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Ausgabe:

1970

Spalte:

231-232

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grabner-Haider, Anton

Titel/Untertitel:

Verkündigung als Einladung 1970

Rezensent:

Winter, Friedrich

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231

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 3

232

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Grabner-Haider, Anton: Verkündigung ab Einladung. Mainz:
Matthias-Grünewald-Verlag [1969] 149 8. 8° = Probleme der
Praktischen Theologie, hrsg. von A. Görres und L. M. Weber, 8.

Für Leonhardt Fendt hat die Praktische Theologie „zum
Gegenstand und Ausgangspunkt die neutestamentliche kirchliche
Praxis" (Grundriß der Praktischen Theologie, Tübingen
1949 8.8). Derselbe Ansatz bestimmt das Buch des jungen
römisch-katholischen Professors für Religionspädagogik in Graz.
Nach breiten Exegesen werden heutige Probleme der Verkündigung
und des Gemeindeaufbaus unter dem Aspekt der .Einladung
' besprochen.

Die Einleitung (S. 11-23), die bereits den Inhalt des Buches im
Voraus zusammenfaßt, fordert eine Veränderung der gesamten
kirchlichen Praxis, um eine weitere Emigration von Gemeindegliedern
zu verhindern. Dazu ist es nötig, sich auf „das ursprüngliche
Selbstverständnis christlicher Verkündigung" (S. 19) zu
besinnen. Im 1. Teil (S. 24-78) wird darum das Wesen der Verkündigung
anhand von Begriffsexegesen zu ,Evangelium' -
z. T. enger Anlehnung an entsprechende Artikel im ThW., aber
auch unter breiter Beachtung paulinischer und synoptischer
Aussagen -, .Kerygma' und ,Wort Gottes' bedacht. Ausführliche
Überlegungen schließen sich zur neutestamentlichen Para-
klese an. „Wo Evangelium und Paraklese geschehen dort geschieht
Christus" (8.71). Das Ganze mündet in eine Erklärung
der existentialen Interpretation ein, wie sie „sich aus katholischem
Traditionsdenken heraus direkt ergibt" (S.73). - Der
2. Teil (S. 79-110) entfaltet ein Verständnis der Einladung als
Einladung durch Jesus, seiner Freiheit und seiner Liebe wiederum
mit Hilfe von Texten des Neuen Testamentes. Sehr knappe -
und darum nicht immer ganz durchsichtige - philosophische Erwägungen
zur Sprache der Einladung wollen die dialogische Einstellung
der Verkündigung stützen. Gesprächspartner, auf den
sich die „Menschen der Einladung" mit neuen Worten und gesell-
schaftsveränderndem Tun einzurichten haben, ist der nichtreligiöse
, säkulare Mensch mit seinen verschiedenen Sprachen. -
„Konkrete Einladungen" behandelt der 3.Teil (S. 111-149) für
den innerkirchlichen (Unterricht, Liturgie, Predigt, seelsorgerliches
Gespräch) und außerkirchlichen Raum (Information und
Verkündigung, Massenkommunikationsmittel, Arbeit und Freizeit
).

Das anregende Buch ruft manche Fragen hervor. Das Bemühen
, den neutestamentlichen Vorgang der Einladung mit
traditionellen und vor allem mit heute fälligen Gestalten der Einladung
zu harmonisieren, geht manchmal auf Kosten exegetischer
Behutsamkeit vor sich. Das für den Vf. entscheidende
Problem der Verkündigung als einer dialogischen Bewegung
zwischen Heiliger Schrift und Situation ist nicht ausreichend
theologisch geklärt. Der Beitrag hat damit teil an den hier allgemein
heute bestehenden Diskussionsschwierigkeiten. Ob nicht
auch die Auslegung der Paraklese zu stark unter dem Aspekt
der Effektivität erfolgt, so daß darüber der Mensch mehr unter
dem Anspruch, weniger als Entlasteter unter dem Zuspruch des
Evangeliums gesehen wird? Auferstehungsleben, Rückkehr zur
Schöpfungsordnung, Selbstfindung des Menschen sind in diesem
Zusammenhang immer wieder begegnende Gedanken. - Nicht
immer ist in der Art der Darstellung ein glückliches Maß von
Breite und Konzentration erzielt worden. Die Fülle der im Buch
gestellten Fragen wird nicht immer eindeutig bedacht und beantwortet
.

Das Erfreuliche ist, mit welcher ökumenischen Weite und
Unbefangenheit der Vf. hermeneutische und praktische Erwägungen
vorbringt, die auch im evangelischen Bereich um-
treiben. Evangelische deutsche, aber auch skandinavische Autoren
kommen reichlich zu Wort. Unter ihnen wird E. Käsemann
am häufigsten zitiert. Die Kritik an der eigenen Kirche ist
zurückhaltend formuliert und wiederholt sich nur in bestimmten
Fragen: Starrheit der Formen, z.B. Ehelosigkeit der Priester,
Weltferne. Wenn auch die kirchliche Druckerlaubnis nur mit dem
Zusatz gegeben wurde, daß diese nicht „Zustimmung zum Inhalt
des Buches" bedeute, ist durchweg das Bemühen zu spüren,
den Kontakt mit der Lehre der katholischen Kirche und ihren

wichtigen Lebensformen zu wahren. Darum sind auch die höchst
anregenden Vorschläge zur Veränderung des kirchlichen Lebens
gegen Ende des Buches weniger revolutionär, als man vorher erwarten
mußte. Und so liegt der Akzent doch stärker auf der
Forderung nach einer Wandlung der einzelnen Christen: „Wer
zur Botschaft Jesu einladen will, muß einladend leben" (S. 104).

i Rüdersdorf b. Berlin Friedrich Winter

Weber, Otto: Predigt-Meditationen. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht [1967]. 318 S., 1 Porträt gr. 8°. Lw. DM 22,-.

