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Ausgabe:

1969

Spalte:

111-114

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kenyon, Kathleen Mary

Titel/Untertitel:

Jerusalem 1969

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 2

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ligen Gegenwart zu neuer Erscheinung zu bringen. So wird der
Glaube an die katholische und apostolische Kirche für die Gegenwart
produktiv. Und nur da, wo Apostolizität und Katholizität der
Kirche als Sache des Glaubens verstanden werden - und nicht als
Angelegenheit eines bloßen Konstatierens -, nur da kommen beide
in der kirchlichen Gegenwart zur Erscheinung als Vorschein der

kommenden Gottesherrschaft selbst, in deren Dienst die Sendung
der Apostel wie die Jesu stand und mit deren Kommen die wahrhaft
katholische vollkommene Gesellschaft verwirklicht sein wird,
die keiner Trennung von Kirche und politischem Gemeinwesen
mehr bedarf.

ALTES TESTAMENT

Kenyon, Kathleen: Jerusalem. Die heilige Stadt von David
bis zu den Kreuzzügen. Ausgrabungen 1961-1967. Bcrgisch-
Gladbach: Gustav Lübbe [1968], 236 S., 21 Farbtaf., 92 Schw.-
Weifjtaf., 16 Abb. gr. 8° = Neue Entdeckungen d. Archäologie,
hrsg. v. Sir M. Wheeler. DM44,-.

Seit 1961 sind die Grabungen auf dem Zionhügcl an der Südost-
eckc der Altstadt Jerusalems außerhalb der römisch-türkischen
Stadtmauer wieder aufgenommen und bis zur Gegenwart durchgeführt
worden. Sic können noch nicht als abgeschlossen gelten.
Die verschiedene Keramik ist noch nicht bis in alle Einzelheiten
hinein analysiert worden, so daß noch weitere datenmäßige Aufschlüsse
zu erwarten sind. Die ersten drei Kampagnen standen mit
unter der Leitung von Pater Roland de Vaux, von der vierten
Grabungsperiode an ist Frau Kenyon, die einstige Entdeckerin des
neolithischen Jericho, alleinige leitende Ausgräberin.

Der von ihr jetzt vorgelegte Band ist ein Zwischenbericht und
keineswegs als abschließender Grabungsbericht zu werten. All das,
was man von einem solchen erwarten dürfte, wie z. B. Keramik
tafeln, Vermessungswerte, genaue Abbildung von Kleinfunden wie
z. B. gestempelte Krughenkel des frühen 7. Jahrhunderts v. Chr.
fehlt. Zwar werden die genannten Krughenkel als Fundfaktum
mitgeteilt, aber sie werden weder beschrieben noch abgebildet, .m
ihrer Stelle erscheinen Krughenkel aus Lachisch. Immerhin ist
der Überblick, den das schöne Buch der Ausgräberin bietet, sehr
gut und instruktiv, zumal prächtige Abbildungen, z. T. farbig, ihre
Ausführungen wirkungsvoll unterstützen. Die Abbildungen werden
sehr eingehend in den Bildunterschriften beschrieben, so daß man
diese eingehend lesen muß, während die eigentlichen Berichte der
Verfasserin relativ kurz sind und deutlich kundtun, daß vor Abschluß
der Keramikanalyse und der Prüfung sonstiger Kleinfunde
nicht allzuviel Bindendes gesagt werden soll.

Über die Grabungsergebnissc war seit 1961 in den einschlägigen
Zeitschriften laufend berichtet worden, und man hatte mit Staunen
gelesen von dem kühnen Angriff der Ausgräberin auf den Ost
abhang des Zionshügcls, den sie mit einem 48 Meter langen und
stellenweise sogar über elf Meter breiten Forschungsgraben auf
schnitt, eine auch technisch schwierige Leistung, da dieser Ostabhang
immerhin einen Neigungswinkel von 45 Grad hat. Ohne
Stützmauern konnte die Ausgräberin nicht auskommen, und das
Wegräumen des Gerölls auf der stark geneigten Fläche, ja überhaupt
das Durchstoßen der starken Geröllschicht, erwiesen sich als
äußerst kompliziert und zeitraubend.

Diese schwierigen Arbeitsbedingungen haben sich allerdings
reichlich bezahlt gemacht. Zwar betont die Ausgräberin, daß sie
nur das Skelett des alten vordavidischen und des späteren vorchristlichen
Jerusalem gefunden habe, aber auch ein Skelettfund
kann, wenn alle anderen Funde nur spärlich bleiben, von größter
Wichtigkeit sein. Die sachlich bedeutenden Ergebnisse seien hier
kurz aufgeführt. Da ist einmal die alte vordavidische jebusitischc
Stadtmauer aus der Mittelbronzezeit des 18. Jahrhunderts v. Chr.
aufgefunden worden. Infolge der sehr schwierigen Geländeverhältnisse
hat sie aber nur in einem kleinen Stück freigelegt werden
können, doch hat die Ausgräberin den Schnittgraben dicht nördlich
der Gichonquelle angelegt, so daß sie, wenn sie auf eine Stadtmauer
traf, dort mutmaßlich auf ein Tor stoßen würde, das einst
den direkten Zugang zur Stadtqucllc vermittelte. Dieses Tor hat
die Ausgräberin, wie vorspringende Mauerstücke auswiesen, auch
tatsächlich gefunden, und sie hat es in ihrer Entdeckerfreude wohl
mit Recht als das Tor bezeichnet, durch das Salomo auf Davids
Befehl hinausgeritten ist zur Gichonquelle, um dort gesalbt zu
werden (S. 55f und 1 Kön 1,33-40).

