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Ausgabe:

1970

Spalte:

284

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Melito Sardianus, Sur la pâque et fragments 1970

Rezensent:

Huber, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 4

284

Scheyern. Diese reichliche Vorbereitungszeit hat nun im ersten von
acht geplanten Bänden gute Früchte getragen, denen man die aufgewendete
Mühe auf den ersten Blick nicht ansehen mag. Schon
früher hatte Kotter eine umfassende Überlieferungsgeschichte für
die Pege Gnoseos auf Grund aller derzeit verfügbaren Handschriften
vorgelegt (Ettal 1959). Daraus schöpft er nun für die Einleitung
zur Dialektik: er teilt die Handschriften und Drucke mit und
erstellt die Stemmata getrennt für die Zeugen der kürzeren und
der längeren Fassung. In entsprechender Weise ist auch die Einleitung
in die Institutio angelegt. Handschriften und Stemma werden
hier erstmalig veröffentlicht.

Die große Zahl der ausgewerteten Handschriften sichert einen
Text, der dem bisher gebräuchlichen von Lequien mit seiner häufig
ganz willkürlichen Redaktion weit überlegen ist. K. trennt die
beiden Fassungen der Dialektik sorgfältig voneinander und stellt
sie synoptisch nebeneinander. Wo die Reihenfolge der Kapitel in
den beiden Fassungen verschieden ist, wird dem anstehenden Text
jeweils das parallele, aber entfernte Kapitel in Petit zur Seite
gestellt. Dadurch ist in beiden Ordnungen ein Höchstmaß an Bequemlichkeit
für den Vergleich der Texte erreicht.

Der Text selbst ist kritisch abgewogen, wesentliche Abweichungen
bedeutender Textfamilien werden im 2. Apparat übersichtlich
notiert. Vorauf sind im 1. Apparat die vielen Parallelstellen aus
den Schriften des Damaszeners und aus den griechischen Kommentaren
zu Aristoteles und Porphyrus sorgfältig zusammengetragen.
Die Fülle der letzteren ist beeindruckend, doch warnt K. mit Recht
davor, hierin eine quellenmäfjige Abhängigkeit zu sehen.

Kapitelverzeichnisse sind für die Institutio und jede der beiden
Fassungen der Dialektik neu erstellt, das Ganze schließlich durch
einen Index der philosophischen Begriffe abgerundet.

Das Lob dieser außerordentlich verdienstvollen Ausgabe erfährt
keine Schmälerung, wenn der Rez. hinzufügt, was er gern
anders gesehen hätte. Hinter dem Petit des Zusatzkapitels steht
— unausgesprochen — die Tatsache seiner spärlichen Überlieferung
in nur einem Zweig, dazu wohl der begründete Zweifel an seiner
Echtheit. Aus dem zweiten Grunde scheint mir bei c. 68 ebenfalls
Petit oder zumindest eine Bemerkung über den Zweifel an der
Echtheit angebracht. Wenn man aber für die Aufnahme des
Kapitels ohne Vorbehalt die Überlieferung als Maßstab nimmt,
dann muß die Frage nach dem Verbleib der philosophischen Fragmente
gestellt werden. Gewiß ist ihre Prüfung außerordentlich
schwierig. Vielleicht hätte ihnen anhangsweise ebenso Raum gewährt
werden können wie bei den beigegebenen philosophischen
Stücken aus dem Oxforder Codex.

Überflüssig erscheint die Ausgliederung des nur auf vier
Seiten vorhandenen Apparates T, der in einem Falle einen Verweis
auf die Sacra Parallela und sonst die Stücke angibt, die der Syrer
Elias übersetzt hat. Exzerpte und Übersetzungen aus den Werken
des Damaszeners sind zu zahlreich, als daß sie in gehörigem
Umfang ohne Not in einer Textausgabe Platz fänden. Wollte K.
aber gerade diese Übersetzung hervorheben, konnte dies im
Rahmen der übrigen literarischen Nachweise geschehen.

Lebhaft begrüßt der Rez. die Edition der erwähnten philosophischen
Stücke im Anhang. K. hat sie nach eigenem Ermessen
durch Überschriften gegliedert (S. 161, 29 ist die Randnotiz
-irept, 6i.0Kpop2e Xoyov- versehentlich in den Text geraten). Der
Abdruck ist nicht allein dadurch gerechtfertigt, daß sich „weite
Strecken . . . nicht bloß den Gedanken, sondern auch dem Wortlaut
nach mit dieser Dialektik und Expositio des Johannes . . . decken"
(S. 149), sondern weit mehr noch, weil dieses kleine Werk ein einzigartiges
Beispiel für eine Sammlung von philosophischen und
dogmatischen Kapiteln ist, wie sie auch Johannes in seinem Doppelwerk
aus Dialektik und Expositio in einer fortgeschrittenen und
durch viele Texte erweiterten Form zusammengetragen hat. Dieser
für die Damaszenos-Forschung wesentliche Sachverhalt bleibt leider
infolge der Kürzung des Werkes auf etwa die Hälfte seines Um-
fanges unsichtbar. Des Typischen entkleidet ist sein Text nur noch
ein beliebiges Beispiel gehäufter Parallelstellen zur Dialektik.

