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Ausgabe:

1970

Spalte:

209-212

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Inédits Byzantins d'Ochrida, Candie et Moscou 1970

Rezensent:

Irmscher, Johannes

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209

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 3

210

Marshall, I. H.: Tradition and Thcology in Luke (Luke 8,5-15) (Tyn-

dale Bulletin 20, 1969 S. 56-75).
Sanders, J. A.: Dissenting Deities and Philippians 2,1-11 (JBL

LXXXVIII, 1969 S. 279-290).
Schalit. Abraham: Zu AG 25,9 (Aimual of the Swedish Theological

Institute 6, 1967/68 S. 106-113).
- Die „herodianischen" Patriarchen und der „davidische" Herodes

(Annual of the Swedish Theological Institute 6,1967/68 S. 114-123).
Steinmetz, Franz-Josef: Parusie-Erwartung im Epheserbrief? Ein

Vergleich (Bibl 50, 1969 S. 328-336).
Stuhlmacher, Peter: Neues vom Neuen Testament (Pastoraltheologie

58, 1969 S. 405-427).

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Halkin, Francois [Ed.]: Inedits byzantins d'Ochrida, Candie et
Moscou. Brüssel: Societe des Bollandistes 1963. 360 8. gr. 8°
= Subsidia Hagiographica, no.38.

Der September des Jahres 1961 brachte fast gleichzeitig zwei
internationale und überdies noch thematisch verwandte Kongresse
an Orten, die für gewöhnlich für derartige Veranstaltungen
nicht gewählt werden: in Ochrid im jugoslawischen Mazedonien
tagte vom 10.-16. der Zwölfte Internationale Byzantinisten-
kongreß1, in Iraklion trat in der Zeit vom 22.-28. der Erste
Internationale Kongreß für kretische Studien zusammen 2. Beide
Kongresse richteten das Augenmerk auf Handschriftensammlungen
, die sehr leicht der Aufmerksamkeit selbst der Experten
entgehen. Die Inedita, die dabei zutage traten, machte Marcel
Richard, dessen Verdienste um die Erschließung der griechischen
Handschriftenbestände nicht hoch genug eingeschätzt
werden können3, durch Mikrofilme zugänglich, und Francois
Halkin4, der derzeitige Vorsteher der Societe des Bollandistess,
verband ihre Herausgabe mit der einiger Moskauer Stücke, von
denen Richard ebenfalls Filme angefertigt hatte. Die Edition
ist dadurch auf insgesamt 20 Texte angewachsen, die in bezug
auf Überlieferung, Inhalt, Umfang und literarische Gestaltung
recht unterschiedlich sind. Die eine Hälfte der Texte gründete
sich jeweils auf einen Codex unicus, für die andere Hälfte wurden
18 weitere, aus der Literatur bekannte Handschriften herangezogen
. Alle erschlossenen Schriften sind hagiographischen
Inhalts und gehören bis auf ein Stück - Nr.4, einem Logos des
Konstantin Mesarites (12. Jahrhundert), des Vaters der Kirchenpolitiker
Johannes und Nikolaos Mesarites8, auf die Darstellung
Marias im Tempel7 - sämtlich der vormetaphrastischen Periode
zu. Die editorische Darbietung und äußere Gestaltung folgt der
bekannten vorbildlichen Bollandistentradition. Es werden zunächst
die Handschriften beschrieben, dann die einzelnen Texte
in ihren literarhistorischen Zusammenhang gerückt und schließlich
die jeweiligen Editionen dargeboten - mit sinnvoll konzi-
sein Apparatus criticus 8, Nachweis der Testimonia, auflockernden
Zwischentiteln in französischer Sprache und gelegentlich
weiterführenden Annotationen. Indizes erfassen die
Eigennamen, die sprachlichen Besonderheiten sowie die herangezogenen
Codices. Es soll im Nachstehenden in gebotener
Kürze mit den neuen Materialien, die das Werk bietet, vertraut
gemacht werden.

Aus dem Ochrider Nationalmuseum werden vier Handschriften
herangezogen, Nr. 4, Nr. 28, Nr. 44 und Nr. 50. Aus Nr. 4, dem
10. Jahrhundert zugehörig und trotz Verstümmelung noch mehr
als 500 Seiten umfassend, ediert Halkin die Stücke 19, 21 und 32
der insgesamt 33 Texte, die sich auf die Heiligenfeste zwischen
dem 20. September und dem 22. Oktober beziehen9. Das erste
Stück S. 13ff. ist ein Martyrium des Herrenbruders Jakobus,
des ersten Bischofs von Jerusalem, der beachtenswerterweise
nicht in der Eigenschaft eines Apostels aufgeführt wird. Das
zweite Stück des Codex S.21L, war bisher nur in der lateinischen
Version publiziert10, aber griechisch nach zwei Athos-Hand-
schriften bekannt11, welche der Editor zusätzlich heranzieht.
Es handelt sich um den Brief von elf Brüdern, die sich als Augen-
und Ohrenzeugon der Passio der Märtyrer von Anazarbos in
Kilikien vorstellen. Die Passio selbst wird als Nr. 13 in einer
neuen Rezension vorgelegt. Das dritte Stück aus dem Ochrider

Codex 4 (8.24ff. bei Halkin) ist ein MotpTupiov - oder richtiger
ein Btoc ev cruvtöuw- des durch seine Grabinschrift12 berühmten
Aberkios; ,,neu'! an dem Text ist lediglich eine anachronistische
Verbindung der Titelgestalt mit Paulus von Samo-
sata13 (S.28).

