Friedrich: Christuszeugnis und Biblische Theologie (EvTh
29, 1969 S. 523-534).

Lochman, Jan M. i The Unifinished Reformation (Dialog 8, 1969
S. 263-271).

Röhr, Heinz: Das Wie der Auferstehung (Der Evangelische Erzieher
21, 1969 S. 405-412).

Rordorf, Willy: Le sacrifice eucharistique (ThZ 25, 1969 S. 335—
353).

Schoonenberg, P.: Gods tegenwoordigheid in Christus: voortzet-

ting van een gedachtenwisseling (Tijdschrift voor Theologie 9,

1969 S. 375-405).
Simpson, Michael: The ,Death of God' Theology: some Philoso-

phical Reflections (The Heythrop Journal 10, 1969 S. 371—389).
Trtik, Zdenek: Die Theologie zwischen Theismus und Atheismus

(ThZ 25, 1969 S. 419-^40).
Verhees, J.: Nieuwe vraag naar een pneumatologie (Tijdschrift

voor Theologie 9, 1969 S. 406—430).

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Marxsen, Willi: Predigten. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
G. Mohn [1969). 160 S. 8°. Kart. DM 9.80.

.Der durch seine exegetischen Forschungen bekannt gewordene
Münsteraner Neutestamentier legt in diesem Band 18 Predigten
vor, die er in der Zeit von 1956 bis 1968" (in Bethel und Münster)
.als akademischer Lehrer gehalten hat" (so im Schutzumschlag).

1) , W i e ' predigt Marxsen? Diese erste Frage gilt, obwohl es
sich um Verkündigung eines profilierten Exegeten handelt, der
homiletischen Gestaltung seiner vorgelegten Predigten.

Zuerst mu5 die — sprachliche und gedankliche — Schlichtheit
dieser Predigten erwähnt werden. Nirgendwo verfängt sich der
Leser in akademischem Zierat oder sonstigem Bildungs-Aufputz,
nirgendwo sieht er sich vor differenzierte Spezial-Probleme genötigt
. Marxsens Predigten sind klar und verständlich. — Keineswegs
aber gibt sich der Gelehrte als Prediger simpel. Vielmehr
verbindet sich die bezeichnete Einfachheit mit eindrücklicher gedanklicher
Tiefe. Diese zeigt sich sowohl in den (erfreulicherweise
im Zaume gehaltenen) diagnostischen Partien (bei Gegenwartsbezügen
), als auch besonders in der jeweiligen Entfaltung der
Botschaft selbst. — Des weiteren fällt eine geradezu asketische Zurückhaltung
des Predigers gegenüber homiletischen .Kunstgriffen'
(Bildvergleichen, Beispielen), bzw. eine .fanatische' Hingabe an den
Text in seiner vorrangigen Intention auf. M. tut, ein um das andere
Mal, buchstäblich nichts anderes, als daß er den Text — freilich
auf Grund klarer exegetischer Entscheidung — hin und her wendet,
und zwar (von wenigen besonderen Casus abgesehen) zumeist den
.verordneten'Text, auch wenn dieser .seiner'Theologie nicht sonderlich
entspricht. — Zur Art der Aktualisierung: Der Prediger hat in
jeder Predigt (mindestens) eine .gute Idee', mittels welcher — ganz
sachnah, d. h. textbezogen — die Botschaft ,für uns' eingefangen
wird. In solchen textnahen, aktualisierenden Verfremdungen liegt
u. E. die besondere homiletische Begabung des Predigers, vgl. z. B.
die Neujahrspredigt über Jesu Beschneidung, Lk 2,21: Jesus' (.Gott
ist Heil"), als Jahreslosung meint: Wir können nun.....den Alltag
als Alltag nehmen" (S. 92), weil wir wissen, .. . . dafi uns im

Alltag des kommenden Jahres ein Weihnachten nach dem anderen
erwartet" (S. 93).

2) .Was' wird gepredigt? Diese zweite Frage gilt der in den
vorliegenden Predigten erkennbar werdenden .res', also dem
Evangeliumsverständnis des Predigers. Dieser Predigtband wurde
ja u. a. deshalb veröffentlicht, um auch breiteren Kreisen erkennbar
zu machen, was historisch-kritische Exegese und .existentiale
Interpretation' des NT schließlich kerygmatisch hergeben (S. 8).
Dazu vier Beobachtungen:

a) In M.s Predigten findet sich keine theologische Polemik,
weder dogmatische noch kirchliche. (Ein einziges Mal, in der Predigt
über Lk 21, 25—33, lesen wir hinsichtlich der dortigen .Zeichen
der Zeit': .Es scheint nicht ratsam, das weiterzumachen . . .", S. 126).
Der Prediger Marxsen ist an Negationen uninteressiert.

