Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

123-125

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Schäferdiek, Knut

Titel/Untertitel:

Die Kirche in den Reichen der Westgoten und Suewen bis zur Errichtung der westgotischen katholischen Staatskirche 1969

Rezensent:

Haendler, Gert

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

123

7. D. verzichtet (ausdrücklich bei Joh. 1 und den OdSal: S. 21
Anm. 2) auf bestimmte Hymnen und Hymnengruppen (etwa die
von mir „Initiationslieder" genannten Texte), vermutlich weil diese
sich seinen Normen entziehen.

So wird man die vorliegende Arbeit gewiß als einen Beitrag zu
dem interessanten Thema werten dürfen, aber als einen, dem der
eigene Verfasser sehr harte Grenzen zieht.

Korr igen da ■. S. 16 Z. 7 Fragestellungen; S. 115 Z. 23 genannt
; S. 193 Z. 13 ein helles Licht; S. 194 Z. 20 schon oben. Während
Marty S. 149 Anm. 1 etwas .falsch" macht und R. Bultmann
nach S. 199 etwas „durchaus nicht anzukreiden" ist, haben z. B.
Delling nach S. 46 Anm. 4, Lohse nach S. 47 Anm. 1, Bousset nach
S. 94 Anm. 3 und sogar D.s Lehrer Kuhn nach S. 74 Anm. 1 einiges
„richtig" gemacht.

Borsdorf bei Leipzig Gottfried S c h i 1 1 e

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Schäferdiek, Knut: Die Kirche in den Reichen der Westgoten
und Suewen bis zur Errichtung der westgotischen katholischen
Staatskirche. Berlin: de Gruyter 1967. VIII, 286 S. gr. 8° == Arbeiten
zur Kirchengeschichte, hrsg. v. K. Aland, W. Eltester u. H.
Rückert, 39, Lw. DM 48,-.

Die vorgelegte Bonner Habilitationsschrift behandelt das Thema
„Staat und Kirche", wie es sich im 5. und 6. Jahrhundert auf der
iberischen Halbinsel darstellt. Bisher sah man das Hauptproblem
darin, daß die eingewanderten Germanen im Sinne des homöischen
Bekenntnisses christianisiert waren, während die spanische Kirche
dem nicänisch-katholischen Bekenntnis anhing, bis es 589 zu einer
westgotisch-katholischen Kirche kam. Besonders in der deutschen
Geschichtsschreibung (F. Dahn, F. Görres, H. v. Schubert und L.
Schmidt, in gewissem Mafj auch K. D. Schmidt und F. K. Strohecker)
sah man für die Epoche vor 589 vor allem den Gegensatz zwischen
der katholischen Kirche der Romanen und der „arianischen"
Kirche der Germanen, denen das Interesse primär galt. Schäferdiek
gibt uns ein differenzierteres Bild; ihm liegt primär an der
Lage der katholischen Kirche in den germanischen Staaten; die
germanisch-homöische Kirche kann „nur ganz schattenhaft in
Erscheinung treten" (S. 5), doch ergeben sich auch für sie interessante
Aspekte.

Kap. I (S. 8-67) „Die Kirche im gallischen Westgotenreich (466
bis 507)" stellt sogleich die intensive positive Begegnung zwischen
westgotischer Obrigkeit und katholischer Kirche heraus, eine „Verordnung
des Interesses an Gewinn und Wahrung von Frieden und
Ordnung vor den Gegensatz des Römers zu Häresie und Barbarentum
der Goten" (S. 10). Die von Sidonius Apollinaris überlieferte
Katholikenfeindschaft König Eurichs ist politisch motiviert; Eurich
wollte „grundsätzlich eine Ausschaltung der katholischen Kirche
verlangen, solange nicht ihre positive Eingliederung in den westgotischen
Staat und in das Gefüge der allein dessen Souveränität
verkörpernden herrschaftlichen Gewalt des westgotischen Königtums
als möglich erschien" (S. 29). Zugespitzt sagt S.: „Sidonius ist
nicht als Bischof, sondern als politischer Gegner Eurichs ... verbannt
worden" (S. 30). Der bisher meist ungünstig beurteilte Westgotenkönig
Aalarich II. (484-507) wird aufgewertet; die Bedeutung der
katholischen Taufe Chlodwigs für Südgallien wird reduziert und
vor dem Geschichtsschreiber Gregor von Tours gewarnt. Wichtiger
ist die Lex Romana Visigotorm, die „506 von Aalarich unter Ausschluß
allen anderen Rechts für seine nach römischem Recht lebenden
Untertanen in Kraft gesetzt" wurde (S. 43). In ihr sieht S.
„einen energischen Schritt in Richtung auf die Schaffung einer katholischen
Landeskirche innerhalb des westgotischen Reiches und
damit zugleich der ersten katholischen Landeskirche einer germanischen
Staatsbildung überhaupt" (S. 47). Die Synode von Agdc
506 wird von S. besonders eingehend untersucht (S. 55-67 und
243-247). Die Reformbeschlüsse sind ein Zeichen der Aktivität des
Cäsarius von Arles und der südgallischen Kirche, die auch durchaus
Verständnis für die Wünsche Aalarichs aufbrachte: „Unter den
bestehenden politischen Voraussetzungen lag 506 in dieser Idee der
Landeskirche die erfolgversprechendste Möglichkeit zu einer Entfaltung
gestaltender kirchlicher und bischöflicher Verantwortung

124

in einem der arelatenser Tradition entsprechenden übergeordneten
Rahmen" (S. 67).

