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Ausgabe:

1969

Kategorie:

Kirchenrecht

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Neuerscheinungen

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951

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12

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deutende Kanonist und Kirchenrechtshistoriker Eduard Eichmann
(1870-1946), damals Professor in Prag, hielt mit seinen Studenten
Seminarsitzungen ab, was in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg
noch keineswegs allgemein üblich war. Er las mit den Teilnehmern
geschichtliche Quellen und besprach sie mit ihnen in Rede
und Gegenrede. Dazu war notwendig, dafj die Quellen nicht ihm
allein vorlagen, sondern dafj sie auch in der Hand der Studenten
waren. Auf diese Weise ist aus dem akademischen Unterricht ein
umfangreiches zweibändiges Werk herausgewachsen, das längst
nicht nur ein Unterrichtsbuch geblieben ist, sondern darüber hinaus
einem jeden, der auf dem Gebiet der Kirchengeschichte und
kirchlichen Rechtsgeschichte in der Zeit von 750 bis zur Mitte des
14. Jahrhunderts arbeitet, eine wertvolle Materialsammlung in
die Hand gibt.

Eichmann hat das Jahr 1122, das Schicksalsjahr des Wormser
Konkordats, der Einteilung seiner beiden Bände zugrunde gelegt.
Der Leser wird den Text des Konkordats von 1122 zunächst am
Ende des ersten oder zu Beginn des zweiten Bandes suchen. Aber
er findet es bereits unter der Überschrift „Verbindung des Papsttums
mit den Karolingern, Ottonen, Saliern, Priestertum und Gottesstaat
. Einheitsgedanke. 11. Besetzung der Kirchenämter" in
Band I, S. 27. Eichmann hat, wie er im Vorwort zu Band I hervorhebt
, bewußt auf die übliche chronologische Reihenfolge verzichtet
und sie „durch eine sachliche Gruppierung und Disposition d?s
Stoffes, innerhalb welcher natürlich die chronologische Ordnung
zu ihrem Rechte kommen muß, ersetzt". Er verfolgte damit einen
didaktischen Zweck.- „Dem Studierenden... sind wenigstens in
Schlagworten die Gesichtspunkte angegeben, unter welchen er die
Urkunden zu betrachten hat" (S. V). Für den damals von Eichmann
erstrebten Zweck des Gebrauchs im akademischen Unterricht
war diese Art der Stoffeinteilung zweifellos richtig. Dagegen
setzt der Gebrauch des Werkes beim Alleinstudium, wozu es heute
wohl in erster Linie benutzt werden wird, eine gewisse Kenntnis
des Stoffes voraus. Es wird für den Anfänger nicht ganz leicht
sein, bis er das hier als Beispiel gebrauchte Wormser Konkordat
unter der oben angegebenen Rubrik gefunden hat. Es sei daher
die Anregung gestattet, dafj der Verlag bei einem weiteren Neudruck
dieses hervorragenden Werkes zur Erleichterung für den
Benutzer ein ausführliches Register anfügt, das die einzelne Urkunde
, die man sucht, leicht aufschlagen läfjt. Ein solcher Nachdruck
wird sicher einmal kommen. Denn das Buch vereinigt in
sich eine Fülle von Material, das man sonst an vielen Stellen mühsam
zusammensuchen müßte, so dafj man immer wieder gern nach
ihm greifen wird.

Es ist dabei besonders hervorzuheben, dafj Eichmann nicht nur
die bedeutenden, allgemein bekannten Quellen bringt, sondern
auch sehr viele weniger bekannte, irgendwo in einer Edition mehr
oder minder ein Schattendasein führende Urkunden, die jedoch
zur geistigen Umwelt der großen historischen Quellen gehören.
Dieses Hineinstellen in die Geistesgeschichte ist ein besonderer
Vorzug des Werkes. Als Beispiel sei in Band II unter der Rubrik
„I. Kirche und Imperium. Papsttum und Kaisertum. A. Einheitsidee
1. Theorien, Nr. 1" das „Gebet für Kaiser und Reich" genannt
. Es ist einem englischen Werk, H. A. Wilson, The Gelasian
Sacramentary, 1894, entnommen (II, S. 1).

Der gröfjte Teil der Quellen ist in der Urkundensprache der
Zeit lateinisch abgefaßt. Aber es finden sich auch Quellen in deutscher
Sprache, z. B. aus dem Sachsenspiegel und dem Sächsischen
Weichbildrecht (Bd. II, S. 89ff.) oder Art. 24 der deutschen Fassung
des Mainzer Landfriedens von 1235 (Bd. II, S. 40). Band I beginnt
mit der Schilderung der Salbung Pippins im Jahre 754 durch Papst
Stephan aus dem Chronicon Moissiacense (S. 1), Band II schließt
mit einem Kapitel aus der ca. 1347 verfaßten kirchenpolitischen
Streitschrift des Wilhelm von Occam, De imperatorum et ponti-
ficum potestate (S. 180ff.). Dazwischen liegen sechs Jahrhunderte,
in denen Imperium und Sacerdotium in ihrem Verhältnis zueinander
die Geschichte dieser Zeit maßgebend geprägt haben. Es ist
selbstverständlich unmöglich, im Rahmen einer kurzen Besprechung
auf den Inhalt im einzelnen einzugehen. Stattdessen sollen
die Überschriften der Hauptabschnitte einen Eindruck von dem in
den beiden Bänden Gebotenen vermitteln.

