Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

125-127

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Sudbrack, Josef

Titel/Untertitel:

Die geistliche Theologie des Johannes von Kastl 1969

Rezensent:

Junghans, Helmar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

125

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 2

126

legung der katholischen kirchlichen Institutionen zu Rekkared
und dem dritten toletanischcn Konzil" (S. 235). Mit Recht sagt S.,
daß dieser Bogen „zugleich auch die nicht mehr nachzeichenbare
Geschichte der Auflösung des westgotischen Arianismus im Prozeß
der gotischen Romanisierung umspannte" (S. 235). Besonders werden
Cäsarius von Arles und Montanus von Toledo genannt als
bewußte Vertreter einer kirchlichen Loyalität im neuen Staat. »Beider
Einstellung wird aber nicht mehr als paradigmatisch für die
Haltung der Mehrzahl des Episkopats sein, wie es in den synodalen
Gebeten für den König 506 in Agde und 531 in Toledo
sichtbar wird" (S. 237).

Das vorliegende Buch bringt uns ein wesentliches Stück weiter.
Die Quellen sind von einer neuen Fragestellung aus gründlich
durchgearbeitet worden, die Literatur - auch die spanische - ist
verarbeitet. Lediglich bei der Erwähnung des Bischofs Turibius von
Astorga (S. 115 und 125) hätte man sich einen Hinweis auf B. Voll-
niann, Studien zum Priszillianismus. 1965, gewünscht, der jenem
Turibius viel Sorgfalt zuwandte. Es leuchtet mir weithin ein, daß
S. der konfessionellen Verschiedenheit geringere Bedeutung zumißt
als bisher üblich. Bei der entscheidenden Konversion Rekkarcds
589 urteilt S. iedoch anders; hier wird in krassem Gegensatz
zu K. D. Schmidt die Konversion rein religiös motiviert. Sicher
ist es wichtig, dafj Rekkared dafür 3 Aufstände hinnehmen mußte;
die politischen Umstände waren der Konversion also weniger günstig
als bisher angenommen. Aber darf man deshalb „kein anderes
Motiv suchen als das seiner persönlichen Überzeugung"? (S. 195).
Sollte Rekkared nicht einen so bedeutsamen Entschluß, der gerade
erst seinen Bruder in die Katastrophe geführt hatte, auch auf seine
politischen Konsequenzen hin genau überdacht haben, um sich
von solchen Überlegungen auch mit leiten zu lassen? Sind nicht
die turbulenten Vorgänge seit 580 Anzeichen, die den Weg Rek-
Kareds auch ohne seine persönliche Überzeugung nahelegen konnten
? Dazu kommt eine weitere Frage: Kann man diese Epoche, die
in einer Konversion kulminiert, so einseitig von der Problematik
-Staat und Kirche" her erfassen und die dogmengeschichtlichcn
Hintergründe nur gelegentlich nennen? Bei der deutlichen Reserve
der Katholiken bei der Landung der Byzantiner in Spanien, die S.
mit Recht betont (S. 102-104), dürfte doch die allgemeine Kritik des
Abendlandes an der als häretisch empfundenen Religionspolitik
Justinians seit 546 eine Rolle gespielt haben. Bei den Sucwen wird
das Verschweigen des Papstnamens Vigilius mit „der sonstigen
westlichen Opposition" (S. 125) im Zusammenhang gesehen. Mehrfach
sagt S., daß man in Spanien nur 4 ökumenische Synoden anerkannte
. Was aber bedeutete das für Rekkarcds Konversion? Dio
Westgoten betonten als Homöcr das biblische Jcsusbild. das sie
zur Formel von der Ähnlichkeit zwischen Gott-Vater und Christus
führte; sollten sie ganz ohne Verständnis gewesen sein für die
Verteidigung der Zwcinaturenlchrc durch die damaligen abendländischen
Katholiken, die auch am Jesusbild der Evangelien unverkürzt
festhalten wollten. (Vgl. Ev. Miss. Zs. 1966, S. 20.) Die
häufig konstatierten fränkischen Einflüsse nach Spanien könnten
recht komplex gewesen sein, da fränkische Proteste gegen die
Verurteilung der 3 Kapitel überliefert sind (Caspar. Gesch. d. Papsttums
Ii, 299ff.). Auch Gregor von Tours nennt in seinen 10 Büchern
Frankcngeschichtc niemals den Papst Vigilius! Solche Ausweitung
der Arbeit über Spanien hinaus in die allgemeine Frömmigkeits-
gcschichtc des Abendlandes hinein würde sicher im Sinne des
Autors sein. In der Konzentrierung auf sein Thema hat er uns ein
solides Fundament gegeben, zu Jessen Vorzügen auch die Anregung
zu weiteren Fragen gehört.

Rostock Gert H a c n d 1 e r

KIHCHENC.kschichtf: Mittelalter

Sudbrack, Josef, S. J.: Die geistliche Theologie des Johannes
von Kastl. Studien zur Frömmigkcitsgeschichtc des Spätmittcl-
alters. I: Darstellung. II: Texte und Untersuchungen. Münster/W.:
Aschendorff [1966). XXXIV, 467 S. u. V, 266 S. gr. 8° = Beiträge
'■■ Geschichte d. alten Mönchtums u d. Bcnediktincrordens, hrsg.
v. S. Hilpisch u. E. v. Severus. 27,1 u. 2. Kart. DM98,-.
Die vorliegende Arbeit bcfafjt sich mit dem literarischen Werk

des Benediktiners Johannes von Kastl, der 1399 Prior im Kloster

Kastl wurde. Dieses Kloster in der Fränkischen Jura, das einst
aus der Hirsauer Reform hervorgegangen war, wurde im 14. Th.
selbst zum Mittelpunkt einer Reform, die am Anfang des 15. Jh.
ihren Höhepunkt erreichte. In diese Zeit fällt die schriftstellerische
Tätigkeit des Johannes, der 1418 im Zusammenhang mit der Reform
von Weihenstephan erwähnt und dort noch für das Jahr 1426
bezeugt wird.

