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Ausgabe:

1970

Spalte:

223-224

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Metzger, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Die romanischen Reliefbilder an der Plieninger Martinskirche 1970

Rezensent:

Jursch, Hanna

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Seite 1

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223

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 3

224

Petitdruckpassagen mit häufiger Quellenzitation markieren das
Quellenengagement des Vf.s.

Der lutherische Theologe Voßberg, der ganz offensichtlich eine
sympathische Seite Luthers in den Vordergrund rücken will,
deckt dessen Verhalten zur Antoniterniederlassung in Wittenberg
und zu deren führenden Köpfen auf. Die andere Komponente
, an der Voßbergs Interesse haftet, berührt - wiederum
von den Antonitern her - Meister Mathis Neithart, genannt
Grünewald. Er hat mindestens für ein Antoniterkloster, für das
in Isenheim, gearbeitet.

Das Buch ist, übrigens mit voller Absicht seines Vf.s, etwas
kopflastig. Es beginnt mit einer Kurzcharakteristik des Ordensheiligen
und -leitbildes Antonius. Es führt dann durch Strecken
der Ordengeschichte bis hin zu den Niederlassungen in Prettin,
Lichtenburg und Wittenberg mit ihren Generalpräzeptoren
Goswin von Orsoy und Wolfgang Reißenbusch, die gleichzeitig
Universitätskanzler waren. Beziehungen zwischen ihnen und
Luther als einem der Professoren müssen -so wird behauptet -
vorhanden gewesen sein, wenn der Nachweis profilierten theologischen
Austausches expressis verbis auch nicht gelingen will.
Das müßte vielleicht auch über das eingestreute Grünewaldkapitel
gesagt werden, vornehmlich was die synchronoptischen
Hinweise bezüglich Luther und Grünewald angeht: „Von
höherer geschichtlicher Warte aus gesehen, war es kein Zufall,
wenn Meister Mathis sein großes Isenheimer Altarwerk im
Dienste der Antoniter zur selben Zeit in Angriff nahm, wie
Luther im Wittenberger Augustinerkloster die Erleuchtung über
die Glaubensgerechtigkeit ohne des Gesetzes Werke überkam.
Die Zeit war erfüllt, daß den nach letzter Klarheit ringenden
Menschen, zu denen wir den noch in der Werkgerechtigkeit befangenen
Künstler rechnen müssen, durch die reformatorische
Theologie der Zugang zum unverfälschten Evangelium geöffnet
wurde" (S.90).

Solche etwas das Konto überziehenden Bemerkungen begegnen
des öfteren: „Schließlich standen ja alle urteilsfähigen
Leute in ganz Deutschland hinter dem evangelischen Zeugnis des
Wittenberger Professors" (S. 108). Derartig undifferenzierte
Generalia werden sekundiert durch eine Reihe von Gemeinplätzen
, die der Vf. eigentlich angesichts des reichen vorzulegenden
Materials gar nicht nötig hat (z. B.: „Man muß die Menschen
nehmen, wie sie sind, und ihr Handeln aus ihrem Wesen zu verstehen
suchen", S. 145).

Diese Einwände haben nun nicht die Absicht, Wasser in den
Wein der Hoffnung zu gießen, die der Vf. bezüglich eines „breiten
Leserkreises innerhalb der evangelischen Gemeinden"
(S.5f.) hegt. Hier wird für viele ansprechend und faßlich ein
Kapitel Reformationsgeschichte erzählt. Dafür sei dem Vf. gedankt
.

Berlin Joachim Kogge

Ich kann hier nur die Deutung des Vf.s wiedergeben. Zwei
Reliefs handeln von der Kirchengründung: Das eine zeigt die
Stifter mit dem heiligen Martin zu Pferde samt dem Bettler, das
andere den Steinmetzen mit dem Eckstein. Beide eröffnen die
Reihe im Süden und Norden. - Auf vier weiteren Reliefs werden
die Mächte der Finsternis gebannt: Die zwei Löwen erweisen
das Ende des Gegensatzes der Geschlechter, der Nachtvogel wird
vom Pfeil getroffen, die Zwittergestalt des Kentauren wird
durchs Schwert erlegt, über den Löwen als Symbol des Todes
erringt Simson den Sieg. Menschliche Gestalten bringen auf den
drei letzten Reliefs den Feind zum Erliegen. - Die vier nächsten
Reliefs wenden sich an den einzelnen, sie zeigen, „was die Kirche
ihren Gläubigen durch ihr Amt ausrichtet" (S. 112). Im ersten
Relief wird der sündige Mensch durch den Priester entsühnt,
der die Besprengung mit Ysop vornimmt (Priestertum als
Moses-Stiftung); im zweiten greift der Priester nach dem Baum
echter Weisheit (Salomo); im dritten überwältigt David den
Löwen mit einer Keule, im vierten erweckt Elia den toten
Knaben. Und nun die überraschende Folgerung: „Christus ist -
so sagen es die vier Bilder nacheinander - mehr als Mose, mehr
als Salomo, mehr als David, mehr als Elia" (S. 113). Der Vf.
fragt sich selbst, ob diese Gedanken in den Text der Bilder eingetragen
oder nicht vielmehr die Voraussetzung des ganzen
Zyklus seien. - Die beiden abschließenden Reliefs (Männlein und
Sirene) zeigen nach Meinung des Vf.s alte kosmische Fruchtbarkeitsmächte
, die hier im Zusammenhang des Ganzen Himmel
und Erde bedeuten. Wie sich der Vf. auf Grund seiner Deutung
die ursprüngliche Anordnung der Reliefs denkt, zeigt seine
Skizze auf S. 128. Entstanden glaubt er sie im letzten Drittel des
12. Jh.s, unter bernhardinischem, aber auch hirsauischem Einfluß
.