b) Bei M.s konzentrierten Bemühungen um kerygmatische
Positionen fällt, an entscheidender Stelle, immer wieder sein meta-
physisch-thetisches, insofern .unhermeneutisches' Reden auf. Solches
thetisches Reden wird hier nicht vorwurfsvoll, sondern aus Überraschung
markiert. — So z. B. in Auslegung von Joh 13,31—35:
.. . . wir wissen: Wohin wir auch kommen: Einer ist immer schon
da, einer kommt uns immer entgegen: unser Herr!" (S. 41). Inwiefern
das so Behauptete Wirklichkeit ist, wird nicht entfaltet. Oder,
über 1 Kor 15, 15—20: .Wer an den Auferstandenen glaubt,
. . . weift, dafi der Tod besiegt ist und dafi der Glaubende Hoffnung
hat" (S. 67). Ja, sogar beim Wunderbericht vom „dankbaren Samariter
", Lk 17,11—19: „Es ist doch wirklich ein Wunder, das ihnen
passiert ist" (S. 18), — um danach zu d e n Wundern überzugehen,
die uns geschehen. (Eine einzige, gewichtige Ausnahme sehen wir
in der Trauerrede über 2 Kor 5,1 gegeben, in der M. die futurische
christliche Hoffnung von der präsentischen Glaubensgewifi-
heit aus vergewissert: „Was kommen soll, hat hier schon begonnen
. Und . . . umgekehrt: Was hier schon beginnt, steht in Beziehung
zu dem, was kommt"; S. 57.....Und mit einem Male —

wissen wir, dafi dieses Wort stimmt"; S. 59). — Solche thetische
Verkündigung zeigt u. E. deutlich (was zu erwähnen wegen der
.seit Marxsen' weitergegangenen exegetischen und homiletischen
Entwicklung wohl einmal nötig ist), dafi M. aus einer unbezweifel-
baren persönlichen .Frömmigkeit' heraus predigt — und denkt.

c) Das Übergewicht der .fides qua' gegenüber der .fides quae'
tritt deutlich zu Tage. — Im Blick auf eine etwaige .Leben-Jesu-
Chronologie' sagt M.: .... es geht nicht um ein Nacheinander,
sondern . . . darum, das Grundsätzliche zu sehen. Das, was in
Christus einmal angefangen hat, will immer wieder geschehen"
(S. 26). Was ist ,das Grundsätzliche'? Wir merken es indirekt daran,
dafi M. seine Konkretisierung vorrangig aus dem Bereich der
Glaubenserfahrungen der (einzelnen) Christen bezieht (woraus sich
ebenso ein überzeugender seelsorgerlicher Grundton, wie gelegentlich
individualistische Engigkeit ergeben). Im Menschen, im Wunder
seines Gläubigwerdens und -bleibens geschieht das Eigentliche.
„Erfahrung" und „Wagnis" sind Lieblingsbegriffe. „Das kann man
überhaupt nicht prüfen; das kann man sich nur verkündigen lassen
— und . . . dann ausprobieren . . . Nur wer diesen Glauben wagt,
erfährt . . . das Leben aus Gottes Neuanfang" (S. 67). „Auferstehung
Jesu will geschehen" heifit es an anderer Stelle (S. 146). Warum
eigentlich?, möchte man rückfragen; welche ,res' drängt dazu?

d) Die Tendenz zu einer .Kenosis-Christologie'. — Zu mehreren
Malen rückt M. Jesu .wahres Menschsein' in den Mittelpunkt seiner
Predigten. Und es besteht u. E. kein Zweifel, dafi gerade die diesem
christologischen Topos geltenden Partien homiletisch besonders
stark und eindrücklich sind. Nur — exegetisch zwingend erscheint
solche Akzentuierung keineswegs immer. — So lebt z. B.
die Neujahrspredigt über Jesu Beschneidung (Lk 2, 21) von der
zwar großartigen, aber einseitigen Pointierung der gleichzeitigen
Namengebung: „Die Jahreslosung trägt den Namen eines Menschen
. Und dieses sein Mensch-Sein gilt es ganz ernst zu nehmen"
(S. 91). - Bei der Predigt über Joh 13, 31-35 fällt auf, dafi der
Gekreuzigte und der Verherrlichte nahezu identifiziert werden:

.....Der Kreuzesweg ist der Herrlichkeitsweg — für Jesus und

für seine Jünger" (S. 45). — Am deutlichsten wird diese Tendenz
bei der Predigt über „Jesu Verklärung" (Mk 9, 2—8): „Man sollte
diese Geschichte eigentlich nicht die Geschichte von der Verklärung
nennen, sondern . . . vom Wort aus der Wolke . . . Und dieses Wort
ist es dann, . . . das bleibt, das uns begleitet" (S. 103). Wiederum
exegetisch wohl möglich, in der Akzentuierung dennoch aufschlufi-