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Ausgabe:

1969

Kategorie:

Praktische Theologie

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Neuerscheinungen

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Welt. Keine Form der Frömmigkeit und auch des Unglaubens kann
diese reale Universalität der Botschaft aufheben. „Dein Wille geschehe
, wie im Himmel, so auf Erden." Offenbar ist heute die Zeit
gekommen, wo die Frage: „Warum ifjt euer Meister mit den Zöllnern
und Sündern?" und die Antwort Jesu: „Ich bin gekommen, die
Sünder zu rufen, nicht die Gerechten" (Matth. 9,12f.) ganz neu
gehört werden muh.

I-eipzig Dedo Müller

T r i 11 h a a s , Wolfgang: Predigten aus den Jahren 1956 bis 1966.
Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht (1967). 128 S. gr. 8° = Pflüget
ein Neues. Göttinger Predigthefte, 21/23. Kart. DM 9,50.
Wenn man die 5., neubearbeitete Auflage der „evangelischen
Predigtlehre" (1964) von Trillhaas durchgelesen hat und kommt
dann zu der hier anzuzeigenden Predigtsammlung, merkt man
deutlich, wie sehr der Theoretiker und der Prediger übereinstimmen
. Man könnte an Hand dieser Predigten aus den Jahren
1956-1966 die Überlegungen und Regeln herausdcstillieren, die
hinter den 30 Predigtentwürfen stehen, welche Trillhaas gehalten
hat, ehe sie ihren schriftlichen Niederschlag fanden. Dem Leser
fällt dabei ein Doppeltes besonders auf: Der vielfältige Widerspruch
der Hörer wird in ihnen nicht nur aufgenommen und
gleichsam e contrario den in der Predigt entwickelten Einsichten
gegenübergestellt, sondern vielfach weiterdiskutiert und so auf
seine Tragfähigkeit geprüft. Man fühlt sich nicht durch die vom
Prediger dargebotenen Entgegnungen überfahren, sondern in
einen Gedankengang hineingenommen, der mit sachgebundenen
Argumenten arbeitet (vgl. z. B. S. 13, 14, 33, 37, 39, 43, 56, 64, 85,
91, 99, 114). Der im Vorwort ausgesprochene Vermerk, das Bürh-
lein von Tr. biete wesentlich Predigten dar, die im Universitätsgottesdienst
gehalten wurden, könnte zunächst zu der Meinung
verleiten, man habe es eben doch mit einer besonderen Gattung
der Verkündigung zu tun, die in einer normalen Gemeinde nicht
so geübt werden dürfte. Sehr schnell wird der Leser eines anderen
belehrt. Die Frische und Lebendigkeit der Rede und ihre Über-
zcugungskraft vermögen auch denjenigen anzugehen, der nur
wenig oder gar nicht wissenschaftlichen Denkprozessen ausgesetz!
■st. Der Prediger stellt sich hier nicht nur zum Duell mit sich
selbst, sondern greift andere an, wiewohl er allewege zu erkennen
Sibt. dafj er selbst ein von Gott Angegriffener ist. Sodann: Viele
Predigten leiden heute an einer merkwürdigen Sterilität ihrer Aussagen
(vgl. den gut formulierten Unterschied von Richtigkeit und
Wahrheit S. 76f. in der Pfingstpredigt über Joh. 16,12-13). Es fehlt
der Zu-Spruch hic et nunc. So versickert oftmals die Rede in Rinnsalen
der Ermattung, die den engagierten Hörer in quäl '/oller oder
9ar resignierender Einsamkeit zurücklassen. So hier niemals! Dadurch
, dar} Trillhaas moderne theologische Fragestellungen und
Gegenwartsprobleme in den Dialog mit der Gemeinde aufnimmt,
zeigen seine Predigten eine eigenartige Mobilität im Geistigen
(vgl. z. B. den Beginn der Osterpredigt über Luk. 24,5 S. 47ff.). Das
Zeugenwort der Schrift erhellt die Situation seiner heutigen Adressaten
und befreit sie aus den Bindungen eines in sich selbst befangenen
Denkens. Wohl nicht zufällig meditiert Tr. zweimal über
J°h. 16,12f. (S. 56ff.: Kantate; S. 75ff.: Pfingsten). Ohne in jeder
Gasse des Geistes mitsprechen oder entgegenschreien zu wollen,
bleibt der Prediger dennoch hart an der Wirklichkeit seines und
unseres Lebens (vgl. z. B. den äußerst zurückhaltenden Tagesbezug
s- H5). Es werden in das Bewußtsein des Hörers und Lesers keine
Wunden eingeschnitten, die bitter machende Narben hinterlassen.
Die Verkündigung durchstößt den Schaum der Oberfläche unseres
Gebens, wobei der Prediger sich niemals einer billigen, illustrierenden
„Gegenwartsgeschichte" bedient.