Eine Predigtmeditation zu schreiben, ist kein leichtes Unternehmen
. Der Exeget wird an ihr die Systematik beargwöhnen,
der Systematiker die Voraussetzungen der Exegese. Dem Praktischen
Theologen wird sie einmal zuviel von der Predigt vorwegnehmen
, ein ander Mal zu wenig an Konkretion bieten. Nach
welchem Maßstab sollen der Text und die Zeitsituation „zusammengesprochen
" (Ernst Lange) werden? Gibt es nicht so viel
Maßstäbe, wie es Unterschiede im hermeneutischen Ansatz und
in der Textauslegung gibt, von den Unterschieden in der Beurteilung
der Zeit ganz zu schweigen? Damit ist die Krisis angedeutet
, in der sich heute auch die Aufgabe der Predigtmeditation
befindet.

Wenn es nun gar das Wesen einer solchen Meditation ausmacht
, daß sie kurzlebig sein muß - je konkreter nämlich ihr
Zeitbezug ist -, dann muß auch die Sammlung und Herausgabe
solcher Meditationen eine fragwürdige Angelegenheit werden,
zumal über einen Zeitraum von 22 Jahren hinweg. Dennoch
wird man dem Herausgeber, Martin Fischer, zustimmen, daß es
einen guten Sinn hat, gerade Otto Webers Beiträge zu den
Göttinger Predigtmeditationen aus den Jahren 1945 bis 1967
insgesamt herauszubringen. Denn an der Arbeit Otto Webers
kann man lernen, was für die theologische Arbeit allgemein, besonders
aber für die Predigt gelten sollte: „Nirgends Deklamationen
theologischer Gemeinplätze, sondern Erwerbungen, wie
sie dem zufallen, der über seinen Anfechtungen nach dem Wort
Gottes verlangt" (Martin Fischer im „Geleitwort" S.6). Dazu
hätte es gewiß einen besonderen Reiz, an diesen Meditationen
ausführlicher darzustellen, was den Theologen Otto Weber zu
einem so guten Pädagogen macht, gerade weil diese Zuordnung
nicht eben häufig ist. Ein paar Andeutungen müssen genügen.

Zuerst ein formaler Überblick: Es handelt sich um 81 Meditationen
, besonders zahlreich aus den Jahren 45-51, die meisten
(13) aus dem Jahrgang 46/47. Ob es Zufall ist, daß die Perikopen
aus dem Johannes-Evangelium am häufigsten bearbeitet sind
(16 von 81)? Nur sieben entfallen auf das Alte Testament. Aber
das mag zu Lasten des Auftragplanes gehen. Auffällig ist die
Verringerung in den Jahren 60 bis 66. Zwei Jahrgänge fallen
ganz aus, nur einer ist mit zwei, die anderen sind nur mit einer
Meditation vertreten.

Zur Arbeitsweise: Otto Weber ist Systematiker. Seine Gabe
ist die Zusammenschau und die rechte Zuordnung der Details.
Er knüpft an die zeitgenössischen Exegeten an, ist aber keinem
verschworen. Schlatter kommt genau so zu Wort wie Bultmann,
Klostermann wie Michel, Joh. Weiß wie Joachim Jeremias,
Lietzmann wie Lohmeyer, Zahn wie Schniewind und Käsemann
. Freilich von der jüngeren Generation auch kaum einer
mehr. Hier ist deutlich ein gewisses Abwarten zu spüren. Dennoch
urteilt Martin Fischer zu recht: „Er nutzte aufgeschlossen
die Methoden historisch-kritischer Wissenschaft, um nach Erarbeitung
der Textaussage scheinbar mühelos die Aktualität für
den Prediger und die hörende Gemeinde zu erheben" (S.5).
Scheinbar mühelos! In der Regel geht es um den Dreischritt von
Überschau, bzw. Charakteristik des Textes zu den Einzelheiten
und dann zu ihrem Aussagewert für unsere Zeit. So sehr damit
ein Schema gekennzeichnet ist, so wird es doch keineswegs schematisch
gehandhabt. Die einzelnen Teile haben jeweils verschiedenes
Gewicht, werden bisweilen auf sechs ausgedehnt,
manchmal auch in einen einzigen zusammengezogen. Durchaus
nicht immer steht die homiletische Anweisung am Schluß. Der
„Angelhakten" wird an den verschiedensten Stellen ausgeworfen.
Einmal ist es eine Disposition, einmal nur ein Denkanstoß, der