Diese mittelbronzezeitliche Stadtmauer hat den Stadthügel auf
der Ostseitc umzogen etwa in der Höhe des letzten Drittels des
heutigen Abhanges. Diese Feststellung ist insofern wichtig, weil
sich damit ergeben hat, daß der jebusitischc Wasscrschacht, der von
der Gichonquelle aufwärts durch den Felsen führt, tatsächlich
innerhalb der ummauerten Stadt an die Oberfläche kam und im
Kriegsfall eine ungestörte Wasserversorgung der Stadt gewähr
leistete, wenngleich die Einnahme der Stadt durch den Feind mil-
tels des Steigeschachts auch möglich war, insbesondere dann, wenn
Verrat mit im Spiele war (2 Sam 5,6-9; 1 Chr 11,4-9).

Diese jebusitischc Stadtmauer schloß also zwei Drittel des Ostabhangs
mit ein, lief auf der Nordostscitc schräg auf das nörd
liehe Hügelplatcau hinauf und traf dort auf eine Nordmaucr, die
freilich nur hypothetisch geblieben ist, da angrenzende Grund
stücke weitere Grabungen unmöglich machten. Auf der Westseite
soll die Mauer auf dem Westrand des Hügelplatcaus gestanden
haben. Die Siedlung auf dem Osthang beurteilt die Ausgräberin als
eine Art Vorstadt, deren Häuser unregelmäßig über den Hügel
abhang je nach der Beschaffenheit des Geländes verstreut lagen.
Eine systematische Bebauung läßt sich erst in der Eisen-II-Zeit
nachweisen. Die Grundfläche des vordavidischen Jerusalem berechnet
die Ausgräberin auf 444 a.

Im Zusammenhang mit der Bebauung des Ostabhangs tut sich
aber ein Problem auf. Die aufgefundenen Häuser, soweit sie am
oberen Hügelrand sich aus vorexilischer Zeit erhalten hatten, standen
auf Terrassen, die in den Felsen eingeschnitten und mit Geröll
und Steinen befestigt waren sowie mit verputzten Mauern gehalten
waren, so daß eine Terrasse die nächst höhere abstützte. Von der
Stcinfüllung jener Terrassenabsätzc leitet die Ausgräberin eine
neue Deutung des so schwierigen Begriffes millö' (2 Sam 5,9;
1 Kön9,15.24; 11,27; 1 Chr 11,8; 2 Chr 32,5) ab, daß nämlich millö'
jene Terrassenanlage bedeutete, die offenbar durch den Angriff
Davids gelitten hatte und nun einer Ausbesserung bedurfte. So
würde sich der Passus in 2 Sam 5,9 wohl erklären. Späterhin konnten
auch Erdbeben, Regen, Stürme einen gelegentlichen Einsturz
am Terrassengclände verursachen, von Kriegseinwirkungen abgesehen
. Diese Deutung der Ausgräberin mag sicher für einzelne
Stellen eine Erklärung bedeuten, aber nicht für alle, und vor allem
bleiben m. E. die beiden Stellen Rieht. 9,6.20, die von einem beth
millö' in Sichern sprechen, noch unerklärt. Man wird doch wohl
mit einer verschiedenen Bedeutung des Begriffs zu unterschied
liehen Zeitperioden rechnen müssen. Zu den einzelnen Versuchen,
den Begriff zu deuten, siehe Simons, Jerusalem in the Old Testament
, 1952, 131ff.

Trotzdem der Zionshügel an mehreren Stellen geöffnet worden
ist, sind die Ergebnisse spärlich. Aus der Davidzeit hat sich nichts
angefunden. Aus der Salomozeit glaubt die Ausgräberin herleilen
zu können ein protojonisches Säulenkapitell sowie bearbeitete
Steine mit Randschlag.

Bedeutender sind die Ergebnisse für die Eisen-II-Zeit. Ende des
8. Jahrhunderts v. Chr. erbaute Hiskia - möglicherweise ist er
es - neben und über der alten jebusitischen mittelbronzczeitlichcn
Stadtmauer eine neue Stadtmauer. Bis zur Zerstörung Jerusalems
unter Nebukadnezar kann die Ausgräberin insgesamt fünf weitere
Mauern nachweisen. Diese Neubauten mögen durch die Baufälligkeit
der alten mittelbronzezeitlichen Stadtmauer, durch Kriege,
Erdbeben und klimatische Erscheinungen notwendig geworden
sein. - Auch das Problem des Siloahkanals ist, wie mir scheint,
endgültig geklärt worden. Nach Meinung der Ausgräberin war er
zur Zeit seiner Anlage eine unterirdische Zisterne auf der Südwestseite
des Zionshügels, an einem tiefen Punkt der Tyropoiontalcs
gelegen, um das Gefälle von der Gichonquelle zur Siloahzisternc
zu gewährleisten. Ein Überlauf weiter südlich sorgte für den Ab-