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Die Predigten - 30 auf 120 Seiten - sind kurz gehalten, ihre
Sätze knapp und meist in der Form indikativischer Aussagen. Nur
selten werden Thema und Einteilung ausdrücklich genannt. Der
Text ist in der revidierten Luther-Übersetzung vorangestellt, die
Überschrift: der betreffende Kirchenjahrs-Sonntag (für die Zeit nach
Pfingsten: Trinitatiszeit). Am Ende vieler Predigten steht ein wohl
eigens hierfür formuliertes Gebet, in welchem auch die inneren Leiden
de; Hörers, seine Zweifel und Nöte und die Bitte um deren
Überwindung ausgesprochen sind. (Der Leser sei auf die interpretierende
Erweiterung des Vater-Unsers S. 128 besonders hingewiesen
). Jeder praedicatio sind Liedvorschläge angefügt.

Die Melodie der Sprache zeigt durchaus traditionelle Elemente,
wirkt weder aufdringlich noch schockierend und arbeitet unausgesetzt
daran, den Hörer und Leser in die lebendige Bewegung
des tröstenden Evangeliums hineinzuziehen. Man weiß vom ersten
Satz ar, was der Prediger will, auch dort, wo der mögliche Einspruch
des Hörers schon im ersten Abschnitt zu Worte kommt (vgl.
z. B. S. 79). Jede Predigt versucht, zuweilen im Detail ausgeführt,
biblische Zusammenhänge aufzuzeigen, doch niemals im Stil bibel-
kundlicher Belehrung über Historisches, sondern allein mit der
Absicht, die aktuelle Bedeutsamkeit des Textes durch seinen Kontext
zu profilieren.

Man könnte an einige, freilich den Leser durchaus ansprechende
Ausdeutungen des Textes theologische Anfragen stellen, z. B. wie
Trillhaas Joh. 2,lff. erklärt: „Täglich neu kann sich das, was sich
hier ereignet hat, wieder ereignen: nämlich die Geschichte der
göttlichen Verwandlung" (S. 34), oder wie er nachfolgend über das
„pure Wasser" meditiert (S. 35). Die Betonung der Gewißheit der
göttlichen Präsenz in der Osterpredigt überblendet die Frage nach
dem Auferstehungsgeschehen (S. 48), was natürlich zu kritischen
Anmerkungen reizt.

Der Rezensent hat selten eine so anregende Predigtsammlung
gelesen, deren Veröffentlichung herzlich bedankt sei.
(Corrigendum S. 7 Inhaltsverzeichnis: Cantate Joh. 16,12-13a)'

Pullach'Isartal Herbert Breit

Breit, Herbert: Die Lesepredigt (LM 6, 1967 S. 601-605).
Gleis s, Friedrich: Kathedrale oder Kleinkirche? (IM 6, 1967
S. 609-613).

Hagen, Rochus: Texte neuer Gottesdienstlieder. Eine literar-
kritische Untersuchung (PB1108, 1968 S. 427-440).

Harms, Klaus: Das Beichtgeheimnis (PB1108, 19Ö8 S. 481-503).

Hengsbach, Friedhelm: Partnerschaft in der Kirche. Überlegungen
zur Stellung des Laien (StZ 182, 93. Jg. 1968 S. 90-104).
-Hoefnagels, Harry: Die Krise der kirchlichen Autorität. Die
Notwendigkeit einer Demokratisierung der Kirche (StZ 182,
93. Jg. 1968 S. 145-156).

Jentsch, Werner: Kirche und Protestbewegung (PB1108, 1968
S. 129-152).

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Der Pfarrer im modernen

Roman (LM 6, 1967 S. 621-629).
Sohier, Albert: Prophetentum und Mission: Pater Vincent Lebbe

(Concilium 4, 1968 S. 544-553).
Schneider, Arthur: Die Katechismen in Anhalt (PB1 108, 1968

S. 410-427).

Stakemeier, Eduard: Ende des konventionellen Christentums
? (ThCl 58, 1968 S. 369-393).

Schuhmacher, Gerhard: Die mehifache Bearbeitung des
Vater-unser-Liedes durch Michael Praetorius (MuK 38, 1968
S. 154-159).

Unterkircher, Franz: II Sactamentario Adalpretiano. Cod.
Vindobon. Ser. n. 206. Trento: Societa Studi Trentini di Scienze
Storiche (1966). 152 S. gr. 8° = Collana di Monografie, XV.

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 1

VON PERSONEN

Ernst Sommerlath zum 80. Geburlstag

am 23. Januar 1969

Sehr verehrter Herr Kollege!

Ir>r 80. Geburtstag ist uns erneut willkommener Anlaß, unser_t
Verehrung und Dankbarkeit nachhaltigen Ausdruck zu geben. Über
die Hälfte Ihrer bisherigen Lebenszeit haben Sie an unserer Fakultät

gewirkt, 1924 bis 1959 im aktiven Dienst, seit 1959 als Emeritus.
In unserer wechselvollen Zeit ist das ein nicht eben häufiger Vorgang
, aber er ist als Charakteristikum Ihres Lebensweges gerade
kein Zeichen der Beharrung, sondern verbindet Kontinuität und
Beweglichkeit, denn diese Zeitspanne hat Sie zugleich in einer Fülle
weiterer theologischer und kirchlicher Funktionen gesehen. Der Fakultät
kam beides zugute: der jahrzehntelange prägende Einfluß