Der Verf. untersucht die Echtheit und die Entstehungszeit der
Schriften (25-97), geht den zahlreichen Quellen nach, aus denen
Johannes schöpfte - wobei er auf dessen kompilatorische Arbeitsmethode
eingeht - (99-167), und wendet sich schließlich der „Theologie
des geistlichen Lebens" (169-467) zu. Der zweite Teil enthält
zunächst den Text der Traktate „De lumine creato" und „De lumine
increato" mit einem Gebet sowie einige kleine Texte und Auszüge
aus dem Kommentar zur Benediktinerregel. Leider hat der Herausgeber
darauf verzichtet, die Zitate in diesen Werken des Johannes
durch Kursivdruck hervorzuheben, wie es bei Neuausgaben scholastischer
Werke nicht ganz selten ist. Den Schluß bilden Untersuchungen
zur Textüberlieferung, zu denen auch ein Katalog der
Bibliothek des Klosters Kastl gehört (165-187), der aus drei Katalogen
, die zwischen 1556 und 1600 entstanden, zusammengestellt
wurde.

Der Verf. verfolgt mit seinen Studien bestimmte Ziele. Er will
nicht nur die noch nicht sehr weit gediehenen Forschungen zum
Spätmittelalter weiterführen, sondern auch die Gedanken des Spatmittelalters
für die Gegenwart fruchtbar machen. Er will an
Johannes von Kastl zeigen, daß „,der Gegensatz von historischer
und dogmatischer Methode' unter dem Gesichtspunkt einer spirituellen
Theologie .keine schlechthinnige Geltung' hat" (1,V). Damit
hängt auch der eigentümliche Titel „geistliche Theologie" zusammen
. Dieser Begriff soll darauf hinweisen, daß der Gegenstand der
Theologie des Johannes das geistliche Leben ist.

Martin Grabmann hat Johannes von Kastl als eine der schönsten
Spätblüten der deutschen Mystik angesehen, da dieser sich sehr
stark auf die Mystik stützte. Gegen diese Einschätzung wendet
sich. Sudbrack. Er bestreitet nicht, daß Johannes mit der Mystik
vertraut war, behauptet aber, Johannes habe nicht aus eigener
mystischer Erfahrung, sondern aus der Lektüre der Mystiker geschöpft
. Für ihn ist Johannes vor allem der Prager Magister, der
mit scholastischer Methode mystische Schriften ausschöpfte und
dadurch objektive Aussagen einer wissenschaftlichen Theologie
mit subjektiven Heilserfahrungen des Individuums vereinigte. Der
Verf. stößt damit auf das Verhältnis von Scholastik und Mystik im
Spätmittelalter, das neuerdings im Zusammenhang mit Luthers
Entwicklung auch das Interesse evangelischer Forscher auf sich
gezogen hat. An Johannes von Kastl wird deutlich, daß beide oft
mehr ineinander verschlungen waren, als es landläufig angenommen
wurde. Der Verf. sieht hier eine Frömmigkeitsform des
Spätmittelalters, „die ihre Kraft von den Lehrstühlen der Universitäten
und der Gcneralstudien und aus den Folianten der Väter und
großen Theologen" hernahm (1,399) und sich sowohl von der
Volksverehrung des Leidens Jesu als auch der Herz-Jesu-Frömmigkeit
der Kontemplation und der Christusnachfolge der Dcvotio
moderna unterschied. Durch die Untersuchung wird deutlich, daß
hier in der Tat eine Erscheinung der spätmittelalterlichen Frömmigkeit
vorliegt, die Aufmerksamkeit verdient und noch der Erforschung
harrt.

Sudbrack will an Hand der Einheit von Spiritualität und gelehrtem
Studium bei Johannes für das heutige Glaubensleben eine
Hilfe geben. Er wird aber wohl sein Ziel nicht bei allzu vielen
Lesern erreichen. Obgleich er sich dagegen wendet, im Spätmittelalter
Verfallserscheinungen zu sehen, beklagt er doch selbst den
Niedergang der Sprache (1.129-134). Er stellt zunächst fest, daß die
kompilatorische Methode des Spätmittelalters nicht mit dem Maß
stab schriftstellerischer Originalität gemessen werden dürfe. Der
Verf. sieht darin ein Wissen um die ewigen Wahrheiten der christlichen
Botschaft, das nicht nach Originalität hascht (1l19f). Trotzdem
läßt es sich nicht verheimlichen, daß diese Werke sehr an
Lexika erinnern, in denen mit immensem Fleiß die verschiedensten
Deutungen bestimmter Begriffe zusammengetragen wurden,
ohne daß das aeislige Band leicht sichtbar wird. Der Verf. gibt
selbst zu, dafi das theologische Streben des Johannes erst in den
kleineren Traktaten spürbar wird, ohne daß es dem Benediktiner
gelang, alle Risse und Sprunge zu verdecken (1.465).