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Ausgabe:

1970

Spalte:

230

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Gilg, Arnold

Titel/Untertitel:

Fragen und Wege historischer und systematischer Theologie 1970

Rezensent:

Schott, Erdmann

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Seite 1

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229

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 3

230

Annahme voraus. Ein Nicht-glauben hebt die eucharistische
Wirklichkeit keineswegs auf.

Vf. stellt sich selbst die Frage, was bei dieser Interpretation
der eucharistischen ßealpräsenz aus der „Transsubstantiation"
geworden ist. Ist die dargelegte Transsignifikation als solche
schon die Transsubstantiation oder ist diese eine Folge oder
Implikation jener? Das ist die „Endfrage", auf die die ganze
Untersuchung hinausläuft. Dabei zeichnet sich gleichzeitig noch
einmal mit aller Schärfe der Denkhorizont ab, in dem diese Endfrage
steht: „Was sich hier in seiner ganzen Tragweite auftut,
ist letztlich die Frage nach der Wirklichkeit" (S.97). Die Antwort
auf die Endfrage kann von den Voraussetzungen des Vf.s
aus nicht zweifelhaft sein. Für ihn hängt zwar die eucharistische
Transsignifikation, die neue Sinn-Stiftung, unlöslich mit der
conversio entis, der Transsubstantiation, zusammen, „aber man
kann sie nicht schlechthin identifizieren" (S. 101). Das
Phänomenale, die eucharistische Speise, signifiziert für den
christlichen Glauben keineswegs mehr die uns bekannten
Nahrungsmittel, sondern den Leib des Herrn. Das, was mittels
des Phänomenalen signifiziert wird, hat sich im Vollzug der
Eucharistie objektiv gewandelt. Darum hat sich hier das Signi-
fizieren des Phänomenalen selbst gewandelt. „Was in unserer
Erfahrung als Brot und Wein erscheint, ist der (als sakramentale
Speise) erscheinende Leib des Herrn" (ebd.). Das Ergebnis
dieser Überlegungen des Vf.s dürfen wir wohl mit folgender
These festhalten: Kraft der schöpferischen Tat des in der
Eucharistie sich ereignenden Heilshandelns Gottes kann für den
christlichen Glauben im Blick auf die eucharistische Speise Inhalt
der IST-Aussage letztlich nur „Leib und Blut Christi" sein
und nicht „Brot und Wein".

Wenn diese These rechtmäßige Interpretation des von dem
Transsubstantiosdogma Gemeinten ist, dann hat dieses Dogma -
so verstanden - m. E. keine trennende Kraft mehr gegenüber der
evangelisch-lutherischen Kirche. Gewisse begriffliche Unterschiede
in der Interpretation der Realpräsenz müßten freilich
noch genauer geprüft werden. Auch wird der evangelische Theologe
heute die Terminologie Luthers für die unio sacramentalis
(zwei je für sich bestehende „Wesen" werden „ein Ding") nicht
einfacli wiederholen wollen und hinsichtlich einer dem Geheimnis
angemessenen Begrifflichkeit gewiß auch von dem Vf. lernen
können. Aber darf man sich in dieser Sache nicht doch von
Luthers Aussage leiten lassen: „Über Worten wollen wir nicht
zanken, alleine daß der Sinn da bleibe, daß nicht schlecht Brot
sei, das wir im Abendmahl Christi essen, sondern der Leib
Christi" (WA 23, S.144, Zeile 29-31)?

Die Schrift Schillebeeckx enthält freilich mehr am Rande
auch Aussagen, über die bis auf weiteres wohl kein Konsensus
herbeigeführt werden kann. Ich berchränke mich auf zwei
Punkte. Der eine betrifft die gebotene „Ehrfurcht vor der heiligen
Reserve". Dieses Gebot ist zu hören. Aber darf daraus gefolgert
werden, daß das Gnadenangebot in diesem „Brot" real
dableibt, solange es „Zeichen" bleibt, „das heißt, solange das
Brot menschlicherweise Speise - eßbar - ist" (S.97). Ist das
Bleiben des Zeichens nicht auch von den Grundgedanken des
Vf.s aus auf das Gedächtnismahl der versammelten Gemeinde
begrenzt? Der zweite Punkt betrifft die Weise, wie nach dem Vf.
in die „Selbsthingabe Christi an den Vater in der Gestalt der
Selbsthingabe an die Menschen" die entsprechende Selbsthingabe
der Kirche in das realisierende Zeichen der Selbsthingabe
Christi gleichzeitig einbezogen wird. Zustimmend wird
das Augustinwort angeführt: „Wir selbst liegen auf der Pa-
tene". Zielen die in diesem Zusammenhang geäußerten Gedanken
des Vf.s (S.92ff.) nicht auch auf den Mitvollzug der
Selbsthingabe Christi an den Vater durch die Kirche ? Wird dadurch
aber die schlechthinnige Einzigkeit der Selbsthingabe
Christi als dvzlXvxoov (lTim 2,6) nicht in Frage gestellt? Freilich
sind die auf diesen Fragenkreis sich beziehenden Aussagen in der
vorliegenden Schrift nicht thematisch ausgearbeitet. Aber auch
so ist bereits deutlich, daß in diesem Bereich nach wie vor schwerwiegende
kontoverstheologische Fragen der Klärung harren.
NeckargemOnd Peter Brunner