Dem Codex 28 des Ochrider Nationalmuseums, dessen Datierung
zwischen dem 14. und 15. Jahrhundert schwankt, hat
Halkin als Nr. 4 seiner Sammlung lediglich den bereits erwähnten
Logos des Konstantin Mesarites entnommen, der sich in dem
Manuskript, das ansonsten metaphrastische Lesetexte für die
zweite Novemberhälfte enthält, neben zwei weiteren nicht metaphrastischen
marianischen Texten findet. Mesarites war ein
hoher Reichsbeamter, der in gekonnter Rhetorik und mit frappanter
Bibelkenntnis seinen langen und nicht immer leicht verständlichen
Traktat elc; xf)v etg xci &yux tffiv dytuv etaoöov
ttk; ünepoVyvou nocpdevou wxi. eeoTOHOi» abfaßte14.

Der am Anfang und Ende verstümmelte Ochrider Codex 44
enthält, um den Terminus Albert Ehrhards zu gebrauchen, eine
„Jahressammlung"18 (itavnYupiHonapTupoÖYtov); die Handschrift
umfaßt daher trotz der eingetretenen Verluste noch über
800 Seiten. In der vorliegenden Kollektion werden daraus vier
Texte entnommen, die sämtlich bereits durch andere Überlieferung
bekannt waren. So steht die Passio der heiligen Paula -
Nr.5 bei Halkin (Text S.52ff.) - außer in der Ochrider Handschrift
des 10./11. Jahrhunderts noch in einem Athos-Codex des
12. Jahrhunderts. Gleiches gilt für die Passio des Theodoros
ETpoeTT|deTr]s16 (Text S.71 ff.), während Nr.7-ein zu Unrecht
mit dem Namen des Johannes Chrysostomos verbundener Logos
auf die Geburt Johannes' des Täufers - außer in einer lateinischen
Übersetzung des 16. Jahrhunderts zu wesentlichen Teilen
seit dem 17. Jahrhundert auch im griechischen Originaltext zugänglichist17
. Nr.8 schließlich, das MapTCpuov xou &yiov Mal
ev66goo uap-ropoc IIpoHOiiüou 18, eines legendenumwobenen
Opfers der großen Christenverfolgung von Cäsarea, hat zu der
Ochrider Fassung noch eine Parallele in einem Parisimus des
10. Jahrhunderts.

Der Codex 50 des Ochrider Nationalmuseums, ein Halb-
jahrespanegyrikon, um wiederum einen Ehrhardschen Terminus
zu gebrauchen19, lieferte drei Inedita, die sich sämtlich auf das
Fest der Erzengel am 8.November beziehen. Die 'OuiACoc eis
xf)v <r6vTa£i,v twv äowuarwv war bereits in einer vollständigeren
Fassung nach dem Barberinianus 583 und in Teilfassungen auch
nach anderen Codices bekannt; Halkin, der in der Schrift eine
Einheit und nicht etwa eine Zusammenfügung dreier selbständiger
Homilien sieht, hat als Nr. 9 S. 133ff. den vollständigen
Text - also nicht nur den der Ochrider Handschrift - publiziert.
Darauf folgen als Nr. 10 und Nr. 11 Miracula der Erzengel Michael
und Raphael, von denen das erste in lateinischer Übersetzung
bereits seit längerem bekannt ist20.

Die Ausbeute, die der Kretologenkongreß bot, war im Vergleich
zu Ochrid weit geringer; lediglich einen Text konnte Halkin
vorlegen, ein Enkomion auf den Säulenheiligen Alypios
(6./7. Jahrhundert), verfaßt von einem rhetorisch gebildeten,
biographisch nicht faßbaren Geistlichen der Hagia Sophia
namens Antonios21. Der Fund entstammt dem Manuskript 2 des
Historischen Museums zu Iraklion, ist im 11. Jahrhundert geschrieben
und ergänzt in vorteilhafter Weise den verstümmelten
Text eines Menologiums der Benediktinerabtei Douai (England)
aus dem gleichen Jahrhundert; ansonsten enthält der Codex von
Iraklion laut Katalog Reden Gregors von Nazianz.

Höchst umfangreich bietet sich dar, was dank Marcel Richards
unermüdlicher Aufmerksamkeit aus dem Fonds der einstigen
Synodalbibliothek im Historischen Museum zu Moskau an neuen
Materialien erschlossen werden konnte. Drei Handschriften
lieferten bisher Unbekanntes, die Codizes 161, 162 und 178.

Der Codex 161 stammt aus der Großen Lavra des Athos und
stellt - wieder nach Ehrhard - eine „nichtmenologische"
Sammlung dar22. Von den 31 Texten, die er enthält, werden drei
als Nr. 13-15 von Halkin vorgelegt. Im einzelnen handelt es sich
um Folgendes: Nr. 13 bringt die Passio der Märtyrer von Anazarbos
, deren Einleitungsbricf von Nr. 2 der Sammlung nach
dem Ochrider Codex 4 bekanntgemacht wurde, und zwar in der
■vMfpMtC eines Unbekannten, zu der partienweise ein Sabaiti-
cus aus der Bibliothek des griechischen Patriarchats in Jerusalem