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Ausgabe:

1970

Spalte:

291

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Stöhr, Johannes

Titel/Untertitel:

Die theologische Wissenschaftslehre des Juan de Perlin 1970

Rezensent:

Fahlbusch, Erwin

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291

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 4

292

ten Gebiet beobachten zu können, auf dem die Akzente dann doch
anders liegen als bei einer Gesamtüberschau. Daß das Buch noch
dazu mit lebhafter Anteilnahme an Calvin geschrieben ist — Sch.
hat sich bereits mehr als einmal als Anwalt der Theologie Calvins
in der Gegenwart erwiesen —, mindert seinen Wert keinesfalls,
sondern kann nur eine Empfehlung sein.

Körner/Thür. Ernst Koch

Stöhr, Johannes: Die theologische Wissenschaftslehre des Juan de
Perlin SJ. (1569-1638). Münster/W. i Aschendorff (1967). XI, 422S.
gr. 8° = Spanische Forschungen d. Görresgesellschaft, hrsg. von
J. Vincke, II. Reihe, 11. Bd. Kart. DM 64.-; Lw. DM 68.-.

Unter den Theologen der Barockscholastik wird der Spanier
Juan de Perlin selten oder nie genannt. Das mag seinen Grund
darin haben, daß außer den Promotionsthesen nur zwei Schriften
Perlins gedruckt wurden (Apologia scholastica sive Controversia
theologica pro magnae Matris, Lyon 1630; Sacrum convivum, Köln
1632), seine Lehrtätigkeit im wesentlichen auf den Jesuitenorden
beschränkt blieb und die wenigen Jahre in Köln (1630—38) offenbar
nicht genügten, um ihn bekannt zu machen, obgleich es ihm in
dieser Zeit mit anderen Jesuiten gelang, den Niedergang der Kölner
Universität für ein Dezennium aufzuhalten. Im ungedruckten
Nachlaß Perlins — von Prof. Friedrich Stegmüller vor wenigen
Jahren im Kölner Stadtarchiv wieder entdeckt — fand sich ein groß
angelegtes, nicht abgeschlossenes Werk Apparatus ad Theologiam
Scholasticam, das in einem ersten, für den Druck schon vorbereiteten
Teil die theologische Wissenschaftslehre Perlins enthält. Sie ist
das Thema der Habilitationsschrift von Johannes Stöhr.

Nach einem Überblick des Forschungsstandes und der Behandlung
der biographischen und literarkritischen Fragen bietet Stöhr
eine Doxographie der theologischen Wissenschaftslehre Perlins:
Begriff, Namen, Möglichkeit und geschichtliche Verwirklichung der
Theologie, ihr Wesen, ihre Ursachen, ihre Grundeigenschaften,
Arbeitsweise und Funktionen. Die von Perlin zitierten Autoren —
eine ungewöhnlich große Zahl — sucht Stöhr auf; er verifiziert die
Zitate, nennt zeitgenössische Parallelen und führt die einschlägige
Sekundärliteratur an, so daß ein abgerundetes, minutiös gearbeitetes
Bild entsteht, das eine eindrückliche Vorstellung der Position
Perlins und seiner Zeitgenossen vermittelt.

In zwei abschließenden Kapiteln ordnet der Vf. das Werk Perlins
in die Theologiegeschichte ein und beurteilt es zugleich im
Blick auf die heute diskutierten Grundfragen der Theologie. In
einem Anhang, dem noch über 60 Seiten Bibliographie und Register
folgen, ist der die Jahre 1630/31 betreffende Abschnitt einer im
Kölner Stadtarchiv handschriftlich vorliegenden Chronik „Historia
Collegii Coloniensis SJ (1542—1657)' abgedruckt; er gibt Einblick
in den schwierigen Anfang Perlins in Köln.

Für Perlin entsteht Theologie ausschließlich auf der Basis des
übernatürlichen Glaubens; zugleich ist dieser Glaube Träger und
Ziel theologischen Denkens. Der Wissenschaftscharakter der Theologie
im eigentlichen Sinn ist damit aufgegeben (Perlin hält die
aristotelischen Begriffe der scientia und sapientia im theologischen
Bereich für ungeeignet). Indessen betont Perlin die Überlegenheit
der Theologie über alle anderen Disziplinen auf Grund ihres
Material- und Formalobjektes. Ihre Aufgabe ist es, das übernatürlich
Geglaubte, die uneinsichtge Gottesoffenbarung, auf dem Wege
diskursiven Denkens zu erkennen, zu vertiefen, lehrmäßig zu vermitteln
und zu verteidigen.

In dieser klar herausgearbeiteten Position erkennt Stöhr die
Bedeutung Perlins für die gegenwärtge Diskussion, von der er
meint, in ihr drohten die Unterschiede zwischen philosophischem
und theologischem Denken sich zu verwischen (349 f.). Die fides
humana sei kein hinreichendes Fundament für die Theologie. Eine
solche Vorstellung müsse überwunden werden, was Perlin bereits
erfolgreich begonnen habe. Es ist aber eine offene Frage, ob Perlins
Argumente gegenüber modernem geschichtlichem Denken ausreichen
.

Beedenkirchen Erwin Fohlbusch

Bonorand, Conradin: Joachim Vadians Beziehungen zu Ungarn

(Zwingliana XIII, 1969 S. 97-131).
Ceyssens, L.: Nordstrand et le jansenisme (Augustiniana 19, 1969

S. 532-551).

Greschat, Martin: Renaissance und Reformation (EvTh 29, 1969
S. 645-662).

