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Ausgabe:

1970

Spalte:

269-271

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Marxsen, Willi

Titel/Untertitel:

Der Exeget als Theologe 1970

Rezensent:

Baumbach, Günther

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269

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 4

270

Gemeinde vor ihm (104—108), speziell das 6td; Tttorxwc, im Sinn
von „treuehalber", „aus Treue"2 (107). — Die Darlegungen sind geschickt
aufgebaut und vorgetragen. Der Vf. verfügt über reiches
Material; er ist in den Texten und in der Literatur in einem weitgespannten
Rahmen zu Hause. Zur Begründung der abweichenden
Auffassung des Textes durch den Rez., die teilweise auch mit Fragen
zur Methode zusammenhängt, bedürfte es größeren Raumes.
Halle/Saale Gerhard Delling

2 Den Gedanken der Bundestreue finden neuerdings auch Käsemann und
Stuhlmacher in Rom 3, 25; zur — bei P. nicht erwähnten — Arbeit des letzteren
s. E. Größer, ThLZ 93, 1968 32-36.

Dodd, C. H., Prof.: More New Testament Studies. Manchester:
Manchester University Press [1968]. VII, 157 S. 8°. Lw. 30 s.

Dodds Aufsätze zu lesen, ist erfrischend, weil sie die Probleme
in so ungewohnter Weise angehen. Eine formgeschichtliche Untersuchung
der beiden Versionen der Seligpreisung zeigt die Verwurzelung
beider in verschiedenen alttestamentlichen Traditionen
(S. 1—10). Ein Vergleich zwischen 1 Thess 5,1-10; Eph 6,13—20
usf. einerseits, Lk 21,34—36; Mt 24,43 f. und der Gethsemane-
perikope andererseits zeigt die gegenseitige Beeinflussung der
eschatologisch begründeten Paränese in synoptischer und paulini-
scher Tradition (S. 11—29). Joh 5,19.20a wird als Gleichnis verstanden
, da der Zug vom „Sehen des Vaters" im Folgenden unberücksichtigt
bleibt (S. 30—40), Joh 8, 31—58 als von Paulus unabhängige
Auseinandersetzung mit einer judaisierenden Gruppe in
der Gemeinde, für die die Abrahamskindschaft entscheidend war
(S. 41—57), Joh 11, 47—53 als eine Art Apophthegma, das aber auf
ein Wort des Hohenpriesters (nicht Jesu!) abzielt, was an seine
Rolle bei Philo und Josephus erinnert und mit anderem (Verfolgung
nur durch Juden, Vermeidung christologischer Auseinandersetzungen
[dafür 18,19!] vor dem Hohenpriester, Todesdatum) zusammen
auf stark im jüdischen Bereich wurzelndes Material des
vierten Evangeliums hinweist (S. 58—68). In Mk 13,14—20 und
Lk 21, 20—24 werden zwei, vermutlich voneinander unabhängige,
Versionen apokalyptischer Erwartung gesehen, von denen die eine
durch die Tempelschändung des Antiochus, die andere durch die
Eroberung Jerusalems durch Nebukadnezar geprägt ist (S. 69—83).
Die Rolle des Synedriums im Prozeß Jesu war nach Dodd die Vorbereitung
der Anklage vor dem (für Todesurteile allein zuständigen
) römischen Präfekten (nicht Prokurator!) (S. 84—101).
"Evvouoc; Xpt-crtou (1 Kor 9, 21) wird so verstanden, daß auch für
Paulus Jesusworte Autorität haben, man also mit gewissen Vorbehalten
auch von einem inhaltlich gefüllten „Christusgesetz"
sprechen dürfte (S. 134—148). Am interessantesten scheint mir die
formgeschichtliche Untersuchung der Ostergeschichten (S. 102—133),
die den umfangreichsten Beitrag ausmacht. Zwei Typen werden
unterschieden: schon stark fixierte Tradition in knapper Schilderung
, die nur das Notwendigste enthält (Mt 28,8—10. 16—20;
Joh 20,19—21) und novellenartige Ausführung einer noch nicht
festgelegten Überlieferung (Lk 24,13—35; Joh 21,1—14) samt
ihren Weiterbildungen. Für die erste ist die Folge von Verlassenheit
der Jünger, Erscheinung, Gruß, Erkennen Jesu, Befehl an die
Jünger typisch. Das läßt sich auch noch in der zweiten Gruppe erkennen
, wo aber von der Eucharistie her das Motiv des Mahles
eindringt. Ausgesprochen apokalyptische Züge fehlen überall, und
Apologetik dringt erst Lk 24, 36 ff. ein. Formgeschichtlich spricht
also alles dagegen, daß Lk 5,1—11; Mk 6,45—51 (wo höchstens
Joh 6,16—21 noch Züge einer ursprünglichen Auferstehungsgeschichte
enthält, wenn es nicht nachträglich daran angeglichen
worden ist); 9, 2—8 oder 4, 35—41 einmal Erscheinungen des Auferstandenen
beschrieben hätten.

Zürich Eduard Schweizer

Marxsen, Willi: Der Exeget als Theologe. Vorträge zum Neuen
Testament. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
[1968]. 264 S. 8°. Lw. DM 24.-.

