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Ausgabe:

1970

Spalte:

200-202

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Giblin, Charles H.

Titel/Untertitel:

The threat to faith 1970

Rezensent:

Schmithals, Walter

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199

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr 3

200

lieben Fingen zu vordergründig bebandelt werden, indem weder
die qualitative Andersartigkeit des neuen Lebensverständnissefi
in Quinran genau durchleuchtet wird (Gnosis-Froge) noch die
Bedeutung der Apokalyptik untersucht wird. Die gebotenen
Vergleiche zwischen Johannes und Paulus mit Qumran müssen
deshalb unbefriedigend bleiben, zumal, wie es H.Braun schon
1959 herausgestellt hat, „die christologisebe Begründung des
Heils ... nicht ... einen Differenzpunkt neben anderen Unterschieden
... meinen (kann), sondern ... eine wesentliche Anders-
artigkeit ... der beiderseitigen Konzeptionen von Verlorenheit
und Heil zum Ausdruck bringen (muß)" (in : ZThK 56, 1959, 18).

Berlin OUnthrr linuinharh

Wrege, Hans-Theo: Die Überlieferuugsgeschichte der Bergpredigt
. Tübingen: Mohr 1968. VIII, 207 S. gr. 8° = Wissenschaft
!. Untersuchungen zum Neuen Testament, hrsg. v.
J. Jeremias u. 0.Michel, 9. DM 36, ; Lw. DM 41,-.

Dieses Buch ist die Neubearbeitung einer 1963/64 von der
Theologischen Fakultät in Göttingen angenommenen Dissertation
, deren Fragestellung auf eine Anregung von Prof. Jeremias
zurückgeht (Vorwort); Thema ist die Überlieferungsgeschicbte
der in der Bergpredigt Mt 5-7 zusammengestellten einzelnen
Traditionsstücke.

Die Arbeit folgt in ihrem Hauptteil Abschnitt für Abschnitt
der Bergpredigt. Dabei ist die größere Einteilung I. Die Seligpreisungen
Mt 5,3-16 (S.5-34), II. Die Antithesen Mt 5,17-7,14
(S.35-135), III. Der Schluß der Bergpredigt Mt 7,15-27 (S.136
bis 155) nicht ganz verständlich (sie wird auch nirgends begründet
), denn mit ,,Seligpreisungen" und „Antithesen" ist
(loch jeweils nur der erste Teil der betreffenden Abschnitte gedeckt
. Untergliedert sind diese größeren Abschnitte nach den
kleinen Sprucheinheiten.

Wrege geht dabei jeweils vom Mt-Text aus, bestimmt seine
Form, vergleicht mit inhaltlich parallelem frühchristlichem und
jüdischem Spruchgut, ordnet die verschiedenen Überlieferungen
traditionsgeschichtlich ein und rekonstruiert die zum Mt-Text
führende Uberlieferungsgeschichte - doch ist damit nicht der
Aufbau jeder einzelnen Untersuchung wiedergegeben, vielmehr
variiert der Vf. sachgemäß die Reihenfolge der methodischen
Schritte nach den Erfordernissen des jeweiligen Textes.

Ein als Anhang bezeichneter vierter Teil behandelt „Die
Überlieferungsgeschichte des Geistwortes Mt 12,32 Lk 12,10 im
Zusammenhang ihrer urchristlichen Voraussetzungen" (S. 156 bis
180). Hier geht es Wrege vor allem darum, zu zeigen, wie weit von
ihm sogenannte überlieferungsgeschichtliche ..Vorstrukturen"
(Aufnahme von Dodds Begriff „substrueture"; vgl. S.36, A.6)
die redaktionelle Tätigkeit des Mt und Lk bestimmt haben (bes.
S. 172-180), z. B. das in verschiedenen urchristlichen Überlieferungsgeschichten
sich findende Motive der Begründung der
Heidenmission durch die Ablehnung Israels (S. 173-175).

Der eigentliche Gewinn für die Erforschung der Bergpredigt
besteht darin, daß Wrege neben dem synoptischen Parallelgut
systematisch das von Resch (Agrapha, a1906) und Jeremias
(Unbekannte Jesusworte, 41965) gesammelte und das neuerdings
(nach Abschluß von Wreges Dissertation!) in der Synopsis
Quattuor Evangeliorum (ed. K. Aland, 1964) leicht zugängliche
Material aus der frühchristlichen Literatur (Apostolische Väter,
Kirchenväter, Thomasevangelium usw.) für die Überlieferungs-
uud Traditionsgeschichte der Bergpredigt auswertet.

Dabei wird man Wrege nicht in allen Einzelergebnissen zustimmen
können. Zum Beispiel scheint mir seine Bestimmung des
..Sitzes im Leben" von Lk 6,20-26 mit Hilfe von 1QS l,18ff.
als „Taufe" (S.9) nicht schlüssig, ebensowenig seine These zum
umstrittenen Problem des Verhältnisses von Mt 5,17-20 zu den
Antithesen (bes. S.45),da sie an der Interpretation von nr)poGv
(5,17) als „messianische Taterfüllung" im Sinne der Reflexionszitate
hängt (S.37).

Nicht gelungen scheint mir aber vor allem der Beweis für
Wreges S.l-3 angekündigte und stereotyp bei den Einzeluntersuchungen
wiederholte Hauptthese (S.lOf., A.5; S.II.19.
22.32.40 u. ö.). daß Mt und Lk nicht auf eine gemeinsame schriftliche
Quelle Q, sondern auf jeweils verschiedene, nicht zusammenhangende
mündliche Überlieferungen zurüekgriffen,
wobei er freilich Mk als gemeinsame Quelle von Mt und Lk ansieht
, also nur einen Teil der Zwei-Quellen-Theorie in Frage
stellt (S.3).

