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Ausgabe:

1970

Spalte:

282-283

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Johannes Damascenus, Die Schriften des Johannes von Damaskos 1970

Rezensent:

Richter, Gerhard

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281

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 4

282

schaftsgedanke bilden beim jungen Augustin eine „Art natürlicher
Vorstufe" zum späteren klösterlichen Gemeinschaftsleben. Die Bekehrung
in Mailand bringt die Begegnung mit dem christlichen
Mönchtum und schon in Cassiciacum wandelt sich das philosophische
Freundschaftsideal zur christlichen Gemeinschaft. Während
des zweiten römischen Aufenthalts (de mor. eccl. cath.) nimmt
Augustin den Gedanken auf, daß der christliche Asket der wahre
Weise sei und erkennt die Caritas als Zentrum des christlichen und
klösterlichen Lebens. Die von Augustin begründete Freundesgemeinschaft
in Thagaste versucht, diese Gedanken in die Praxis
umzusetzen. Der Vf. tritt (S. 64 A. 52) gegen Folliet entschieden
dafür ein, dafj es sich in Thagaste nicht blofj um eine Gelehrtengemeinschaft
, sondern um ein Kloster handelt. Die monastischen
Ideen Augustins vollenden sich in Hippo. Anschaulich schildert der
Vf. die dortigen Klostergründungen Augustins: das Gartenkloster
(als Quelle dienen vorwiegend die Regula Augustini und De opere
monachorum, wogegen methodisch nichts einzuwenden ist, auch
wenn man nicht die Ansicht des Autors (S. 329) teilt, die Regula
Augustini sei für das Gartenkloster verfaßt worden — vgl. dazu

A. Manrique, Nuevas aportaciones al problema de la „Regula S.
Augustini". Dataciön y destinatarios, La Ciudad de Dios 181 (1968)
707—46 und A. Sage, La Regle de s. Augustin, Revue des Etudes
August. 14, 1968, 123-32), das Klerikerkloster, das Frauenkloster.
Soziale Herkunft der Insassen, Kleidung, Tagesordnung (im Klerikerkloster
tritt anstelle der körperlichen Arbeit die seelsorgerliche
Tätigkeit), wirtschaftliche Versorgung, Stundengebet und
gottesdienstliches Leben werden besprochen. Die Beziehungen
Augustins zu Hieronymus und Paulin v. Nola würdigt der Vf. unter
dem Gesichtspunkt der Anknüpfung von Verbindungen zum Mönchtum
außerhalb Afrikas. Schön wird herausgearbeitet, wie Augustins
persönliches Leben unter dem Vorzeichen des Mönchtums steht in
seiner Askese, seiner bischöflichen Tätigkeit und seinem Wirken
als Klosteroberer und als monastische Autorität in ganz Afrika. Es
fehlt nicht der Hinweis auf Widrigkeiten und Gefährdung durch
Gegner des Mönchtums und Abfall innerhalb der Klöster. Zur
Frage, ob Augustin der Begründer des afrikanischen Mönchtums
sei (die der Vf. geneigt ist, zu bejahen, S.116 ff.), verweise ich auf

B. Quinot, C. Litteras Petiliani, 3, 11, 48 et le monachisme en
Afrique, Revue des Etudes August. 13, 1967, 15—24, der sich skeptisch
äußert.

Der Schwerpunkt des Buches liegt im systematischen Teil
„Augustins Mönchsideal in seinen Grundgedanken". Indem Augustin
den Sinn des klösterlichen Lebens im Streben nach christlicher
Vollendung in der Nachfolge Christi sieht, nimmt er die ursprüngliche
Intention des Mönchtums auf, das m. E. weniger als Protest
gegen die Welt, sondern zutreffender als christliche Erweckungs-
bewegung zu würdigen ist. Augustinisch ist aber die konsequente
Durchführung des Motivs, dafj die christliche Vollkommenheit sich
in der Liebe manifestiert. Der Liebesgedanke ist auch die Brücke
zum zweiten Grundgedanken des augustinischen Mönchtums, der
unbedingten Verpflichtung auf die Gemeinschaft. Das Kloster, die
socialis vita der Christen, ist die Gemeinschaft christlicher Liebe
nach dem Vorbild der apostolischen Urgemeinde und im Sinne der
paulinischen corpus Christi Vorstellung. Damit wird das Mönchtum
aber nicht verabsolutiert: es ist von der Liebe her Glied am Körper
der Kirche, innerhalb dessen die verschiedensten Grade, Gaben und
Berufungen ihren Raum haben. Augustin hat die Gliedschaft des
Mönchtums an der Kirche vor allem realisiert durch die Verschmelzung
von Mönchtum und Priestcrtum, contemplatio und actio, in
seiner Person und im Klerikerkloster. Wichtig ist der Hinweis auf
den Gnadencharakter des klösterlichen Lebens, die Mönche sind
sub gratia constituti (S. 319). Als Charakteristika des augustinischen
Mönchtums ergeben sich so die Gedanken der Liebe, der Gemeinschaft
, der apostolischen und ekklesiologischen Ausrichtung,
der weisen Mäßigung in der Haltung zu Askese und Welt (obwohl
Augustin zuweilen die Grenzen des Erlaubten zu eng zieht — und,
so möchte der Rezensent hinzufügen, seinem Charakter auch Züge
der Härte nicht fehlen) und der Ermöglichung dieses Lebens durch
die Befreiung und Freiheit, die ein Geschenk der Gnade ist. Dieses
klösterliche Lebensideal ist eine selbständige Schöpfung Augustins.