In dem vorliegenden Sammelband sind 15 Vorträge, Vorlesungen
und eine Bibelarbeit zusammengestellt, die M. in der Zeit
von 1955 bis 1966 gehalten und — abgesehen von der Bibelarbeit
über Mk 5, 21—43/Mt 9,18—26 — in verschiedenen Zeitschriften
und Jahrbüchern veröffentlicht hat. Der Bogen dieser Reden

ist weit gespannt: er reicht von der „redaktionsgeschichtlichen
Erklärung der sogenannten Parabeltheorie des Markus" (S. 13—28)
über „Jesus hat viele Namen" (S. 214—225) bis hin zu Fragen der
Homiletik („Was sollen wir predigen?" S. 139—159, und „Der Beitrag
der wissenschaftlichen Exegese des Neuen Testaments für die
Verkündigung", S. 52—74) und des kirchlichen Amtes („Die Nachfolge
der Apostel. Methodische Überlegungen zur neutestament-
lichen Begründung des kirchlichen Amtes", S. 75—90), wobei es
M. immer um die rechte Verwertung der exegetischen Erkenntnisse
für die theologische Arbeit bzw. um das Verhältnis der exegetischen
Arbeit zur Predigerarbeit geht. Die Frage: „Wie kann der
Exeget Theologe werden?" zieht sich durch alle Aufsätze hindurch
und rechtfertigt das Thema dieser Sammlung nach dem im Mittelpunkt
stehenden Aufsatz: „Der Exeget als Theologe" (S. 104—114).
Auf eine Einzelbesprechung der an Umfang und Präzision unterschiedlichen
Beiträge kann darum verzichtet werden.

Alle Vorträge sind durch die aktuellen kirchlichen und theologischen
Auseinandersetzungen geprägt, wie es besonders deutlich
die Schlußworte des letzten Beitrags: „Jesus und das Neue
Testament" (S. 246—264) erweisen: „Wir, die sogenannten modernen
Theologen (wollen) nicht einreißen, nicht zerstören, nicht
aushöhlen, oder was immer man uns vorwirft, sondern unseren
Blick konsequent auf den einen Punkt richten, den wir nicht aufzugeben
bereit sind: auf Jesus". Daraus ergibt sich die Notwendigkeit
der „Überprüfung" von „vertrauten Vorstellungen"
mit dem Ziel, daß „die Unmündigkeit" der Gemeinden „aufhört"
(S. 264). M. will durch seine Vortragstätigkeit mithelfen, daß der
„große Nachholebedarf an theologischer Information" gedeckt
werde (S. 246).

Ausgangspunkt ist bei M. die aus seiner „Einleitung in das
Neue Testament" bekannte These: das Neue Testament ist „der
älteste erhaltene Predigtband der Kirche" (vgl. S. 49. 58. 61. 69.
102. 126. u. ö.). Wenn es sich aber im Neuen Testament um Verkündigung
in eine bestimmte Situation hinein handelt, dann wird
die genaue Kenntnis der Empfänger dieser „Predigten" von entscheidender
Bedeutung (vgl. S. 31. 64. 100. 119 u. ö.), wodurch die
Einleitungswissenschaft theologische Relevanz erhält und für eine
sachgemäße Exegese unerläßlich wird. Der Exeget hat also zunächst
zu erheben, was der damalige Schreiber den damaligen
Lesern sagen wollte und danach theologisch zu kontrollieren, ob
die Schreiber ihren „.Text' bzw. ihre Tradition so umgesprochen
(haben), daß die in Text und Tradition gemeinte Sache in der
neuen Situation und angesichts der Probleme der neuen Situation
durchgehalten wurde" S. 208 f.; vgl. S. 110 ff.). Als den .Text',
der dabei in der veränderten Lage jeweils neu interpretiert wird,
bezeichnet M. das „apostolische Urkerygma", d. h. Jesus als
Offenbarung Gottes, als Kyrios (vgl. S. 39 ff. 99. 129. 209 ff.). Das
Neue Testament kann dann nur als „Vermittlung der Sache" (S.247)
angesehen werden, so daß jeder Ineinsetzung von Jesus und Schrift
gewehrt ist (vgl. S. 111). Das bedeutet für die von M. in allen
Vorträgen berührte Kanonsfrage: Der „eigentliche Kanon" liegt
„v o r dem Neuen Testament ... in dem in der apostolischen Erstverkündigung
bezeugten Ein-für-allemal" (S. 127) bzw. „Kanonisch
im Sinne einer nicht wandelbaren Norm ist allein der Kyrios . . .,
aber dieser Kanon begegnet mir immer nur im Beziehungsbogen"
(S. 99). Demzufolge ist nur die „Schriftgemäßheit" legitim, die
„an Jesus orientierte Schriftgemäßheit" ist (S. 212). Die Aufgabe
der Predigt besteht nun darin, das, „was in Jesus zur Sprache
gekommen ist, und das heißt . . . den durch Jesus eröffneten
Glauben predigen" (S. 156 f.). Eben als Predigt ist sie „die Verlängerung
von Ostern", ist sie „eschatologisches Ereignis" (S. 158);
denn das, „was die Zeugen mit dem irdischen Jesus . . . erfahren
haben", das wurde durch Ostern als „verkündbar erfahren" (S. 169).
Ostern ist demnach nach M. nichts weiter als „die Ermöglichung
der Weiterverkündigung des vorösterlichen Kerygmas ohne den
irdischen Jesus" (S. 155). An diesem Punkt beginnt ja der Beitrag
M.s zur Frage nach dem „historischen Jesus". M. betont gegen
Bultmann, daß die Rückfrage hinter das Kerygma notwendig ist,
und zwar „eben nicht nur aus historischem Interesse, sondern
gerade auch aus theologischem" (S. 147). Die durch historische
Rückfrage erreichbare letzte Größe ist nach M. „die Aussage einer
Relation Zeuge-Jesus, die als eine eschatologische qualifiziert
wird" (S. 152). Daraus folgt, daß der „von den Zeugen (gehörte
und) weiterbezeugte Anspruch Jesu überhaupt nur in der Form