Dennoch ist dieser erste Band sehr gut gelungen und es bleibt
nur noch, dem ganzen Unternehmen ein rasches Vorankommen zu
wünschen, damit eine schmerzliche Lücke in der spätpatristischen
Forschung bald geschlossen ist.

Zirndorf Gerhard Richter

Meliton de Sardes: Sur la Päque et Fragments. Introduction, texte
critique, traduetion et notes par Othmar Perler. Paris: Les Edi-
tions du Cerf 1966. 276 S. 8*' ■= Sources chretiennes 123. ffr. 27.—.
Die 1940 von Campbell Bonner zum ersten Mal herausgegebene
Osterpredigt des Melito von Sardes liegt nun in einer kritischen
Edition von Othmar Perler vor, die alle verfügbaren Handschriften
und Übersetzungen in angemessener Weise berücksichtigt. Eine
solche Edition war durch die Veröffentlichung einer zweiten, vollständigen
griechischen Handschrift durch Michel Testuz im Jahre
1960 sowohl notwendig wie möglich geworden. Othmar Perler hat
die dadurch gestellte Aufgabe in vorbildlicher Weise gelöst; seine
textkritischen Urteile sind in aller Regel einleuchtend. Dem
griechischen Text hat er eine wortgetreue und zugleich der asia-
nischen Rhetorik der Predigt angemessene französische Übersetzung
, einen ausführlichen Kommentar und umfassende Register
zur Seite gestellt. Der Kommentar ordnet vor allem mit Hilfe
einer Vielzahl von Parallelen die Theologie des Melito in das
theologische Denken des 2. Jahrhunderts ein. Diese Fragestellung
bestimmt auch die Einleitung (S. 7—58) weitgehend; dagegen hat
Perler in der Frage, welches Licht die Predigt des Melito auf die
Entwicklung der altchristlichen Osterfeier wirft, nur die bisher
Vorherrschende Meinung, sie sei ein Beleg für das quartodezima-
nische Passa, knapp referiert. Besonders nützlich ist es, daß Perler
neben der Osterpredigt alle bekannten Fragmente des Melito
erneut abgedruckt hat.

Dem Rezensenten war es leider nicht mehr möglich, in seiner
Arbeit „Passa und Ostern, Untersuchungen zur Osterfeier der alten
Kirche" (Beiheft zur ZNW 35) Perlers Ausgabe zu berücksichtigen.
Um so mehr freut er sich, dieses in Textherstellung, Übersetzung
und Kommentar in gleicher Weise hervorragende Werk hier anzeigen
zu können.

Heidelberg Wolfgang Huber

Sieper, Johanna: Das Mysterium des Kreuzes in der Typologie der

alten Kirche (I) (Kyrios 9, 1969 S. 1-30).
Strohm, Martin: Die Dreiheit „Substanz — Kraft — Wirken". Die

Die Trinitätslehre der Alexandriner nach Petavius und de Regnon

(Kyrios 9, 1969 S. 31-41).

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Southern, R. W., and F. S. Schmitt, O. S. B. [Ed.]: Memorials of St.
Anselm. London: Oxford University Press (published for The
British Museum) 1969. X, 370 S. gr. 8° = Auetores Britannici
Medii Aevi, I. Lw. £ 6.0.0.

Die echten Werke Anselms von Canterbury (gest. 1109) liegen
bekanntlich in einer sechsbändigen Edition aus jüngster Zeit
(1938 —1961) vor. Ebenso wurde erst vor wenigen Jahren (1963)
die von Anselms Schüler und Freund, dem englischen Historiographien
Eadmer von Canterbury (gest. 1124 als Bischof von St.
Andrews) verfaßte Vita des Erzbischofs neu herausgegeben. Beide
an die Stelle längst veralteter Textpublikationen getretene Editionen
werden eine bessere Würdigung der Persönlichkeit und
des gelehrten Schaffens sowie auch der kirchenpolitischen Bedeutung
des Abtes von Bec und englischen Primas während des Investiturstreites
ermöglichen, obgleich es darüber naturgemäß an beachtlichen
Untersuchungen schon jetzt nicht fehlt.

Die zur Besprechung vorliegende Edition, zu der sich der Herausgeber
der „Opera omnia" Anselms, der deutsche Benediktiner
Schmitt, und der Editor der Vita Eadmers, der Oxforder Mediävistikprofessor
Southern, in einer Arbeitsgemeinschaft zusammenfanden
, bringt einige Werke zum Abdruck, die nach den neuesten
Forschungen eben nicht mehr zu den genuinen wissenschaftlichen
Produkten des großen Gelehrten gerechnet werden dürfen. Es sind
vielmehr Aufzeichnungen von Schülern auf Grund der Aussagen
des Meisters. Die Publikation will somit zur Ergänzung der Edition
des anselmischen Oeuvres dienen und zugleich unter dem allerdings
leicht irreführenden Titel „Memorials" das Wirken und Nachwirken
des Erzbischofs auf dessen Umgebung und in deren Erinnerung
aufzeigen.

Der unter Anselms Namen überlieferte Traktat „De humanis
moribus per similitudines" ist vermutlich von dem Mönch Boso