Gegenüber der ersten Auflage ist der Umfang des Buches um
101 Seiten gewachsen. Die seither erschienene einschlägige Augu-
stinlitcratur (es sei auf die Bibliographie S. 17—31 aufmerksam
gemacht) ist verarbeitet. Obwohl die Gesamtanschauung im wesentlichen
unverändert blieb, ist die theologische Grundlegung und die
Darstellung der augustinischen Spiritualität erweitert und vertieft
worden. So liegt nicht nur ein wissenschaftlich wertvolles, sondern
auch ein im besten Sinne erbauliches Buch vor.

Ein Anhang bietet die wichtigen monastischen Texte Augustins
in deutscher Übersetzung.

Mainz Rudolf Lorenz

Gessel, Wilhelm: Eucharistische Gemeinschaft bei Augustinus.

Würzburg: Augustinus-Verlag 1966. 248 S. 8° = Cassiciacum.
Eine Sammlung wissenschaftl. Forschungen über den hl. Augustinus
u. d. Augustinerorden sowie wissenschaftl. Arbeiten v. Augustinern
aus anderen Wissengebieten, hrsg. v. A. Zumkeller u. A.
Kunzelmann, XXI.

Diese Münchener Dissertation untersucht die Abendmahlslehre
Augustins unter dem Aspekt der Eucharistie als Gemeinschaftsmahl
, in der Hoffnung, daß von daher ein Weg zur Überwindung
der Kontroverse gefunden werden könne, ob die Aussagen Augustins
über das Mahl des Herren symbolisch-spiritualistisch oder im
Sinne der Realpräsenz zu deuten seien. Der Vf. führt zunächst die
Ansatzpunkte für Augustins „Gemeinschaftsdenken" vor. Er nennt
den Freundschaftsgedanken beiA.,diea<3ua Xplotoü -Lehre bei Paulus
, Äußerungen voraugustinischer Väter über die eucharistische
Gemeinschaft, den neuplatonischen „Dynamismus" zwischen dem
Teil und dem Ganzen, ohne daß die tatsächliche Aufnahme und
Verarbeitung dieser Elemente bei A. näher untersucht wird. Die
Donatisten boten durch ihre Verletzung der Einheit der Kirche
einen polemischen Anlaß zur Betonung der Eucharistie als Sakrament
der Einheit.

Das Ergebnis der Arbeit zeigt, wie zu erwarten war, daß das
eucharistische Problem ein christologisches Problem ist. Die doppelte
res des Sakramentes ist Christus als der incarnatus, passus et
resuscitatus, der sich als Haupt der Gemeinde zur Gemeinschaft
mit ihm darbietet, und Christus als corpus, d. h. die Viel-Einheit
aller, die als eucharistische Gemeinschaft den Herrn empfangen.
Auch der Begriff des Signum (das ja der Mitteilung dient) unterstreicht
den Gemeinschaftscharakter der Eucharistie. In der Streitfrage
Spiritualismus-Realismus entscheidet sich der Autor für eine
„aktual-dynamische Realpräsenz" Christi, die aber nicht als Trans-
substantiation zu fassen sei.

Es fällt auf, daß die Arbeit bei allem (nicht immer glücklichen)
Bilderreichtum der Sprache merkwürdig abstrakt und unanschaulich
wirkt. Was „aktual-dynamische Realpräsenz" letztlich ist,
bleibt im Dunkel. Das hängt mit der Methodik, aber auch mit
einem Mangel analytischer Kraft zusammen. Der Vf. hat fleißig
Material gesammelt, trägt es aber atomistisch-statistisch zusammen
. Anstatt charakteristische Texte etwa zur Sozialphilosophie
oder -theologie A.s in ihrem Zusammenhang zu interpretieren, bietet
er eine lexikalische Übersicht der Gemeinschaftstermini A.s, die
nicht zu den Prinzipien des augustinischen Denkens vordringt. Oft
bleibt die Besprechung der Augustinzitate in einer Paraphrase A.s
stecken, ohne daß zu der Frage vorgestoßen wird, was A. nun sachlich
meint. Es nützt nichts, z. B. spiritualiter manducare mit „geistlich
essen" wiederzugeben, wenn man nicht weiterfragt, wie das
zu denken sei und geschehe. Der Nutzen der Arbeit liegt vorwiegend
in den reichen Literaturangaben zur Abendmahlslehre Augustins
.

Mainz Rudolf Lorenz

(Johannes von Damaskos:) Die Schriften des Johannes von Damas-
kos, hrsg. vom Byzantinischen Institut der Abtei Scheyern. I:
Institutio Elementaris, Capita Philosophica (Dialectica). Als Anhang
: Die philosophischen Stücke aus Cod. Oxon. Bodl. Aue. T. 1.6,
besorgt v. B. Kotter. Berlin: de Gruyter 1969. XV, 198 S. gr. 8° =
Patristische Texte und Studien, im Auftrag der Patristischen Kommission
der Akademien der Wissenschaften zu Göttingen, Heidelberg
, München u. d. Akademie der Wissenschaften u. d. Literatur
zu Mainz hrsg. v. K. Aland u. W. Schneemelcher, 7. Lw. DM
48.-.

Die neue Gesamtausgabe der Schriften des Johannes von Damaskos
hat eine lange Vorgeschichte. Sie reicht drei Jahrzehnte
zurück bis in die Gründung des Byzantinischen Instituts der Abtei