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Ausgabe:

1969

Spalte:

146-147

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Doerne, Martin

Titel/Untertitel:

Die alten Episteln 1969

Rezensent:

Winter, Friedrich

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nicht erst mit den Apologeten einsetzt, zu einem Irrweg gestempelt
. Es könnte zwar sein - obwohl auch das noch nicht ausgemacht
ist -, daß die Redeweise des AT dem Denken des Menschen
heute nähersteht als die Sprache der alten Philosophie. Um sie
wirklich nahezubringen, bedürfte es einer sehr differenzierten her-
meneutischen Reflexion. Diese aber fehlt leider in dem vorliegenden
, sonst so gründlichen Buch.

Naumburg Harald Schnitze

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Schmidt, Ludwig [Hrsg.) i Kleine Predigttypologie.

I: Die Gemeindepraxis, hrsg. v. L. Schmidt. 328 S. Kldr.
DM 21,80.

II: Das Alte Testament, hrsg. v. C. H. P c i s k e r. 373 S. Kldr.
DM 24,70.

III: Das Neue Testament, hrsg. v. L. Schmidt. 411 S. Kldr.
DM28,-. Stuttgart: Klotz [1964/65]. 8°.

Man hat gelernt, daß für die Pfarramtspraxis mit blofs theo
rotisch-homiletischen Anweisungen oder bloßen Predigtsammlungen
nicht allzuviel zu gewinnen ist. Fruchtbar für die selbständige
Predigtarbeit und anregend für die Predigtbesprechungen der sich
für die Verkündigung mitverantwortlich wissenden Gemeindekreise
wird es erst, wenn beides miteinander verbunden wird; wenn
abgedruckten Predigten homiletisch analysiert, oder auch homiletische
Grundsätze und Probleme an dafür geeigneten Predigr-
modcllen exemplifiziert werden.

Um diesen letzteren Weg bemüht sich die von L. Schmidt und
C H. Peisker herausgegebene „kleine Predigttypologie". 68 .Mitarbeiter
' sind bei diesem Unternehmen beteiligt: Bischöfe, Pfarrer
und Pastorinnen, Professoren, Studicnleiter und Laien. Von ihnen
stammen die 123 Predigtbeispiele (incl. Andachten), jeweils mit
einem Schlufjgebet und einem Nachwort versehen, sowie die homi
letischen Einleitungen zu den 34 Predigt-.Typen'. Man fragt unwillkürlich
: warum „kleine Predigttypologie" bei diesem Aufwand
von Prominenz und theologischem Fußvolk, bei dieser Fülle der
Typen und bei drei Bänden?

Diese homiletisch sortierte und kommentierte Predigtsammlung
will einen „Querschnitt der in der Gemeinde geläufigen Predigttypen
" (1,12) und wohl auch durch die heutige ältere und jüngere
Prcdigergencration in all ihren theologischen Färbungen geben.
Der I. Band entfaltet so etwas wie eine formale Typologie. Er
beginnt mit einem nicht näher definierten „Grundtyp", bei dem
in der Hauptsache, aber keineswegs ausschließlich, an den Sonntagsgottesdienst
in der Ortsgemeinde gedacht ist. Diesem Abschnitt
sind Erörterungen über „Predigt-Prediger-Gemeinde" aus
der Sicht des Universitätslehrers, des Gemeindepfarrers und des
Gemcindegliedes vorangestellt. Als weitere Typen werden die
l ehrpredigt, die evangelistische Predigt, die Kasual-Dialog-, Laien-
Leser-Hörfunk-Fernseh- und Kinder-Predigt besprochen und mit
Beispielen versehen.

Der II. Bd. will nun die Mannigfaltigkeit der im I. Bd. aufgewiesenen
„Breite der Typik an alttestamentlichen Predigttexten
konkretisieren" (11,6). Nach einer generellen Einleitung: „Das Alte
Testament, Gabe und Aufgabe" werden in einer Art von Material
Apologie zunächst die verschiedenen Textgruppen (Teil I): Urneschichte
. Vätergeschichten, Herausführung aus Ägypten, Sinai-
Geschichte, Landnahme, Könige Israels, Propheten, Psalmen, escha-
tologische Texte für den Predigtgebrauch charakterisiert und mit
Beispielen versehen Dem folgt in einem II. Teil eine vom Kirchen
iahr her entwickelte Typologie: die Advents-Weihnachts-Passions-
°ster-Himmelfahrt Pfingst- und Trinitatis-Predigt. (Die Epiphanias-
*eit ist nicht besonders behandelt.) Nach dem gleichen Schema
■ Textgruppen" und „Kirchenjahr" ist auch der III. Bd. aufgebaut.
Als Textgruppen werden wieder mit Einleitungen und Beispielen
''chandclt: die Evangelien- und Epistelpredigt, und dann die
spezialisierten Typen: die Einzelwort-Predigt, die eschatologische,
die Gleichnis-Wunder und ethische Predigt.

Wie man aus der Anlage des Werkes bereits ersieht, wird im
Hinblick auf die aufgeraffte Fülle und Verschiedenheit der Anlässe
, der Inhalte, der Formen, der Texte, der liturgischen Zeiten,
der Hörergruppen und Adressaten heutigen Predigens so etwas

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wie eine Modellenzyklopädie für alle homiletischen Zwecke aufgestellt
. Zu ihrer Etikettierung wird reichlich unkritisch und darum
auch nicht systematisch stringent - was überschneidet sich hier
nicht alles! - der Begriff des „Typus" in Anspruch genommen.

