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Ausgabe:

1969

Spalte:

127-128

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Kuhlow, Hermann F. W.

Titel/Untertitel:

Die Imitatio Christi und ihre kosmologische Überfremdung 1969

Rezensent:

Heidrich, Peter

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Seite 1

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Sudbrack hat die Methode des Johannes von Kastl übernommen.
Er reiht oft Belege aus den Werken des Johannes aneinander,
aber auch an Zitaten aus der neueren Literatur fehlt es nicht. Da
das gesamte Werk durch ein Personen- und ein Sachregister erschlossen
wird, ist es zu einer Fundgrube über den Stand der Forschung
zu den verhandelten Problemen geworden. Zwischen diese
zahlreichen Zitate sind Werturteile über die Lehren gleichsam wie
Glossen eingestreut. Was aber fehlt, ist eine durchgehende und
überzeugende Darstellung dieser geistlichen Theologie als Synthese
der Spiritualität und des gelehrten Studiums. Statt dessen
wird eine Übersicht über „Die philosophisch-theologischen Voraussetzungen
" (1,171-228), „Das metaphysisch-moralische Menschenbild
" (1,228-265) und „Die Beziehung des Menschen zu Gott" (1,266
bis 464) gegeben, wobei im letzten Abschnitt das Gebet (1,320-454)
im Mittelpunkt steht. Der „krönende Abschluß" der Theologie des
Johannes aber - die Liebestheologic - wird in einer Skizze (1,454
bis 464) angedeutet. Anstelle einer gründlichen Durchführung des
wirklich interessanten Themas, in dem es vor allem um das spät-
mittelalterliche Studium als Quelle einer besonderen Frömmigkeit
gehen sollte, erhält der Leser neben vielen guellenkundlichcn Informationen
eine Übersicht über den Inhalt der Schriften des
Johannes von Kastl, die so häufig mit Hinweisen auf Forschungsaufgaben
gespickt ist, dafj ganze Generationen sich damit beschäftigen
können, sie zu lösen.

Man muß es bedauern, dafj eine mit so viel Fleiß - den z. B. die
zitierte und tatsächlich verwendete internationale Literatur bezeugt
- angelegte Arbeit nicht ihre letzte Geschlossenheit erreicht
hat.

Leipzig Hclmar Junghans

K u h 1 o w , Hermann F. W.: Die Imitatio Christi und ihre kosino
logische Überfremdung. Die theologischen Grundgedanken des
Agrippa von Nettesheim. Berlin-Hamburg: Luth. Vcrlagshaus
1967. 115 S. gr. 8°. Kart. DM18,80.

Für die Kenntnis Heinrich Cornclis' (genannt Agrippa) hat
I'cuckert viel getan, indem er den Bereich okkulten Denkens und
Handelns geschichtlich darstellte, worin A. seinen bedeutenden
Platz hat. Die vorliegende Studie dagegen geht einer Anregung
Mctzkes nach, der den späten A. mit seiner Hochschätzung des
verbum dei in Luthers Nähe sieht.

Nach einer Skizze des Lebens des A. ist je ein Abschnitt der Gedankenwelt
des jüngeren und der des älteren A. gewidmet. Bei
dem Jugendwerk, der ,occulta philosophia', die das Bild A.s in der
Gcistcsgeschichte bestimmt hat, handelt es sich um eine neuplato-
nischc Wcltschau, die Magie, Kabbala, Mikrokosmos-Spekulation,
Hcrmctik, christl. Trinitätsspekulation miteinander verschmilzt.
Verf. sucht zwar in seiner ausführlichen Wiedergabe der wesentlichen
Gedanken dieses Werks nach „theologischen Gedanken" -
bei Themen, die philosophisch nicht weniger relevant sind, wie
Willensfreiheit -, will aber schließlich A. nicht als „Theologe im
Vollsinn des Wortes" (33) ansprechen.