Gilg, Arnold: Fragen und Wege historischer und systematischer
Theologie. Gesammelte Aufsätze. Zürich: EVZ-Verlag [1968].
XVI, 238 S., 1 Porträt gr. 8°. Lw. DM 23,80.

G., geb. 1887, Professor an der christkatholisch-theologischen
Fakultät der Universität Bern 1916-1957, gest. 1967, wußte sich
Karl Barth „in einer starken Gemeinschaft des Fragens und
Denkens verbunden". Dieser bekam für ihn hauptsächlich nach
zwei Richtungen Bedeutung: „einmal für die Neuentdeckung
der Gegenwartsrelevanz des christologischen und trinitarischen
Dogmas und der theologischen Kämpfe der alten Kirche"
(S.X), sodann für das „Verständnis von Offenbarung, Schrift,
Tradition, Theologie, Glaube und Rechtfertigung" (S.XI). Die
vorliegende Aufsatzsammlung wird eröffnet mit einer Rektoratsrede
von 1928: „Der Sinn der Theologie". Es folgen neun
weitere Aufsätze aus späteren Jahren: „Der Weg der Kirche im
werdenden Abendland", „Zum altkirchlichen Traditionsgedanken
", „Der Hochkatholizismus", „Das Problem der Religion
", „Bemerkungen zu Martin Werners Buch: Die Entstehung
des christlichen Dogmas", „Der Katholizismus der Gegenreformation
", „Von der dogmengeschichtlichen Forschung in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts", „Am Anfang des Zweiten
Vatikanischen Konzils", „Karl Barth und das Tridentinum
(zu Hans Küngs Buch: Rechtfertigung)". Im Vorwort bemerkt
Kurt Stalder, „daß es neben dem viel Gewichtigeren, das Arnold
Gilg zu bieten hatte, immer wieder auch ein Genuß war, ihm
zuhören zu dürfen". Seine Ausführungen versetzten „den Hörer
sofort in Spannung und Faszination" (S.VII). Etwas davon
spürt auch der Leser dieser Aufsätze. G. verbindet eine verständnisvolle
und stilistisch glänzende Darstellung mit einer
klaren Bezeugung des eigenen Standpunktes.

Es würde zu weit führen, alle zehn Aufsätze einzeln zu besprechen
. Nur einiges kann hervorgehoben werden. G. grenzt
sich gegen Schleiermachers Unternehmen einer „philosophischen
Theologie" ab, weil „man dabei unweigerlich ,den Standpunkt
über dem Christentum nimmt'" (S. 18), damit habe man
sich „bereits gegen den Herrschaftsanspruch Jesu Christi entschieden
" (S.105). Hier müßte bedacht werden, daß Schleiermacher
dieses „über" ausdrücklich „in dem logischen Sinne des
Wortes" nimmt. Bemerkenswert ist, daß G. (wohl im Gegensatz
zu seiner altkatholischen Kirche) „nicht umhin (kann), das, was
uns in der alten Kirche als eigentliches Traditionsprinzip entgegentritt
, abzuweisen" (S.65); den fundamentalen unheimlichen
Irrtum erblickt er darin, „daß die Tradition mit der Dig-
nität einer Offenbarungsquelle umkleidet wird" (S.58). G. bekennt
sich mit Nachdruck zu dem reformatorischen Satz von der
Suffizienz der Schrift. Das Wort der Kirche hat Autorität, aber
nur relative Autorität, „sofern es selbst ... aus dem Hören des
göttlichen Wortes herausgewachsen ist" (S.68, vgl. S.197). Mit
dem Traditionsprinzip dagegen wird „die Kirche letztlich an sich,
die Kirche selbst," verwiesen (S.60). Die Auseinandersetzung
mit Küng kommt in eingehenden und subtilen Untersuchungen
der tridentinischen und vortridentinischen Diskussion zu dem
Ergebnis, „daß von wesentlicher, grundsätzlicher Übereinstimmung
zwischen der Barthschen und der tridentinischen
Rechtfertigungslohre nicht geredet werden kann" (S.238).

Halle,'Saale Erdmann Schott

Bobrinskoy, Boris: Presence reelle et communion eucharistique
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