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Ausgabe:

1969

Spalte:

946-948

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Bastian, Hans-Dieter

Titel/Untertitel:

Theologie der Frage 1969

Rezensent:

Hertzsch, Klaus-Peter

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storal counseling gesammelt und berichten darüber. Dabei ist
besonders zu beachten, daß sie die amerikanischen Einsichten, die
in diesem neuen seelsorgerlichen Beraten gewonnen wurden, in
ihrem niederländischen Bereiche vollauf bestätigt fanden. Um so
mehr ist es zu begrüßen, daß ihr Buch nun in deutscher Sprache
vorliegt. Bisher hat man in der Bundesrepublik von dem pastoral
counseling nur durch Studenten gehört, die aus ihrem Auslandsstudium
berichteten und denen sich zu ihrer Überraschung ein bei
uns ganz unbekannter pastoraltheologischer Zugang zum Gesamtproblem
des theologischen Studiums ergeben hatte.

Besondere Beachtung verdient das Vorwort der beiden Verfasser.
Seine Klarheit, Einfachheit und Sachlichkeit bieten dem Leser einen
seltenen Genuß, nicht zuletzt die Betonung: „man wird an den
Beiträgen vielleicht merken, daß die beiden Verfasser aus zwei
verschiedenen Richtungen herkommen. Sie meinten aber, daß eine
ausreichende Übereinstimmung hinsichtlich der theologischen und
psychologischen Sicht des seelsorgerlichen Gesprächs vorhanden
ist, um diese gemeinsame Aufgabe zu rechtfertigen, während andererseits
der Unterschied der Auffassungen, der hier und dort
zutage tritt, dazu beitragen kann,'die Diskussion in Gang zu halten
". Man möchte wünschen, daß solche Freiheit von doktrinären
Zwängen und Abgrenzungen in der gesamten theologischen Arbeit
Schule macht. In diesem Sinne scheinen sich mir die Verfasser als
rechte Seelsorger der heutigen Theologengeneration auszuweisen.

Der Inhalt des Buches verteilt sich je zur Hälfte auf die Verfasser
. Im 1. Teil (S. 11-119) führt H. Faber sehr gut in die Methode
seelsorgerlicher Gesprächsführung ein, wie sie von C. R. Rogers
entwickelt und für die Theologenausbildung in den USA weithin
maßgebend geworden ist. Im Anschluß daran erörtert er theoretische
Aspekle des seelsorgerlichcn Gespräches, z. B. „Counseling"
im seelsorgerlichen Gespräch, das Zeugnis des Heiligen Geistes,
die Rolle des Pastors gegenüber dem Psychotherapeuten, das rechte
Verhältnis zu Gott und die Gesundheit - um nur diese aus der
Fülle y.u nennen.

Im Unterschied zu H. Faber geht E. van der Schoot weniger berichtend
als systematisch darstellend vor: L Strukturen, II. Hilfsquellen
. HI. „Technik", IV. Praxis und Analyse, V. Ausbildung.
Dennoch tritt die Übereinstimmung in der Sache zwischen beiden
deutlich hervor. Theologisch deutet sich der erwähnte Richtungsunterschied
wohl darin an, daß E. van der Schoot Liturgie und
Gebet, Reue und Beichte, Absolution und Segen als gegebene Hilfe
des kirchlichen Lebens stärker in Betracht zieht. An dem entscheidenden
Grundsatz, daß das seelsorgerlichc Gespräch „non-direc-
tive* bleiben müsse, ändert das nichts. (Da die Aussprache des
englischen „directive" manchem Leser unbehaglich sein könnte,
wäre zu überlegen, ob man im Deutschen nicht gut „nicht direktiv"
sagen könnte.) Wenn H. Faber im Anschluß an Rogers im seelsorgerlichen
Gespräch alle dogmatisicrenden, moralisierenden, diagnostischen
, moralisierenden oder auch inhaltlich naiv reagierenden
Antworten des Seelsorgers verwirft, so trifft E. van der Schoot
darin absolut mit ihm zusammen. Die Forderung beider ist die
emphatisch-spiegelnde Antwort. Es ist sehr wertvoll, daß beide Beiträge
das an eindrucksvollen Beispielen erläutern. Fast jeder Seelsorger
wird erschrecken, wenn er seine Gesprächspraxis im Spiegel
dieser Beispiele überprüft. Er wird merken, wie ahnungslos er
gravierende Fehler macht.

Darum legen beide Verfasser denn auch großen Wert auf die
Frage der künftigen Ausbildung der Pfarrer für ihren Dienst; denn
es dürfte kaum ein Zweifel bestehen, daß die seelsorgerliche Beanspruchung
des Pfarrers in den kommenden Jahrzehnten von
höchster Bedeutung sein wird. Angesichts ihrer Forderungen und
der Berichte, die sie über amerikanische und niederländische Erfahrungen
mit neuen Ausbildungswegen geben, fühlt man sich zu
der Frage veranlaßt, ob der deutsche Titel des Buches richtig ge-
wählt ist: Praktikum... Der niederländische Titel lautet: Het
Pastorale gesprek, cen pastoraal-psychologische Studie. Ein „Praktikum
" bietet das Buch eben nicht. Darum ist auch die Aussage des
K1appcntextes, daß das Buch das didaktische Prinzip John Deweys
•■•earning by doing" zu verwirklichen suche, nicht richtig. Eben
dies kann ein Buch nicht; denn „learning by reading a book" ist
^en nicht „learning by doing". Hier zeigt sich der tief eingewur-
^Ite Irrtum der bei uns üblichen theologischen Ausbildung für das
kirchliche Amt. Eben diesen Irrtum suchen die Verfasser mit
'hrem Buche zu überwinden, indem Sie ein „clinical training"
fordern.