Den Paulusstudicn A.s bei Colet in Oxford schreibt Verf. im
wesentlichen die Wandlung A.s zu. die ihm seine „declamatio de
incertitudine et vanitate scientiarum et artium atque exellentia
Verbi Dei" schreiben läßt. Psychologische Gründe, die mißlichen
Lebensumstände, werden ausdrücklich als Erklärung abgelehnt.
Alle Wissenschaften, auch die geheimen, werden von A. als wertlos
gegenüber dem Worte Gottes dargestellt: deus verax, homo men-
dax. Von A.s hermeneutischer Position meint Verf., sie stünde der
lutherischen bis zu einem gewissen Grade nahe; die Studie legt
dazu interessantes Material vor. Das Problem, wie zu verstehen
sei, daß A. sein Jugendwerk neben seiner declamatio neu herausgab
, behauptet auch Verf. nicht bis ins letzte aufhellen zu können.
Er unterscheidet im Renaissancc-Ncuplatonismus einen hermetisch-
kosmologischen Flügel - mit dem Hauptinteresse der Erkenntnis
des Wcltganzen - und einen theologisch-anthropologischen, der
besonders am Gott-Mensch-Verhältnis interessiert ist. A. wäre im
Laufe seines Lebens von dem einen Flügel zum andern gewechselt,
sei aber dem Ncuplatonismus auch in der radikalen Forderung
nach Frömmigkeit - ähnlich Colet - treu geblieben. Die Nähe zu
Luther sei, aufs ganze gesehen, doch mehr formal.

Zu zeigen, daß A.s Bild als Kosmolog, Naturmystiker und Okkultist
einer Ergänzung bedarf, nämlich durch das des auf Reform der

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Kirche bedachten humanistischen Theologen, ist dem Verf. gelungen
. Das schließt nicht ein, daß alle seine Beurteilungen überzeugten
. Es wird nicht jeder wunderlich finden, daß A. eines Religionsbegriffs
sich bedienen konnte, der die Eleusin. Mysterien wie
Judentum und Christentum umfaßte; auch die Erkenntnisse der
großen Dogmengeschichten über die griechischen Voraussetzungen
der Trinitätsspekulation sollten nicht vergessen werden. Daß
das kosmologischc Interesse des jüngeren A. nicht nur den Philo-
sophichistoriker zu beschäftigen brauchte, ist dem Verf. klar, wenn
er auf die „erstaunliche Aktualität" einer kosmischen Erlösung
(Sittler in Neu Delhi 1961) hinweist. In den Arbeiten aus der Schule
C. G. Jungs begegnet die Denktradition, zu der A. gehört, nicht
weniger aktuell. Die - wie Verf. meint - formale Nähe der schrifttheologischen
Gedanken A.s zu denen Luthers könnte den humanistischen
und mystischen Wurzeln der Reformation weiter nachgehen
lassen.

Rostock Pctcr H c i d r i c h

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Die neue Calwer Luther-Ausgabe soll nach 1968 in zwölf Bänden
vollständig vorliegen. Sie ist eine Überarbeitung der in den
Jahren 1930 bis 1940 erschienenen Calwer Ausgabe. Zur Rezension
stehen sechs Textbände und die beiden letzten Bände mit der
- Texte und Interpretation verbindenden - Lutherbiographie von
H. Fausel, die ebenfalls von Prälat D. Wolfgang Metzger herausgegeben
und nach den Grundsätzen der Calwer Ausgabe gestaltet
ist. Die „Richtlinien" (l,222f), z.T. ein Konzentrat aus dem Vorwort
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Aufschlicßung des Textes und seine sachliche Erläuterung". Diese
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Das ist nicht immer aealückt. Eine wirkliche Hilfe bieten dagegen
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sachlich oder historisch näher erläuternde Anmerkungen und Nachworte
zu jeder einzelnen Schrift über Luthers Anliegen, Zeit und
Anlaß der Entstehung sind bemüht, „ein begründetes Wissen von
den innersten Antrieben der Reformation zu vermitteln - sowohl
solchen, die Luther noch nicht kennen und ihm einmal ernsthaft
begegnen möchten, als auch solchen, die als Erben der Reformation
ihn zu kennen meinen".

In der Taschenbuchreihe ist der Gcsamtcharakter der Ausgabe
etwas gefährdet. Dem könnte entgegengewirkt werden durch Angaben
über die ganze Reihe in jedem Band etwa auf S. 4 (wie das
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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 2