Mit Spannung verfolgt der Leser die Argumentation für die
These des Vf.s, die Auseinandersetzung mit den vielen bisherigen
Deutungen. Ein breites religionsgeschichtliches und
kunstgeschichtliches Material wird vorgelegt. Aber der Vf. spürt
selber an einigen Stellen, daß er seinen Lesern sehr viel zumutet.
Die christologisch-kirchliche Grundkonzeption ist verlockend,
aber das Bindeglied zwischen dem, was außen sichtbar ist und
was sich im Gottesdienst abspielt, ist m.E. nicht ohne weiteres
gegeben. Die Auseinandersetzung mit der neuartigen These wird
sicher geeignet sein, den Tatbestand weiter zu klären.

Zum Schluß einige Bemerkungen: Der Vf. hat mit seiner
Deutung des zweiten Reliefs auf einen Steinmetzen sicher recht.
Aber Adam als Schmied findet sich häufig auf Elfenbeinkästen
des 10. Jhs. - Auf S. 104 wird behauptet, daß der Plieninger-
Reihe alle hierarchischen Züge fehlen, nachdem gerade eben gesagt
wurde, daß Christus in der Gestalt seiner priesterlichen
Stellvertreter seine verborgene Macht erkennen lasse.

Jena Hanna Jurßch

GESCHICHTE CHRISTLICHER KUNST

Metzger, Wolfgang: Die romanischen Reliefbilder an der Plieninger
Martinskirche. Gestalt und Botschaft. Stuttgart: Calwer
Verlag [1968]. 159 S. m. 2 Plänen, 18 Taf. gr. 8°. Lw.
DM 24,-.

Ein Beispiel dafür, daß die kunstgeschichtlichen Bemühungen
um die Deutung mittelalterlicher Bildwerke der Ergänzung
durch das Fachwissen des Kirchenhistorikers bedürfen, bietet
die Monographie von W.Metzger über die romanischen Reliefbilder
an der Plieninger Martinskirche, einer Dorfkirche in der
Nähe Stuttgarts.

Einigen wichtigen Vorfragen, die das ikonographische Geheimnis
der Bildwerke sichtbar machen, schließt sich die Analyse
der Reliefs an. Im letzten Teil wird das Facit aus den Einzeluntersuchungen
gezogen. Sehr viel Stoff ist in den ausführlichen
Anmerkungen verarbeitet.

Der Vf. sucht den Nachweis zu erbringen, daß die zwölf
romanischen Reliefs, die sich an der Hängeplatte des Dachgesimses
befinden (heute neun an der Süd- und drei an der
Nordseite) eine gezielte zentrale kirchliche Thematik aufweisen.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Schillebeeckx, Eduard: Die eucharistische Gegenwart. Zur Diskussion
über die Realpräsenz, übers, v. H.Zulauf. Düsseldorf
: Patmos [1967]. 107 S. 8° = Theologische Perspektiven.
Kart. DM 8,80.

Die unter dem Titel „Christus' tegenwoordigheid in de
Eucharistie" in Bilthoven veröffentlichte Studie des in vielen
Bereichen führenden holländischen Dominikanertheologen erscheint
hier in der Schriftenreihe „Theologische Perspektiven",
die nach der Verlagsanzeige „mitten in die Problematik heutigen
theologischen Denkens führen will", indem die Verfasser eine
Art „Zwischenbericht" über das Ergebnis ihrer bisherigen Denkbemühungen
vorlegen, „ohne daß der Zwang besteht, das jeweilige
Thema zu einer allseits abgesicherten Monographie auszubauen
". Dieser Zielsetzung entspricht die Studie des Vf.s aufs
beste. Sie ist offensichtlich in erster Linie auf die gegenwärtige
innerkatholische Diskussion um die Neuinterpretation des Trans-
substantiationsdogmas bezogen. Zugleich ist sich Vf. der Tatsache
bewußt, daß jede solche Neuinterpretation auch das Verhältnis
zwischen der römisch-katholischen Kirche und den