Bandl: I. Verbindung des Papsttums mit den Karolingern,
Ottonen, Saliern, Priesterkönigtum und Gottesstaat. Einheitsgedanke
; II. Staatskirchliche Gesetzgebung; III. Anerkennung und
Schutz "der kirchlichen Ordnung; IV. Mitwirkung der Kirche an
den Staatsaufgaben; V. Salbung und Krönung der deutschen Könige
und Kaiser; VI. Übergang zum hierokratischen System.

Band II: I. Kirche und Imperium. Papsttum und Kaisertum.
A. Einheitsidee; B. Vorzugsstellung der Kirche; C. Kirchliche
Stellung und Rechte des Kaisers; II. Kampf zwischen Kaisertum
und Papsttum; III. Der Hierokratismus; IV. Die Reaktion.

Erlangen Hans Liermann

Weitzel, Joseph: Begriff und Erscheinungsformen der Simonie
bei Gratian und den Dekretisten. München: Hueber 1967. XVI,
155 S. gr. 8° = Münchener Theologische Studien, hrsg. v. J.
Pascher, K. Mörsdorf, H. Tüchle. III. Kanonistische Abt., 25.
DM 22,-.

Die Abhandlung befaßt sich mit einem verhältnismäßig eng begrenzten
Gegenstand aus der Geschichte des kanonischen Rechts.
Sie untersucht die juristische Behandlung der Simonie bei Gratian
und bei im ganzen elf Dekretisten, die Summen zum Decretum
Gratiani verfaßt und dadurch das Recht der Simonie weiter fortgebildet
haben. Dabei hat sich der Vf. der Mühe unterzogen, auch
sechs bis jetzt ungedruckte Summen als Quellenmaterial heranzuziehen
. Er hat auf diese Weise eine zusammenfassende Darstellung
fein geschliffener juristischer Dogmatik gegeben, die für
jene Blütezeit der Kanonistik typisch ist. Sie ist dem Thema entsprechend
bewußt auf die Jurispurdenz Gratians und seiner Nachfolger
beschränkt, unter denen sich so bedeutende Rechtsgelehrte
wie Gratians Schüler Paucapalea und Magister Rolandus Ban-
dinelli, der spätere große Juristenpapst Alexander III., befanden.
Aus diesem Grunde ist über die damalige geschichtliche Umwelt
verhältnismäßig wenig zu erfahren. Immerhin sei darauf hingewiesen
, daß das Eigenkirchcnwesen die Eigenkirchenherrcn ebenso
wie die von ihnen eingesetzten Kleriker leicht zur Simonie verleitete
. Interessant ist auch, daß die Meßstipendien allgemein nicht
als Simonie angesehen wurden.

Die Simonie galt als das schwerste kirchliche Verbrechen. Sie
wurde dem crimen laesae Majestatis des weltlichen Rechts gleich
geachtet. Sie fällt auch heute noch unter das kirchliche Strafrecht
(Codex juris canonici c. 2371, 2392). Die Definition der Simonie
machte Schwierigkeiten. Gratian vermied sie überhaupt. Das damalige
strafrechtliche Denken verlangte im Gegensatz zum moder
nen Strafrecht noch nicht einen fest umrissenen Tatbestand der
strafbaren Handlung. Ihrer Kürze wegen sei hier die viel gebrauchte
Definition des Rufinus wiedergegeben. Er bezeichnet die
Simonie als „studiosa cupiditas emendi vel vendendi aliquod
spirituale".

Die vielen Rechtsfragen, mit denen sich die mittelalterlichen
Kanonisten befaßt haben, können im Rahmen einer kurzen Besprechung
nicht behandelt werden. Folgendes sei hervorgehoben:
Die Simonie wurde allgemein als ein Fall der Häresie angeschen.
Die Simonisten trennen sich zwar nicht äußerlich von der Kirche
aber sie dokumentieren dadurch, daß sie den Heiligen Geist und
seine Gnadengaben irdischen Dingen gleichstellen, eine nicht rechtgläubige
Gesinnung. - Unter Berufung auf Ap. gesch. 8,18ff. wurde
auch die versuchte Simonie bereits als Verbrechen angesehen. Der
Magier Simon, der erste Simonist in der Christenheit, hatte dem
Apostel Petrus vergeblich Geld für die Gabe der Krankenheilung
geboten. - Gegenstand der Siomonie können Weihen, die übrigen
Sakramente, Sakramentalien, Ämter, Wahlen, kirchliche Einnahmequellen
, Aufnahme in ein Kloster sein. - Besondere Schwierigkeit
bereitete die Frage der Gültigkeit von Weihehandlungen von selten
solcher Personen, welche die Weihegewalt durch Simonie erlangt
hatten, insbesondere dann, wenn dem Empfänger der Weihe
nicht bekannt war, daß er von einem Simonisten geweiht wurde.

Der juristisch eingestellte Leser wird die rechtsdogmatisch ausgezeichnete
Arbeit mit Genuß lesen. Dem Theologen und Kirchen-
bistoriker bietet sie, ihrem Thema entsprechend, verhältnismäßig'
wenig Material.

Erlangen Han, Liermann

B 1 a n c , Pasteur Rene i Das Verhältnis von Staat und Kirchen in

Frankreich (ZW 40, 1969 S. 533-551).
M u 1 d e r, John M.: The Church as a Financial Institution, or

Forgive Us Our Debts (ThToday 26, 1969 S. 294-298).
v. Nell-Breuning, Oswald: Kirchensteuer und Kirchcnmit-

gliedschaft (StZ94, 1969 S. 309-315).
Obermayer, Klausi Staatskirchenrecht im säkularen Stayt

(ZW 40, 1969 S. 514-532).
V e 1 a , Luis: El derecho .canönico como diseiplina teologica (Gr 50,

1969 S. 719-755).