Junker, Fritz: Die Waldenser. Ein Volk unter Gottes Wort. Zürich:
EVZ-Verlag [1969]. 110 S. m. 2 Ktnskizzen, 14 Taf., dav. 2 färb.
8». DM 11.80.

Kohls, Ernst Wilhelm: Christlicher Humanismus. Zu den Erasmus-
Jubiläen des Jahres 1969 (Lutherische Monatshefte 8, 1969 S.
512-513).

Krause, Gerhard: Andreas Hyperius in der Forschung seit 1900
(I.Teil) (ThR 34, 1969 S. 262-280).

Luijk, Benigno A. L. van: L'Ordine agostiniano e la riforma mona-
stica. 3. Lo sviluppo nelle provincie italiane (Augustiniana 19,
1969 S. 349-383).

Peteghem, Paul van: Joannes Chrysostomus Loots (1598 — 1656)
(Augustiniana 19, 1969 S. 552—582).

Pfeiffer,Johannes: Auf Luthers Spuren in Lateinamerika. Erlangen:
Verlag d. ev.-luth. Mission [1969], 205 S. m. 1 Kte 8° = Erlangcr
Taschenbücher, 6.

Swinne, Axel Hilmar, Dr. phil.: John Cameron. Philosoph und
Theologe (1579—1625). Bibliographisch-kritische Analyse der
Hand- und Druckschriften sowie der Cameron-Literatur. Marburg
: Elwert 1968. XI, 367 S. m. Abb. 8° = Schriften d. Instituts
für wissenschaftl. Irenik d Johann-Wolfgang-Goethe-Universität
Frankfurt am Main, hrsg v. W. Philipp, 1. Kart. DM 18.—.

Teeuwen. N., Meijer, A. de: Documents pour servir ä l'histoire de
la province augustinienne de Cologne. Extraits des registres des
prieurs generaux (1507—1551) (Augustiniana 19, 1969 S. 597—
639).

Ypma, E.: Les auteurs augustins francais. Liste de leurs noms et de
leurs ouvrages (Augustiniana 19, 1969 S. 487—531).

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Sartory, Thomas und Gertrude: Strukturkrise einer Kirche. Vor und

nach der Enzyklika „Humanae vitae". München: Deutscher

Taschenbuch Verlag [1969]. 172 S. kl. 8°.
Das dünne, dennoch inhaltsreiche Büchlein des Ehepaares S.
stellt in der immer noch nicht beendeten Debatte um die päpstliche
Enzyklika zur Geburtenregelung eine wertvolle Orientierungshilfe
dar. (Haupt- und Untertitel des Buches sollten besser in ungekehrter
Reihenfolge stehen.) Tatsächlich geht es um „Humanae vitae"-
ihre theologiegeschichtlichen Voraussetzungen, die Umstände ihrer
Entstehung und erste erkennbare Nachwirkungen, wobei die
Verfasser allerdings und nicht zu Unrecht all dies eingebettet sehen
in eine tiefgreifende Krise der päpstlichen Autorität, ja der Struktur
der römisch-katholischen Kirche überhaupt (Vorwort und
S. 162 ff.). Aber auch heute schon sind die Erschütterungen des
Systems auf breiterer Fläche wirksam, als es die Enzyklika von
sich aus erkennen läßt. Damit soll das Verdienst der Autoren
nicht geschmälert werden. Eine eingehende Analyse der einzelnen
Teilmomente innerhalb dieses komplexen Vorganges ist umso
dringender. Die Autoren leisten dazu einen dankenswerten Beitrag.

In einem Ersten Teil wird in großen Schritten die Geschichte
der katholischen Sexualmoral vor „Casti connubii" 1930 skizziert
(im wesentlichen Augustinus, die Scholastiker und die Jesuitentheologie
im 17. Jahrhundert). Dabei ergeben sich nicht nur interessante
kulturgeschichtliche Bezüge (z. B. zur Minnedichtung) und
Querverbindungen zu der unterschiedlichen Zölibatsgesetzgebung
in West- und Ostkirche, sondern auch einige bemerkenswerte
Curiosa. So ist etwa Alfred von Liguori, der Begründer des
Redemptoristenordens, dem seine eigenen Ordensbrüder nachzusagen
vermögen, daß er aus „gewichtigen und .ehrbaren' Gründen
eine Pflicht zum Coitus interruptus" zu kennen scheine, 1950 zum
„Patron der Beichtväter und Moralisten" erklärt worden (S. 41).
Dann folgen in weiteren drei Teilen Ausführungen zu „Casti connubii
", zu Pius XII. und zum II. Vatikanischen Konzil. Auch hieraus
ein paar kurze Reminiszenzen: Zur Charakterisierung der
Geisteshaltung, aus der „Casti connubii" entstanden ist und später
„Humanae vitae" geschrieben wurde, führen die Autoren die Meinung
des römischen Moraltheologen Visser an, der im Hinblick auf
eine mögliche Weltkatastrophe durch Überbevölkerung eine entsprechende
Frage dergestalt beantwortete: Die Kirche könne ihre
Grundsätze nicht ändern, weil sie „wahr" seien; „fiat justitia, pereat