Kap. II „Die Kirche im spanischen Westgotenreich bis auf Atha-
nagild (507-567)" behandelt zunächst die Epoche der Personalunion
mit dem Ostgotenreich bis 526, die römisches Eingreifen ermöglicht
. 531 treten erstmals metropolitane Ansprüche Toledos auf
(S. 85). S. konstatiert einen kirchlichen Ordnungswillen, der sich
aber an den gegebenen Rahmen hielt: „Nach der Verlagerung des
Westgotenreiches auf die Pyrenäenhalbinsel gestaltete sich das Verhältnis
der gotischen Herrschaft zur katholischen Kirche nicht in
Fortsetzung der aktiven landeskirchlichen Politik Aalarichs IL, sondern
eher in der Weise einer praktischen .Koexistenz'" (S. 89).
Spannungen zwischen den Konfessionen werden möglichst harmlos
erklärt: Der in Gregors Frankengeschichte 111,10 geschilderte
Exzeß ist „eine interne Auseinandersetzung im Königshaus" (S. 96);
wichtiger ist der Umstand, daß der führende Bischof „Montanus
von Toledo daran denken kann, zur Ordnung kirchlicher Verhältnisse
an die Staatsgewalt zu appellieren" (S. 88). Die Landung der
Byzantiner in der Mitte des 6. Jhdts. wird für die konfessionelle
Lage in Spanien gering eingeschätzt (S. 103/04).

In die Darstellungen der westgotischen Kirche wird als Kap. III
(S. 105-136) „Die Kirche im spanischen Suewenreich" (408-585) eingearbeitet
. Für die Epoche des Martin von Braga meint S., „dar)
die katholische Kirche des suewischen Herrschaftsbereiches in dieser
Zeit begonnen hat, sich ganz bewußt als suewische Reichsoder
Landeskirche zu verstehen" (S. 130). Von der altrömischen
Struktur wird abgesehen „und das suewische Reich als der nunmehr
allein maßgebende territoriale Rahmen betrachtet, innerhalb
dessen dann eine kirchlich-geographische Neuordnung erfolgt"
(S. 131). Die Bedeutung des homöischen Bekenntnisses wird gering
veranschlagt (S. 135). S. spricht von einem „Hineinwachsen des
heidnischen barbarischen Invasorenvolkes der Suewen in den ro-
manisierten und christianisierten Raum Nordwestspaniens", der
„ostgermanische Arianismus" war nur als „Zwischenstufe" bedeutsam
(S. 136). Gleichzeitig wandelte sich auch die katholische
Kirche „von einer römischen Institution über die Zwischenstufe
einer faktischen Akzeptierung der durch die suewische Reichsbildung
geschaffenen territorialen Verhältnisse zu einer sich selbst
in den Rahmen dieses Reiches bewußt einpassenden suewischen
Landeskirche"; sie tat das in dem Willen „das, was ihr als ihrem
Wesen und ihrem geistlichen Auftrag gemäß erscheint, im Wandel
ihrer Welt durchzuhalten" (S. 136).

Kap. IV „Die Zeit der Umgestaltung des westgotischen Reiches
durch Leovigild und Rekkared (568-589)" geht aus von einer
Lage, die S. als „ein ungestörtes kirchenpolitisches Klima" bezeichnet
(S. 139). Konversion und Aufstand des Hermenegild 580 bringt
eine Wendung, bei der S. zunächst wieder dem konfessionellen
Motiv geringe Bedeutung zumißt: „Das Zusammenfallen der tatsächlich
bestehenden äußeren Fronten mit Bekenntnisunterschieden
darf und kann nun aber nur als akzidentell angesehen werden
" (S. 145). Erst bei den katholikenfeindlichen Maßnahmen
Leovigilds sieht S. den Bekenntnisgegensatz als „die Aufbruch-
steile", an der Leovigild mit seiner „Neuordnung darum wohl auch
eingesetzt haben wird" (S. 191). Für Rekkareds Konversion 589
wird dann vollends der religiöse Gesichtspunkt als der entscheidende
genannt: „Als ausschlaggebendes Motiv für seinen Schritt
wird man daher wohl auch kein anderes suchen dürfen, als das
seiner persönlichen Überzeugung von der Wahrheit des katholischen
Bekenntnisses" (S. 195). Sorgfältig arbeitet S. die arianischen
Reaktionen heraus, die diesem Schritt folgten. Sehr gründlich
wird das Reichskonzil von Toledo 589 dargestellt (S. 205-233
und 252-262). Hier wird auch der Abschluß der Entwicklung im
Suewenreich geboten; Rekkared wird „die letzten Früchte einer
Entwicklung haben ernten können, die derjenigen im eigentlich
westgotischen Gebiet um einige Jahrzehnte voraus war und deren
Keime der Suewcnkönig Chararich und Martin von Braga gelegt
hatten" (S. 217). S. sieht die „grundsätzliche Bedeutung der Rek-
karedschen Wende" in einer besonders engen Verquickung von
Staat und Kirche (S. 228ff.).

Im Abschlußkapitel „Rückschau und Überblick" (S. 234-242) wird
zunächst die Diskontinuität der Ereignisse als „augenfälligstes
äußeres Kennzeichen" genannt. Doch werden auch Gesichtspunkte
einer Kontinuität herausgestellt, besonders „der Bogen sachlicher
Gemeinsamkeit von Eurich und seiner Kirchenpolitik einer Still-

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 2