Über Dibelius' formgeschichtliche Bedenken gegenüber lite-
rarkritischen Bestimmungen von Q (Formgeschichte, S. 235ff.)
und Jeremias' Argumenten gegen eine schriftliche Logieiuiuelle
(ZNAV 1930 S. 147ff.; vgl. dazu aber die von Wrege nicht erwähnte
Erwiderung von Bussmann ZNW 1932 S.23ff.) hinaus
meint Wrege, daß die Lösung von der Redaktionsgeschichte aufgedeckter
Spannungen an der Q-Hypothese scheitere (S.3f.),
z.B. seien die Antithesen, zu denen sich Parallelen bei Lk finden,
in ihrer Antitbesenform weder auf Q noch auf Mt selber zurückzuführen
, sondern nur auf ein „vormatthäisebes Stadium der
Überlieferung" (S.4). Wrege übersieht dabei einerseits aber, daß
gerade redaktionsgeschichtliche Arbeiten mit einer solchen
Weiterüberlieferung der Logienquelle rechnen (vgl. z.B.
G.Strecker, Der Weg der Gerechtigkeit, 21966 S.12; vgl. auch
J.P.Brown, NTSt 1961/62 S.27ff.). Andererseits zeigt für die
Logienüberlieferung Mt 21,21 f.. welche Freiheit Mt gegenüber
seiner schriftlichen Vorlage Mk hat. (Zugegeben ist freilich, daß
die Mt-Fassung des Vaterunsers nicht auf redaktionelle Bearbeitung
, sondern auf den liturgischen Gebrauch der Gemeinde
zurückgeht; vgl.Wrege S.100 ff.; S.100, A.l; übersehätzt scheint
mir Dei Wrege der Wert wortstatistischer Untersuchungen).

Wrege geht auch nicht darauf ein, daß die gesamte lukanische
Feldrede Lk 6,20-49 mit leicht zu erklärenden Ausnahmen
(Lk 6,24-26.39f.45) in der Bergpredigt ihre Parallele hat, und
zwar auch in der Reihenfolge der Sprucheinheiten (Ausnahme
nur Lk 6,31; von Mt programmatisch nach 7,12 gestellt). Da das
Verhältnis von Bergpredigt zu Feldrede (abgesehen von wenigen
Andeutungen z.B.'S.5; S.lOf., A.5; S.146, A.l: Verweis auf
Bornkamm und Robinson; S.146 f.) und die Form der Bergpredigt
bzw. Feldrede als ganzer ebensowenig wie die - teilweise
ja mit Lk gemeinsame - Kontextverbindung der einzelnen Abschnitte
(aber z.B. S. 132 für Mt 7,13f.) erörtert werden, hängt
Wreges These allein an Beobachtungen zu den Einzelstücken,
die aber m.E. größtenteils auch andere Schlüsse zuließen (vgl.
Wreges Argumentation S. 108f.131.146). Dabei sei darauf hingewiesen
, daß bei Mt „palästinisches Kolorit" (vgl. Wrege S.82)
auch sekundär wieder in die Tradition eingedrungen sein kann
(vgl. nur Mt 19,3-9 gegenüber Mk 10,2-12; dazu Wrege S.69f.)
und nicht unbedingt die Ursprünglichkeit einer Mt-Fassung
beweist.

Zur Überlieferungsgeschichte der Bergpredigt gehören also
wohl doch eine mit Q zu bezeichnende Stufe (mündlich oder -
wahrscheinlicher - schriftlich), Veränderungen dieser Quelle in
der Gemeinde, aus deren Überlieferung Mt Q übernimmt, und
schließlich die matthäische Redaktion als Umgestaltung dieser
Überlieferung und Verknüpfung mit anderem Stoff aus anderen
Überlieferungsschichten. Heilsam ist, daß Wreges Buch einmal
mehr auf den hypothetischen Charakter der Zwei-Quellen-
Theorie verweist, dennoch bleibt sie nicht nur für die Bergpredigt
, sondern für die gesamte synoptische Überlieferungsgeschichte
die Hypothese, die den größten Wahrscheinlichkeitsgrad
für sich hat.

Heidelberg Dieter Lührmann

Giblin, Charles H., S. J.: The Threat to Faith. An exegetical and
theological Re-Examination of 2 Thessalonians 2. Rom:
Pontifical Biblical Institute 1967. XXXII, 318 S„ 1 Falttab.
gr. 8° = Analecta Biblica. Investigationes Scientificae in Res
Biblicas, 31. Lire 5.700,-.

Wer rund 350 Seiten über 2Thess 2 schreibt, muß schon etwas
zu sagen haben, es sei denn, er rekapituliere die überaus umfangreiche
und vielschichtige Forschungsgeschichte dieses
Kapitels. Das aber tut Giblin nicht, obschon er sich mit den
forschuugsgeschichtlichen Problemen unseres Textes gut vertraut
zeigt. Er greift jedoch in seiner Einleitung im wesentlichen
nur auf die für seine Erklärung des Kapitels wesentlichen Probleme
zurück: In welchem literarischen Kontext steht 2Thess 2?
Besteht ein enger Zusammenhang zwischen 2,1-12 und 2,13—17?