Dieser aufgerafften Summations-Typologie entspricht im Stil das
arbeitsteilige Verfahren dieses Kollektivunternehmens. Man zerschneidet
die umfänglich angelaufene homiletische Problematik, die
zunächst einmal in ihrer theologisch kohärenten Ganzheit systematisch
konstruktiv zu durchdenken gewesen wäre, in Teile, um
nicht zu sagen in „Stücke" und weist sie dem jeweils geeignet erscheinenden
„Experten" zu; wenn möglich einem mit Namen, wenn
nicht, einem bescheideneren Talent. Entsprechend ist man um die
Zuordnung der „Beispielpredigten" bemüht. Darf man die theologische
Gesamtverantwortung gerade auch der Homiletik an
diese Art des Büchcrmachens preisgeben? In welcher Unterschiedlichkeit
des Niveaus, der theologischen Voraussetzungen, Methoden
und Absichten, und darum in der Konsequenz vielfach eben
nicht miteinander vereinbarten Ergebnisse und Praktiken, sind
hier die „Beiträge" unbedenklich aneinandergereiht. Ist dieses ver-
äufjerlichtc Teilungs- und Sammelverfahren, von dem eine echte
Gemeinschaftsarbeit sehr wohl zu unterscheiden ist, mit dem theologisch
unqualifizierten Namen „Querschnitt" zu rechtfertigen?

Trotz dieses Vorwurfs, der nicht nur die Herausgeber, sondern
auch die allzuschnell bereiten „Mitarbeiter" betrifft, wäre es natür
lieh ungerecht, der hier geleisteten vielfältigen Einzelarbeit etwa
nur eine Absage erteilen zu wollen. Die Differenzierung der Pre-
digtweisc im Hinblick auf die mannigfaltigen Aufgaben, Orte, Zeiten
, Texte und Themen der Verkündigung bestimmt einen umfänglichen
Teil der homiletischen Problematik, auch wenn sie um ihrer
notwendig jeweils besonderen Ausformung willen sich gerade nicht
„typisch" verfestigen sollte. Ich sehe den Wert dieser Sammlung
vor allem auf dem Gebiet der heute - nicht zufällig! - stark
vernachlässigten matcrialen Homiletik; dafj man also, über die
Hermeneutik des Einzeltextcs hinaus, die verschiedenartigen Textgruppen
auf ihre besonderen homiletischen Erfordernisse und
Probleme befragt! Dazu wird man vor allem in Bd. II und III
eine Fülle wertvoller Überlegungen, Anregungen und Modelle
rinden. Wenn das, allerdings nicht schematisch übernommen, sondern
kritisch theologisch bedacht und nun wieder in Rücksicht
auf die formale und inhaltliche Eigenart der Einzelperikope aufgegriffen
und revidiert wird, wird sich durchaus fruchtbar mit
diesem Buch für die Predigtvorbereitung und Nachbesprechung
arbeiten lassen. Dabei werden aber gerade auch die qualitativen
Unterschiede seiner Beiträge deutlich werden, über die man nicht
hinwegsehen sollte.

Bonn Joachim Konrad

Doerne, Martin: Die alten Episteln. Homiletische Auslegung.
Berlin: Evangelische Verlagsanstalt u. Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht. [1967]. 266 S. gr. 8°.

Predigthilfen dürfen veralten wie Predigten selbst. Im Wissen
darum hat der Verfasser seine unter neuem Titel edierte Epistcl-
auslegung weithin neu geschrieben. Wohl ist die Textauswahl zum
größten Teil dieselbe geblieben. Auch ist der formale Aufbau für
die Textübcrlegungen - exegetische Vorbemerkungen, theologische
Zwischenerwägungen, einzelne homiletische Denkanstöße - beibehalten
worden, wie er heute fast zur Normalgestalt von Predigc-
rneditationen geworden ist; aber der Inhalt hat sich sehr geändert.

Noch deutlicher als früher nimmt der Verfasser den Leser mit
in praktisch-theologische Erwägungen hinein. Die exegetischen
Hinweise sind der heutigen Situation entsprechend beträchtlich
vermehrt worden. Ihre kritische Verarbeitung wird exemplarisch
transparent an der Auslegung von Phil. 2,5-11 (98ff). - Die schon
früher ausgeprägte dogmatische Art der Reflexion nimmt heutige
Interessen des theologischen Gesprächs auf, ohne darüber modischen
Tendenzen zu verfallen. Im Gegenteil, oft werden diese
originell und nicht selten kritisch beleuchtet. - Besonders wesentlich
dürften die Überlegungen auf der Grenze zwischen dem homiletischen
und dem liturgischen Feld sein. Hier sind eine solche
Fülle von Erkenntnissen und Revisionsvorschlägen vorgetragen,
daß keine Neuordnung von Episteltexten mehr ohne die Stimme
des Verfassers erfolgen darf. Man möchte sich wohl eine Zusammenfassung
der zum Teil recht versteckt angeführten Äußerungen

Theologische Litcraturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 2