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Der künftige Pfarrer lernt unterrichten in der Schulstube, erziehen
in der Lebensgemeinschaft mit Kindern, Seelsorge am Krankenbett
und in Beratungsstellen -, nicht in Vorlesungen oder
Seminaren. In den Niederlanden hat man, wie die Verfasser berichten
, bereits gute Erfahrungen mit dem sogenannten „clinical
training", der Ausbildung in psychotherapeutischen oder andern
Anstalten gemacht. Sie geht in kleinen Gruppen (8-10) unter der
Leitung eines „Supervisors", also eines erfahrenen Praktikers der
Seelsorge, vor sich. Wichtig ist, daß dabei auch die Gruppenmitglieder
untereinander ihre Erfahrungen austauschen und kritisch
durchdenken (M. Balint). Im Unterschied zu M. Balint fordert H.
Faber neben dem Gruppen-supervisor auch den persönlichen, also
einen Seelsorger des werdenden Seelsorgers. Entscheidend für beide
Verfasser ist die Einsicht, daß in solcher Ausbildung an der Persönlichkeit
des Studenten oder Pfarrers selbst sich etwas ereignet, das
M. Balint nennt „a limited, though considerable change of per-
sonality". Der Teilnehmer an der Gruppenarbeit erfährt an sich
selbst einen Wandel, der für den Dienst seines Amtes grundlegend
ist. Man hat auch, wie ich es in Amerika miterlebte, den Versuch
gemacht, durch ein „Rollenspiel" eine seelsorgerliche Situation zu
fingieren, in der einer der Teilnehmer den Ratsuchenden, der
andere den Seelsorger darstellt. Es liegt auf der Hand, daß dabei
Dinge zur Sprache kommen müssen, die für beide Teile wichtig,
vielleicht sogar erregend sind und zur Selbstprüfung führen.

Man kann nur hoffen, daß das Buch in der Praktischen Theologie
der Gegenwart bei uns sorgfältige Beachtung findet. Zum
Schluß sollte ein Wort der Anerkennung für den Übersetzer nicht
fehlen. Wir sind durch ein gutes Deutsch nicht eben verwöhnt.

Hamburg Walter U h s a d e 1

Bastian, Hans Dieter: Theologie der Frage. Ideen zur Grundlegung
einer theologischen Didaktik und zur Kommunikation
der Kirche in der Gegenwart. München: Kaiser [1969]. 359S.
gr. 8°. Kart. DM 23,-; Lw. DM28,-.

Hans-Dieter Bastian, Theologieprofessor und Katechetik-Spe-
zialist in Bonn, ein unermüdlicher Aufsatz-Verfasser und auf diese
Weise an verschiedenen Fronten des theologischen Streitgesprächs
herzhaft mitten im Handgemenge, legt nun etwas vor wie einen
geschlossenen Entwurf, eine eigene Gesamt-Konzeption: „Theologie
der Frage". Dabei tut er bereits im Vorwort das, was man
angesichts der heutigen Publikationsflut jedem Autor zur Pflicht
machen müßte: er stellt sich der Frage, ob sein Buch tatsächlich
notwendig ist, ob es „an der Prägnanz der Theorie und der Kompetenz
der Methoden" tatsächlich etwas verbessert, und er gibt
präzis die Ziele seiner Arbeit an: „eine realitätsnahe, einwandssen-
sible Hermeneutik oder Kommunikationstheorie; eine dialogische
Beschäftigung mit verschiedenen nicht-theologischen Wissenschaften
, die von der Kommunikation handeln; eine politische Praktische
Theologie, welche die Aufarbeitung der Erfahrungen des
Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und seiner Folgen nicht
den Historikern überläßt". Aus der zweitgenannten Zielsetzung
ergibt sich, daß man zunächst den Eindruck hat, es handle sich
eigentlich gar nicht um eine „Theologie". Denn zwei Drittel des
Buches handeln zwar ausführlich von der Frage, kaum aber von
der Theologie. Auf der 250. der rund 350 Seiten erscheint zum
11. Kapitel die erste eigentliche theologische Überschrift, während
bisher von lauter fremden Wissenschaften die Rede war. Gerade
darin aber spricht sich die Überzeugung Bastians aus, daß theologisches
Denken heute überhaupt erst wieder kommunikationswirksam
und also hermeneutisch effektiv werden kann, wenn es ausbricht
aus dem Bannkreis seiner selbstgenügsamen Hausprobleme
in das weite Feld der Sozial- und Kommunikations-Wissenschaften,
die inzwischen ganz unabhängig von ihm herangewachsen sind
und Zeit und Wirklichkeit offenbar kompetent zu deuten und wirksam
zu gestalten in der Lage sind. In zehn Kapiteln stellt er also
die Bedeutung der Frage und des Fragens für die „verschiedenen
nicht-theologischen Wissenschaften" dar. Nur gelegentlich und oft
selber nur fragend erwägt er die Folgerungen, die sich für die
Theologie und die Arbeit der Kirche daraus ergeben. Wo immer er
dies aber tut, da geschieht etwas Entscheidendes, das in den spezifisch
theologischen Schlußkapiteln dann zum Ziele kommt:
Bastian, der Bertold Brecht wichtige Anregungen verdankt und
ihn als eine Art Haus-Poeten auch des vorliegenden Buches einsetzt
, betrachtet die Theologie mit dem „fremden Blick des Galilei*,

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12